Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg sind überzeugt, dass der tägliche Genuss von zwei Litern Grünen Tee bei erblichen und altersbedingten Formen der unheilbaren Erkrankung Amyloidose weitere Herzschäden verhindern kann. Allerdings sind streng genommen keine verallgemeinerbaren Aussagen aufgrund der Stichprobenmängel zulässig.

Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Heidelberg - Der tägliche Genuss von zwei Litern Grünen Tee kann bei erblichen und altersbedingten Formen der unheilbaren Erkrankung Amyloidose, bei der sich fehlgebildete Eiweiße unter anderem im Herzen ansammeln und schließlich zum Herzversagen führen, weitere Herzschäden verhindern. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Amyloidose-Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg mit 14 schwerkranken Patienten im Alter zwischen 64 und 68 Jahren.

Die Teilnehmer tranken ein Jahr lang täglich Tee oder nahmen Kapseln mit Grüntee-Extrakt ein. In dieser Zeit lagerte sich bei den Patienten im Durchschnitt kein weiteres Eiweiß im Herzen ab - im Gegenteil: vorhandene Ablagerungen wurden sogar in geringem Maße abgebaut. Eine drastische Verringerung der Herzwanddicke mit deutlicher Verbesserung der Herzfunktion, wie bislang von einzelnen Patienten berichtet, trat jedoch nicht auf.

Bei der Untersuchung handelt es sich laut Angaben der Mediziner um die erste klinische Studie, die den Einfluss einer festgelegten Menge Grünen Tees auf den Verlauf der Erkrankung zum Forschungsgegenstand hatte. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal "Clinical Research in Cardiology“ erschienen.

Inhaltsstoff des Grünen Tees - Epigallocatechingallat

Erbliche und altersbedingte Amyloidosen sind sehr selten. Wie auch bei anderen Amyloidose-Formen lagern sich körpereigene, aber fehlgebildete Eiweiße als unlösliche Fäden (Amyloid) in verschiedenen Organen ab und schädigen diese dauerhaft. Einzige Therapie bei einigen erblichen Erkrankungsformen ist die Lebertransplantation, da in der Leber hauptsächlich das am häufigsten veränderte Eiweiß Transthyretin entsteht. Ansonsten können lediglich die Folgen wie fortschreitende Herzschwäche, Nervenschäden oder Funktionsstörungen einzelner Organe behandelt werden.

Bislang gibt es keine Verfahren, bereits abgelagertes Amyloid wieder zu lösen. Wie lange die Patienten mit erblicher oder altersbedingter Amyloidose überleben, hängt wesentlich vom Ausmaß des Herzbefalls ab, so die Wissenschaftler.

Als möglicher Wirkstoff ist in den vergangenen Jahren ein Inhaltsstoff des Grünen Tees, das Epigallocatechingallat (EGCG), in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Im Reagenzglas oder bei Tierversuchen verhindert EGCG, dass sich fehlgebildete Eiweiße zu Amyloid zusammenzulagern. Dazu kommen Berichte einzelner Patienten, die Grünen Tee tranken und deren Herzbefall und Befinden sich besserte. 

Studiendesign

Bei der nun veröffentlichten Studie der Abteilung Kardiologie, Angiologie und Pneumologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg nahmen die Patienten täglich eine festgelegte Menge der Tee-Substanz - entweder als Kapsel oder in Form von zwei Litern Grünem Tee - zu sich. Das Aufbrühen des Tees folgte einem klar festgelegten Protokoll, um eine möglichst hohe und konstante Menge EGCG zu erreichen. Mehrmals traten die Patienten zur Ultraschall-Untersuchung des Herzens an, bei neun von ihnen wurde zusätzlich der Herzmuskel im Magnetresonanz-Tomographen exakt vermessen.

Die Patienten nahmen während der Studiendauer weiterhin ihre Medikamente zur Unterstützung des Herzens ein. Von den ursprünglich 19 Studienteilnehmern verstarben zwei an den Folgen der Amyloidose, drei weitere schieden aus anderen Gründen aus der Studie aus. 

Kleine Stichprobe ohne Kontrollgruppe

Nach einem Jahr hatte sich bei keinem der verbliebenen 14 Patienten die Herzfunktion weiter verschlechtert. Die Dicke der Herzscheidewand verringerte sich durchschnittlich um 6,5 Prozent - bei einem Patienten war ein Zuwachs zu verzeichnen. Die Masse des linken Herzmuskels - ein Indikator für die abgelagerte Amyloidmenge sowie die Belastung des Herzens - blieb im Mittel gleich. Konkret verringerte sie sich bei neun Patienten – ein Zeichen dafür, dass sich das Herz erholte – und nahm bei drei Patienten weiter zu.

"Das ist bei einer Erkrankung, gegen die wir bisher nur wenig in der Hand haben, ein gutes Behandlungsergebnis. Eventuell können wir diese Effekte durch eine höhere Konzentration EGCG noch etwas steigern, das müssen aber weitere Untersuchungen zeigen", sagt Studienleiter Arnt Kristen, Kardiologe am Amyloidose-Zentrum Heidelberg.  Der Mediziner stellt aber auch klar, dass sich während der Studie bei keinem Patienten die Herzwanddicke drastisch verringerte oder sich die Herzfunktion deutlich besserte.

Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass die Aussagekraft der Studie durch die fehlende Kontrollgruppe eingeschränkt ist. Die beiden untersuchten Amyloidose-Formen zeigen einen sehr unsteten Verlauf, die Eiweißablagerung kann im Verlauf der Jahre schwanken. Um diese Effekte herauszufiltern, bedarf es allerdings einer Vergleichsgruppe, die auf den Grünen Tee verzichtet. (red, derStandard.at, 13.2.2013)