Bis die ersten Spiele für die nächste Konsolengeneration vorgestellt werden, geben aktuelle Spiele wie "Crysis 3", die auf High-End-PCs optimiert wurden, einen Ausblick auf die erwartbare Grafikqualität.

Foto: Crytek

Epic Games Unreal Engine 4 soll die Grundlage für viele Next-Gen-Spiele bieten. Besonderes Augenmerk wurde auf realistische Lichteffekte gelegt.

Foto: Epic Games

Daneben werken auch Studios wie Square Enix an moderner Entwicklungssoftware für kommende Spiele.

Foto: Epic Games

Die Spiele der neuen Konsolen von Sony und Microsoft werden über ein glaubhaftere Spielwelten verfügen. Dazu gehört die realistische Abbildung von Fauna und Flora ...

Foto: Crytek

... sowie Partikeleffekte, die Naturphänomene wie Feuer und Schnee scheinbar greifbar machen.

Foto: Epic Games

Wie Ubisofts "Watch Dogs" zeigt, werden die virtuellen Welten von morgen vor Leben sprühen. Dazu gehört auch, dass scheinbar alltägliche Situationen detailliert nachgestellt werden können.

Foto: Ubisoft

Was ist Free2Play?

Videospiele, die nach dem Free2Play-Modell (F2P) vertrieben werden, stehen Spielern kostenlos zur Verfügung. Einnahmen werden durch Verkäufe von zusätzlichen Spielgegenständen wie Ausrüstungen und Waffen generiert. Nach Smartphone- und Web-Games stützen sich auch zunehmend größere PC- und Konsolen-Produktionen auf das neue Geschäftsmodell.

Foto: Zynga; Montage: Zsolt Wilhelm

Was ist Cloud-Gaming?

Zahlreiche Branchenbeobachter sehen im Cloud-Gaming die Zukunft der Videospiele. Hierbei werden die Inhalte sowie alle Informationen zur Steuerung und Interaktion eines Spiels von einem Server berechnet und über das Internet an eine Konsole, einen PC, einen Fernseher oder ein mobiles Endgerät übermittelt. Dadurch müssen Anwender über keine leistungsstarken Systeme verfügen.

Foto: Gaikai

2013 ist die Frage nach der Zukunft der Videospiele so brisant wie schon lange nicht mehr. Es ist das Jahr, in dem Sony und Microsoft die Nachfolger von PlayStation 3 und Xbox 360 enthüllen werden. Unter Spielern wird auf spektakuläre Grafik und auf mitreißende Inhalte gehofft. Entwickler freuen sich bereits auf einfacher zähmbare Hardware und Herausgeber rechnen mit neuen Geschäftmodellen, während Branchenbeobachter von der "letzten Generation der Spielkonsolen" sprechen. Während sich Sony und Microsoft in Schweigen hüllen, war Zsolt Wilhelm beim deutschen Spielhersteller Crytek mit der Frage zu Besuch, was die neuen Konsolen technisch bringen werden und weshalb die Industrie vom Untergang der Spielkonsolen ausgeht.

Die Realität wird virtuell

Ich wache auf, als das Tischchen auf meine Knie klappt und der Höhenverlust meinen Magen in Richtung Kehlkopf drückt. Die verglaste Luke, die sich Flugzeugfenster nennt, verrät mir nicht das Ausmaß der Gewitterwolke, die sich zwischen Frankfurt und meiner sicheren Landung in Wien befindet. Also verdränge ich die Untergangsszenarien aus meinem Kopf und bewundere die kugelartigen Lichtblitze im Nebel. "Das Problem mit physikalischer Korrektheit ist, dass die kreative Freiheit verloren geht", höre ich Sean P. Tracys Worte in meinen Ohren nachhallen.

Tracy ist einer jener begnadeten Menschen, die einem erklären können, wie sich die komplexen Phänomene der Natur in der virtuellen Realität reproduzieren lassen, ohne dabei vom morgendlichen "Coffee to go" abzusetzen. Er ist auch einer jener Menschen, die keine Bewerbungsunterlagen verschicken müssen, um einen Job zu bekommen. Zu seiner Stelle als "Senior Field Applications Engineer" gelangte er, weil sein heutiger Arbeitgeber Crytek Gefallen an einem seiner privaten Projekte fand. Als Elektroingenieur des kanadischen Militärs entwickelte er bis 2007 in seiner Freizeit eine Neuauflage des Spiels "MechWarrior" auf Basis von Cryteks Entwicklungssoftware CryEngine 2. Sein technisches wie gestalterisches Verständnis für Spiele führte ihn weg von realen Konflikten hinter die Pixelkulissen eines der größten Videospielstudios Europas. Kurz gesagt: Wenn man wissen will, was einen künftig in den virtuellen Weiten erwartet, ist Tracy nicht die schlechteste Auskunftsperson.

Bessere Technik für kreative Freiheit

Von Technologie und Leistung kann man als Game-Designer nie genug haben. Mehr Speicher, schnellere Prozessoren, bessere Werkzeuge geben mehr Möglichkeiten, sich kreativ zu entfalten. Sieht man Tracy bei der Demonstration der jüngsten Version des Spielebaukastens CryEngine 3 über die Schulter, ereilt einen das Gefühl, dass es bis zum Fotorealismus nicht mehr weit ist. Oder zumindest, wenn man nicht allzu genau hinsieht. Einen aktuellen PC vorausgesetzt, werden im neuen Sci-Fi-Shooter "Crysis 3" wundervolle Naturschauspiele wahr. Licht trifft auf die wellenschlagende Oberfläche eines Tümpels, reflektiert in allen Farben der Umgebung auf einen Baum am Ufer, dessen Konturen wiederum einen Schatten auf den steinigen Untergrund werfen. Tausende mannshohe Grashalme biegen sich im Wind wie Haare unterm Föhn. Im Gehen zieht eine Spielfigur eine Schneise, von der sich die Wiese nur langsam erholt. Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkendecke, Partikelschatten verleihen der Struktur eine Dichte, man verspürt den Wunsch, nach dem Dunst zu greifen.

(Video: CryEngine 3 schon heute bereit für die Spiele von morgen)

Nicht zu viel verraten

Es geht noch intensiver, noch detaillierter, weiß Tracy, als wir auf die nächste Konsolengeneration zu sprechen kommen. Einen guten Ausblick auf die zu erwartende Grafikqualität geben aktuelle PCs und aufwendige 3D-Spiele wie "Crysis 3" schon heute, wenngleich einige Eigenschaften der neuen PlayStation und Xbox die Entwicklung noch etwas vorantreiben werden. Mehr Arbeitsspeicher sei dabei vielleicht die beste Nachricht für die Designer. Das erlaubt mehr Effekte zur gleichen Zeit. Dank moderner Programmierschnittstellen lassen sich zudem die Ressourcen besser nutzen. Immer mehr Berechnungen können den flotten Grafikprozessoren überlassen werden, der Hauptprozessor wird entlastet und steht für andere Anwendungen bereit. Doch bevor der Ingenieur auf Spezifika eingeht, hört er auf zu erzählen. "Ich habe schon das letzte Mal zu viel gesagt, und da gab es dann richtig Ärger", beendet Tracy das Thema lächelnd.

Als Microsoft Ende vergangenen Jahres eine Tagung für Spielhersteller hielt, um die neue Xbox (Codename "Durango") vorzustellen, war er es, der seinen exklusiven Besuch über Twitter ausplauderte. Ein Fauxpas, den die Presse dankend für eine Story über die geheimnisumwobene Konsole nutzte. Nachträglich betrachtet wäre Microsoft jedoch vielleicht auch gut beraten gewesen, keine T-Shirts und kein Werbematerial mit "Durango"-Aufschrift an die Anwesenden auszugeben. "Ich würde mir wünschen, dass sie endlich alles öffentlich machen", fügt Tracy hinzu. Für den 20. Februar wird zumindest die Ankündigung der neuen PlayStation erwartet. Die neue Xbox, munkelt man, wird vor der wichtigen Branchenmesse E3 im Juni angekündigt.

Das verbotene Zimmer

Eine Etage über dem Präsentationsraum des Frankfurter Firmensitzes wartet Cevat Yerli mit weiteren Antworten. Vorbei geht es an dutzenden Programmierern und Designern, denen man ungehindert beim Bau neuer Fantasiewelten zusehen kann. Alles wird offen gezeigt und erklärt, selbst Spiele, die noch taufrisch sind wie das Gladiatorenepos "Ryse", das exklusiv für Microsofts Plattformen und die Bewegungssteuerung Kinect in Arbeit ist. Neben die auf Papier gedruckten Kunstwerke der Storyboards gesellen sich auf den langläufigen Pinnwänden an den Gängen strikte Zeitpläne, die wie gigantische Periodensysteme aussehen. Hunderte kleine und größere Ziele gilt es in den Entwicklungsjahren zu erfüllen. Werden Meilensteine nicht erreicht, gibt es von den Herausgebern wie Electronic Arts und Microsoft kein weiteres Budget. Das finanzielle Risiko muss im Rahmen bleiben.

Ich passiere ein kleines Motion Capturing-Studio, in dem Animation getestet werden können, und stoße auf eine Tür, durch die zurzeit "niemand von außen" gehen darf. "Heute wurde neue Hardware geliefert", erklärt die Pressesprecherin. Die neue PlayStation, die neue Xbox? Außer einem Grinsen und Schulterzucken ist nichts herauszubekommen. Doch man muss die Antwort nicht zwischen den Zeilen suchen. Um bis zum Start von Konsolen genügend Spiele vorweisen zu können, werden zumindest ausgewählte Spielhersteller von Plattformbetreibern viele Monate füher mit Entwicklerkonsolen (DevKits) beliefert. Anfangs sind diese Prototypen nur eine ungefähre Annäherungen an die finale Hardware und werden daher mit fortschreitendem Entwicklungszyklus gegen aktuellere DevKits getauscht, bis schließlich das fertige System bereitsteht.

Ein relativ kleiner Schub

"Ich erwarte, dass die neuen Konsolen noch mal für einen Schub sorgen werden", sagt Cevat Yerli, einer der drei Brüder, die Crytek im Jahr 1999 oder 2000 gegründet haben. So genau weiß das niemand mehr, bei rund 900 Mitarbeitern und Niederlassungen rund um den Globus gibt es andere Sorgen. "Ich glaube, dass das dem Markt zumindest kurzfristig sehr gut tun wird", so Yerli. Man solle sich technisch gesehen dennoch nicht zu viel erwarten. Vielleicht "20, 30 Prozent zu aktuellen PCs". Die Zeiten, in denen wie einst bei der PlayStation 3 eigene Prozessorarchitekturen für Spielkonsolen konzipiert wurden, seien vorbei.

Darf man Insider-Meldungen Glauben schenken, werden sowohl Sony als auch Microsoft auf optimierte, aber konventionelle PC-Hardware setzen. Dies vereinfache die Entwicklung deutlich, bedinge aber auch, dass der Vorsprung nicht allzu groß ausfallen kann. "Wir werden sehr schnell an die Grenzen stoßen. Allein vom Stromverbrauch und den Kosten pro Teraflop her ist es zu einem Maximalpreis von 500 bis 600 Euro nicht möglich, eine Konsole zu bauen, die viel stärker als ein PC ist.", sagt Yerli. Das mag auf den ersten Satz enttäuschend klingen, die Ähnlichkeit zum PC habe aus Sicht der Spieler aber Vorteile. "Spieler erhalten dadurch früher Werke, die die Leistung der Konsolen ausschöpfen", sagt Yerli und deutet damit vor allem die recht langsamen Fortschritte der ersten und zweiten Generation der PS3-Games an. Sonys leistungsfähige, aber hoch komplexe CELL-Architektur machte Entwicklern insbesondere anfangs das Leben schwer.

Ein neuer Grafikstandard für Konsolen

Was man sich grafisch von der neuen Hardware erwarten kann, veranschaulichte, ohne es sagen zu müssen, Ingenieur Tracy während der CryEngine-3-Demo. Die komplette Auflösung (1080p) von HD-Fernsehern ausgenutzt, darf man sich auf detailliertere Charaktere und Kulissen freuen.

Wie wichtig der authentische Einsatz von Licht ist, zeigte vergangenes Jahr auch Epic Games, der größte Anbieter von Entwicklungssoftware in der Branche. Spiele auf Basis der Unreal Engine 4 werden mit täuschend echten Reflexionen, Tiefenunschäfen und Funkenflügen aufwarten.

(Video: Die neue Unreal Engine 4 soll lebensnahe Lichteffekte in Spiele bringen)

Die Kunst ist laut Tracy aber nicht, einfach die Regler aufzudrehen und mehr Polygone und brillantere Texturen einzusetzen, sondern dabei stets die Ressourcen im Auge zu behalten. Wo Animationsfilmemacher sich schlicht um die Qualität des Einzelbildes Gedanken machen müssen, müssen sich Spielentwickler überlegen, wie sie diese Qualität in Echtzeit bei 30 oder besser 60 Bildern pro Sekunde halten können. Die neue Konsolengeneration wird Berichten zufolge den Standard bei einer Auflösung von 1080p und 60 Bildern pro Sekunde (fps) ansetzen - eine massive Steigerung gegenüber den aktuell mehrheitlich mit 720p/30fps rechnenden Xbox-360- und PS3-Werken.

Dafür überlegt man sich laufend neue technische Tricks, lässt Tracy durchblicken. Anstatt etwa einen Baum bis auf die kleinste Kerbe zu modellieren, wird die Textur des Baumes mit Informationen versetzt, die dem Baum eine Struktur und damit eine weit feinere Kontur verleihen. Auf den Bildschirm gebracht und in Bewegung versetzt ist dann zwischen der Nachahmung und einem ausmodellierten Objekt kaum ein Unterschied zu sehen.

Was die neuen Konsolen nicht können werden

Bei aller Optimierung sei jedoch abzusehen, an welche Grenzen aktuelle High-End-PCs und kommende Konsolen stoßen werden. Als vergangenes Jahr ein Entwicklerteam namens BeamNG mit spektakulär inszenierten Autounfällen auf sich aufmerksam machte, staunten auch die Profis von Crytek nicht schlecht, erinnert sich Tracy. Einerseits, weil BeamNGs Physik-Engine die Zerstörung von Blech so realistisch wie noch kein anderes Spiel simulierte, und andererseits, weil zur Umsetzung die CryEngine zum Einsatz kam. Die Hoffnungen waren groß, dass das ein Wegweiser für kommende Grafikfinessen sein könnte. Doch Tracy winkt ab. "Nie und nimmer lässt sich das heute flüssig in einem Spiel umsetzen. Gut, vielleicht, wenn man nur ein oder zwei Autos und sonst eine leere Umgebung hat. Aber sonst ..." Die schlauen Köpfe von BeamNG wurden sogar eingeladen. Ziel der Entwickler war es, ihre Engine an das Frankfurter Studio zu verkaufen - so wie es in der Szene mit neuen Technologien oft gemacht wird. Doch als Tracys Kollegen keinen realistischen Einsatzzweck erkennen konnten, brachen sie die Verhandlungen ab. BeamNG wechselte daraufhin die Plattform. An ihrem Ziel, realistische Physikeffekte in Spielen zu ermöglichen, halten sie weiter fest.

(Video: Derart realistische Physikeffekte werden die Spiele der neuen Konsolen vermutlich nicht umsetzen können)

Menschliche Grenzen

Und dann gibt es menschliche Grenzen, die den Videospielfortschritt zurückhalten. Schönere Universen klingen verführerisch, doch was ist mit schlaueren Computerakteuren, intelligenteren Gegnern und clevereren Mitspieler beim digitalen Basketball oder Fußball? "Es sind weniger die Prozessoren, die uns aufhalten, als die Ressourcen der Entwickler selbst", meint Tracy. Alles, was ein Computergegner in einem Shooter machen kann, muss sich vorher ein Mensch ausgedacht und diese im Detail sehr komplexen Gedankengänge auf Papier gebracht haben. Um den Designern die Arbeit zu erleichtern, arbeiten Engine-Schreiber daran, die Umsetzung zu vereinfachen. Mussten in der CryEngine 2 etwa noch einzelne Wegpunkte gesetzt werden, um dem computergesteuerten Charakter den Aktionsradius aufzuzeigen, kann man in der CryEngine 3 heute einfach begehbare Flächen definieren. "Eine Zeitersparnis von Wochen, wenn nicht Monaten", erklärt Tracy.

Effizientere Entwicklung, neue Einnahmequellen

Eine Zeitersparnis, die nicht zuletzt in der Budgetplanung gerne gesehen wird. Ein Gedanke, den auch Epic Games bei der Realisierung seiner Unreal Engine 4 im Hinterkopf hatte. Die Designs werden schöner, die Animationen flüssiger, doch gleichzeitig soll die Entwicklung effizienter vonstattengehen. Vielleicht ein Grund, weshalb auch andere Branchenstimmen kein wesentliches Wachstum der Entwicklungskosten befürchten. "Wir haben keinen Grund zu glauben, dass Next-Gen-Titel viel größere Investitionen benötigen", beruhigte Take-2-CEO Strauss Zelnick die Anleger im Rahmen einer Telefonkonferenz zum vergangenen Geschäftsquartal.

Was sich verändern wird, ist laut Cevat Yerli jedoch die Art und Weise, wie Konsumenten für die Spiele bezahlen. Die Tage des Vollpreisspiels für 60 Euro seien gezählt. Das Geschäftsmodell der Zukunft heiße "Free2Play" (F2P).

Kein Weg führt an F2P vorbei

Diese Entwicklung lasse sich am asiatischen Markt ablesen. Nach einer Reise nach Südkorea im Jahr 2006 stand für Yerli fest, dass die Geschäftsmodelle der westlichen Spielindustrie schon bald überholt sein würden. Die Kombination aus flächendeckendem Breitbandausbau und einem hohen Grad an Softwarepiraterie brachte die lokalen Spielhersteller auf die Idee, Spiele komplett ins Internet zu verlagern. Anhand einer Identifikationsnummer mussten sich die Spieler registrieren und konnten dafür ohne den Erwerb teurer Lizenzen online zocken. Die Einnahmen durch Mikrotransaktionen für neue Ausrüstungsgenstände mochten pro Person zunächst klein erscheinen, doch dafür würde plötzlich das Feld für Millionen (legale) User geöffnet.

"Heute gibt es Games in Korea oder China, die von 100 Millionen Menschen gespielt werden", gibt sich Yerli zuversichtlich. Das ist viermal mehr, als vom erfolgreichsten Teil der "Call of Duty"-Serie verkauft wurde. Diese Dimensionen ändern alles, so der Crytek-Chef. Selbst wenn nur fünf Prozent etwas zahlen, sei es ein erfolgreiches Konzept. "Der Piraterieanteil bei einem populären PC-Spiel liegt heute sowieso bei 95 Prozent. Durch Free2Play legalisieren wir diese Spieler und machen sie gleichzeitig zum Teil der Community." Eine Ansicht, die viele seiner Branchenkollegen teilen. Praktisch alle namhaften Studios von Activision bis Electronic Arts und Ubisoft haben große und kleine F2P-Produktionen in Arbeit.

F2P für Konsolen trotz Spieler-Kritik

Dass auch die neuen Konsolen auf den "Kostenlos"-Zug aufspringen werden, davon ist Yerli überzeugt. Er und andere Branchenvertreter pochten stark darauf, dass die Plattformhersteller die geeignete Infrastruktur für die neue Generation bereitstellen. Die teils massive Kritik zahlreicher Spieler, wonach F2P die Spiele zerstöre, weil Inhalte dadurch stets mit Bedacht auf die Monetarisierung konzipiert würden, weist Yerli zurück. "Spiele werden immer so designt, dass sie die Kunden möglichst lange binden." Das treffe für ein Vollpreisspiel mit Enzelspielerkampagne genauso zu wie für ein Online-Game.

"Der Grund, weshalb viele Spieler so skeptisch sind, ist, dass die ersten F2P-Spiele das F2P-Modell schlecht umgesetzt haben", sagt Yerli. Die Formel, wie man es richtig macht, sei bekannt. "Zeit und Luxus dürfen käuflich sein, das Spiel selbst nicht." Es dürfe demnach nicht darauf hinauslaufen, dass man sich mit Geld ernst zu nehmende Vorteile erkaufen kann. Wie es richtig funktioniert, zeigen Online-Spiele wie "League of Legends", das vergangenen Juli 32 Millionen Spieler registrierte. Crytek selbst startete mit dem Online-Shooter "Warface" erfolgreich in den "Testmarkt" Russland und geht nun die Expansion nach Europa und in die USA an. "2015 wird die Mehrheit an AAA-Spielen auf F2P setzen", ist Yerli überzeugt. "Es ist einfach das fairere Modell, dagegen kann ein 60-Euro-Spiel nicht ankommen." Die explodierenden Spielerzahlen würden außerdem wiederum die Tore für die Werbeindustrie öffnen.

(Video: "Watch Dogs" zeigt, wie die ersten Next-Gen-Spiele aussehen dürften)

Die Cloud als Ende der Spielkonsolen

Die Möglichkeiten des Internets sind auch der Grund, weshalb Branchenbeobachter die Tage der traditionellen Konsolen gezählt sehen. "Das ist die letzte Generation der Spielkonsolen. Da bin ich mir todsicher", sagt Yerli, dessen Studio für alle neuen Systeme Projekte in der Pipeline hat. Seine Überzeugung rührt von zweierlei Entwicklungen her. Vorausgesetzt, die neuen Konsolen sind abermals für mehrere Jahre ausgelegt, würden sie schlicht vom technischen Fortschritt überrollt. Damit sind weniger teuere High-End-PCs, sondern immer leistungsfähiger werdende Multifunktionsgeräte wie Tablets und Fernseher gemeint. "In ein paar Jahren stecken in Fernsehern Prozessoren, die fünfmal schneller sind als die Prozessoren in den Konsolen", rechnet Yerli, der vor drei Jahren bereits anhand von PCs die Hardware der Xbox-360- und PS3-Nachfolger prognostizierte. "Damals hätte so ein PC 3.000 Euro gekostet. Aber wir waren schon so weit."

Wenn es um technologische Fortschritte geht, führe über kurz oder lang kein Weg an der Cloud vorbei. "Will man eines Tages 'Avatar'-Qualität in Echtzeit berechnen, hat man fast gar keine andere Wahl, als Servertechnologien aufzubauen." Natürlich könne man auch den PC stets weiter aufrüsten, doch ist dies heute wie morgen keine praktikable Lösung für die Masse an Spielern. Anstelle dessen sollen eines Tages Server die Berechnung aufwendiger Inhalte übernehmen, die dann per Internet auf den Fernseher, das Tablet oder auch eine Multimediakonsole übermittelt werden. Erste Versuche wie OnLive mögen ihrer Zeit voraus gewesen sein. Doch wenn 10-Mbit-Leitungen irgendwann in den nächsten fünf bis zehn Jahren Standard in den Haushalten sind, benötigt man keine leistungsstarken PCs oder Konsolen mehr, um die neuesten Spiele zu erleben. "Mit 10 Mbit kann man Spiele problemlos in 1080p und 3D streamen", so Yerli.

Das wissen auch Hersteller wie Sony und Microsoft selbst und investieren Millionen in Streaming-Technologien. Sony übernahm vergangenes Jahr erst für 380 Millionen Dollar den Cloud-Spezialisten Gaikai. Ein Games-Streaming-Service wird parallel zur neuen PlayStation erwartet, ist dem Konzern zufolge aber nicht nur für Konsolen, sondern auch für andere Geräte wie Fernseher und Smartphones gedacht. Der Chiphersteller Nvidia baut unterdessen mit Geforce Grid schon heute die benötigte Server-Hardware von morgen.

Zunehmende Konkurrenz

Bevor noch die Cloud die traditionellen Spielkonsolen verdrängt, werden PlayStation, Xbox und Wii U mit einer Schar weiterer Konkurrenten zu kämpfen haben. Valve, der Schöpfer des Shooters "Half-Life" und Betreiber der Spielplattform Steam, will den PC in die Wohnzimmer der Konsumenten drängen. Dafür bietet der Hersteller eine Fernseher-freundliche Benutzeroberfläche an, mit der sich Steam so einfach wie ein Konsolensystem nutzen lässt. Später sollen eigene Steam-PCs den Spielgenuss simplifizieren. Parallel dazu werden Smartphones und Tablets immer leistungsfähiger und ziehen immer mehr Aufmerksamkeit der Anwender auf sich. Günstige Mini-Konsolen basierend auf Googles Betriebssystem Android, wie die Ouya und der GameStick, drängen in den Markt und locken überdies mit einer günstigen Entwicklungsplattform die Spielhersteller an.

Um diesem Trend zu begegnen, versuchen Konsolenhersteller andere Plattformen wie Tablets und Smartphones in ihr Angebot einzubeziehen. "Der Trend zum Zweitscreen wird sich durchsetzen, davon bin ich überzeugt", meint Yerli. Nintendo lässt die Wii U mit einem Tablet-Controller bedienen, Microsoft vernetzt per Software (SmartGlass) Tablet und Xbox und Sony verknüpft den Spielehandheld PS Vita mit der PS3. Das lässt eindeutige Schlüsse für die nächste Generation der Spielkonsolen zu.

Plattformunabhängigkeit

Wer bei dieser enormen Plattformvielfalt nicht mehr mitkommt, erkennt vielleicht auch das stärkste Argument für die Cloud und Online-Angebote. Spielhersteller sind heute auf immer mehr Systemen gefragt. Mobile Endgeräte, Konsolen, PCs, unterschiedliche Betriebssysteme fragmentieren die Entwicklung. Wird alles in die Cloud verlagert, muss man sich nicht mehr für bestimmte Systeme entscheiden und kann ungleich mehr Zielgruppen auf einmal ansprechen. Wird eines Tages alles von Servern berechnet, braucht es keine leistungsfähigen Spielkonsolen mehr. Wie beim Flugzeug, das durch die Wolke fliegt, stellt sich nur die Frage, wie lange es dauern wird, bis man auf der anderen Seite angekommen ist. In fünf bis sieben Jahren, wenn die neue Xbox und die PlayStation bereits wieder am Ende ihres Zyklus angelangt sind, wird sie das Internet möglicherweise bereits in der Ankunftshalle erwarten und eine neuerliche Generationsablöse überflüssig machen. (Zsolt Wilhlem, derStandard.at, 10.2.2013)