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Worum geht es?

Spielehersteller setzten einerseits zunehmend restriktivere Kopierschutzmaßnahmen wie Always-Online-Methoden ein. Andererseits verwehren Betreiber von Spieleplattformen wie Steam Kunden bei digital vertriebenen Inhalten zahlreiche Grundrechte wie die Weitergabe von erworbenen Spielen. Dies soll zwar alles zum Schutze der Urheberrechte geschehen, führt allerdings auch zur sukzessiven Ausbeutung der zahlenden Kundschaft. Neben rechtlichen Bedenken stellt sich auch die Frage, ob dies überhaupt zielführend ist.

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Was ist Free2Play?

Videospiele, die nach dem Free2Play-Modell (F2P) vertrieben werden, stehen Spielern kostenlos zur Verfügung. Einnahmen werden durch Verkäufe von zusätzlichen Spielgegenständen wie Ausrüstungen und Waffen generiert. Nach Smartphone- und Web-Games stützen sich auch zunehmend größere PC- und Konsolen-Produktionen auf das neue Geschäftsmodell. Bei Spielern ist F2P umstritten. Befürchtet wird, dass dies den Wettbewerb verfälscht, da nicht mehr zwangsläufig der beste, sondern vielleicht der am meisten zahlende Spieler gewinnt. Hersteller suchen deshalb Wege, um Bezahlinhalte gleichermaßen attraktiv, aber nicht spielentscheidend zu gestalten.

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Das Kürzel DRM begleitet Konsumenten, seit digitale Güter den Massenmarkt erreicht haben. Das Digital Rights Management lässt sich mit der deutschen Bezeichnung "digitales Rechtemanagement" allerdings nur wohlwollend übersetzen, denn tatsächlich geht mit DRM oft der Verlust angestammter Konsumentenrechte einher.

Das Recht auf Privatkopie etwa besteht zwar nach wie vor und wird von den Rechteinhabern auch gern hervorgekramt, wenn es um die damit verbundene Besteuerung von Leerdatenträgern wie aktuell die Festplattenabgabe geht. De facto arbeitet die Unterhaltungs- und Rechteverwertungsindustrie aber seit Jahrzehnten daran, dieses unbequeme Recht zu beschneiden oder ganz auszulöschen: Denn die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen, die dieses Recht auf private Vervielfältigung behindern, ist verboten - ein Grund, weshalb das Kürzel DRM für Kritiker auch für "digitale Rechteminderung" steht.

Apokalypse seit Jahrzehnten

In der Unterhaltungsindustrie herrscht traditionell nackte Angst vor dem Wegbrechen ihrer Geschäftsmodelle durch neue Technologien. Schon das tendenziöse und zugleich eigentlich absurde Kunstwort "Raubkopie" spricht Bände. Der Tonfall der Branche ist traditionell apokalyptisch, die immer gleichen und nachweislich aus dem Hut gezauberten Zahlen der angeblich durch "Raubkopien" verursachten Schäden bedrohen angeblich nicht nur die jeweiligen Branchen, sondern immer das ganze Medium an sich.

Da steht schon mal die Kultur des Abendlandes auf dem Spiel: "Eine klanglose Zukunft ist das Menetekel. Wenn die Musikindustrie ihre wirtschaftlichen Probleme heute und morgen nicht zu lösen vermag, wird es übermorgen bei aller Super-Technik kaum mehr produzierte Musik geben, die überspielt werden kann", berichtete zum Beispiel unheilschwanger der deutsche Spiegel - jedoch war im zitierten Artikel nicht von Filesharing die Rede. Es ging um die böse Musikkassette. Damals, 1977.

Floppys auf dem Schulhof

Spiele als digitales Produkt haben eine lange Geschichte des ganz eigenen Kampfes der Spielemacher gegen ihre nicht bezahlende Zielgruppe, und das schon lange vor dem Internet. Der Tausch von Floppys auf dem Schulhof ist so alt wie die Verbreitung des Computers im Privatbesitz. Der elektronische Diebstahlschutz steckte damals noch in den Kinderschuhen: Ältere Semester werden sich noch an die erfindungsreichen analogen Kopierschutzmaßnahmen erinnern, die dem hemmungslosen Kopieren oft auch durchaus originell entgegentraten. Unvergessen ist sicher das Code-Rad der ersten "Monkey Island"-Spiele, andere Titel verlangten später im Spiel die Eingabe einzelner Wörter aus den damals noch umfangreichen Handbüchern. Übrigens war "Raubkopieren" bis zum Aufkommen der CD-ROM ein reines Problem der Heimcomputerszene; durch ihre Cartridgestruktur waren Konsolenspiele lange Zeit praktisch kopiersicher.

Neue Wege im DRM

2012, so könnte man behaupten, war in der Spieleindustrie ein Jahr des Umdenkens in Sachen DRM. Seit Jahren schon protestieren User zu Recht gegen immer drakonischer werdende DRM-Systeme, die limitierte Installationen oder den Zwang zur ständigen Internetverbindung vorschreiben. Onlineproteste bei prominenten Titeln, vereinzelte Thematisierung durch die Games-Presse oder kritische User-Rezensionen etwa auf Amazon zum Thema DRM (Paradefall: "Spore") waren allerdings die einzigen merkbaren Effekte der umstrittenen Kopierschutzmaßnahmen geblieben; die Raubkopierer selbst waren davon weniger beeindruckt. Es gibt kaum ein Spiel, das nicht trotz knebelhafter DRM-Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit trotzdem als Raubkopie zum Download verfügbar gewesen wäre. Technisch betrachtet war jedes DRM abseits von MMOs oder - spielerisch umstrittenen - Online-only-Ansätzen à la "Diablo 3" bislang erfolglos.

Dennoch: Als Ubisoft im September des Jahres überraschend ankündigte, bei zukünftigen Titeln auf sein besonders unpopuläres DRM-System zu verzichten und es für bestehende Titel zu deaktivieren, war das Erstaunen groß: Noch wenige Wochen zuvor hatte Ubisoft-Boss Yves Guillemot die Hinwendung seines Konzerns zu Free2Play mit angeblichen 95 Prozent Piraterierate begründet - eine Fantasiezahl, die wenig später kleinlaut revidiert werden musste. Auch EA hatte in den letzten beiden Jahren seine drakonischen DRM-Systeme schrittweise gelockert.

Woher diese - scheinbare - Einsicht? Grund für das Umdenken war wohl weniger eine neugefundene Kundenorientierung, sondern eine Hinwendung zu "ganzheitlicheren" Schutzmaßnahmen: Der Trend zu Free2Play als angeblich heilsbringender Formel ist nur eine davon. Denn der PC-Spielemarkt wird inzwischen von großen Downloadplattformen regiert, die das "alte" Modell, das hauptsächlich für physische Datenträger konzipiert war, durch ein neues ersetzen.

Steam, der geheime Tyrann?

Im Sommer 2011 hatte sich Gabe Newell, Chef von Valve und des Quasimonopolisten Steam, in einem Interview anscheinend klar gegen DRM ausgesprochen: "Die beste Methode, Piraterie zu bekämpfen, ist ein Service, den die User benutzen wollen." Dieser Service solle ein Online-Portal wie etwa Steam oder EAs Origin sein - ein bequemer One-Stop-Shop für Spielverwaltung, Updates, Onlinekomponenten und nicht zuletzt die immer populärer werdenden Abverkäufe, in denen Publisher bei breitem Publikum auch ihren alten Backkatalog noch einmal versilbern oder mit Preismodellen experimentieren können.

Was zu schön klingt, um wahr zu sein, hat einen gewaltigen Haken: Diese Vertriebsplattformen selbst sind umzäunte Gärten ähnlich Apples App-Store, in denen grundlegende Userrechte per AGB außer Kraft gesetzt werden. Die Spiele selbst brauchen kein DRM, da die Plattformsoftware selbst dessen Aufgaben übererfüllt. Zwar ist etwa bei Steam "nur" zum Einloggen eine Internetverbindung nötig und es können auch auf mehreren Rechnern Spiele installiert werden, doch werden im Vergleich zur klassischen Vertriebsform per Datenträger gleich einige Kundenrechte mit Füßen getreten - vom Recht auf Kopie bis zu jenem des Weiterverkaufs oder schlichtem Ausleihen an Freunde.

Wiederholt wurde deshalb Steam wie auch schon EA und Blizzard zuvor von der deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) abgemahnt. Hauptanlass waren die neuen Geschäftsbedingungen, die Valve seinen Nutzern diesen Sommer in einer beispiellosen "Friss oder stirb"-Aktion schlicht aufgezwungen hatte: Wer den neuen AGBs nicht zustimmen wollte, verlor den Zugang zu seinem Account und somit unter Umständen zu Dutzenden legal gekauften Spielen.

Rechtswidrig

Carola Elbrecht vom vzbv hat klare Worte für dieses Vorgehen: Diese Geschäftspraxis ist schlicht rechtswidrig. Valve wird in naher Zukunft sein klar europäischem Recht widersprechendes Geschäftsverhalten vor Gericht verteidigen müssen; eine Unterlassungserklärung wurde von Valve demonstrativ nicht unterzeichnet, ein Gang durch die Instanzen bis zum europäischen Gerichtshof scheint wahrscheinlich. Dort könnte sich der Spielegigant aber die Zähne ausbeißen: Erst im Juli wurde dort verfügt, dass der Handel mit gebrauchter Software legal ist und nicht eingeschränkt werden darf.

Denn hier ist der zweite, eigentlich essenziellere Schauplatz im Kampf um DRM, der eigentlich jener der Unterhaltungsindustrie gegen ihre Konsumenten ist; denn neben den bösen "Raubkopierern" ist den Konzernen auch der an sich völlig legale Handel mit gebrauchter Software ein Dorn im Auge. Wiederholt haben Entwickler und Publisher den vor allem im Konsolenbereich lebhaften Second-Hand-Handel als "schlimmer als Piraterie" bezeichnet und Umsatzentgänge beklagt. Diese Einstellung spiegelt sich auch in den diversen jüngeren DLC-Strategien und populären "Season Pass"-Geschäftsmodellen wider: Der Käufer des Spiels wird so an "sein" gekauftes Spiel gebunden, ein Weiterverkauf unattraktiv oder schlicht unmöglich. Auch hier könnte die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs Interessantes bewirken.

Der Käufer ist der Dumme

Nach Jahren des erfolg- und aussichtslosen Kampfes gegen die Piraten - einem früheren Bonmot Gabe Newells zufolge eigentlich "underserved customers" und zugleich die eifrigste Käufergruppe stellen - zeigt sich eine bittere Wahrheit überdeutlich: DRM dient nicht nur zur Eindämmung von Piraterie - ein Ziel, das meist verfehlt wird -, sondern immer öfter zur besonders effizienten Ausbeutung ohnedies zahlungswilliger Kunden, denen sukzessive Rechte entzogen werden. Ein doppelter Tiefschlag für zahlungswillige Fans.

Geht's auch ohne?

Kann es aber eine Welt ohne DRM geben? Die Musikindustrie geht diesen Weg. Seit mehreren Jahren wurden die desaströsen DRM-Strategien eingemottet und stattdessen - endlich - auf ein neues, kundenfreundlicheres und preiswerteres Vertriebsmodell umgesattelt. DRM-freie Musik, ohne Gängelung günstig zu kaufen, hat in jüngster Vergangenheit sogar zu einer leichten Trendwende geführt.

Die Spieleindustrie hat diese Lektion bislang ignoriert und setzt weiterhin entweder auf alte Preisstrategien bei verstärkter Nutzerkontrolle durch DRM oder gleich auf Umstrittenes wie F2P. Das Vertrauen in die Kunden, bei akzeptablem Preis-/Leistungsverhältnis und Abkehr von DRM freiwillig zu bezahlen, will sich trotz Pay-what-you-want-Modellen und dem Beispiel der Musikindustrie nicht recht einstellen.

Wer als Spieler damit unzufrieden ist, kann sich überlegen, ob er oder sie den Trend durch weiteres freiwilliges Konsumieren der Entmündigung durch DRM weiter unterstützen will - oder aber zu den existenten, aber noch kleinen Alternativen greifen, um so ihren Unmut auszudrücken. Eines ist klar: Wer kein DRM will, sollte dessen Proponenten zumindest nicht per Kauf belohnen. (Rainer Sigl, derStandard.at, 11.12.2012)