Foto: ÖAW

Runde Jubiläen sind meist nicht der Anlass, um sich allzu kritisch mit der eigenen Geschichte zu befassen. Als die Österreichische Akademie der Wissenschaften 1997 ihren 150. Geburtstag feierte, wurde in der Festschrift zwar auch der Zeit zwischen 1938 bis 1945 gedacht. Der Beitrag beschränkte sich aber auf 14 Seiten.

Zum nicht ganz runden 75. Jahrestag des "Anschlusses" am 12. März wird alles anders: Die seit Jahren in Reform befindliche ÖAW, die demnächst einen neuen Präsidenten wählt (siehe Seite 15), stellt sich endlich ihrer Geschichte der Jahre 1938 bis 1945 - und zwar auf dreifach Weise.

Zum ersten wird am 11. März ein Katalog präsentiert, den die Historiker Johannes Feichtinger, Herbert Matis, Stefan Sienell und Heidemarie Uhl herausgegeben haben und der ohne jede Beschönigung und im Detail nachzeichnet, was an der gleichgeschalteten Akademie passierte, wer die Täter und wer die Opfer waren.

Die neuen Akademie-Führungskräfte waren durchwegs NSDAP-Mitglieder so wie der lange nach 1945 verehrte Historiker Heinrich Srbik. Insgesamt 22 Akademie-Mitglieder und zahlreiche Mitarbeiter von Akademie-Instituten (wie der BVA oder des Radium-Instituts) wurden aus politischen, oder " rassischen" Gründen entlassen, verfolgt und vertrieben.

Zum Zweiten werden die Verstrickungen in den nationalsozialistischen Herrschaftsapparat in den Jahren 1938 bis 1945 auch in einer vom verdienstvollen ÖAW-Archivar Stefan Sienell gestalteten Ausstellung gezeigt, die ebenfalls am 11. März eröffnet wird.

Zum Dritten wird es an diesem Tag auch noch ein ganztägiges Symposium zum Thema geben (Anmeldungen bis 1.3. unter event@oeaw.ac.at), das auch die Kontinuitäten nach 1945 nicht ganz aussparen wird.

Mit anderen Worten: Durch den "Anschluss" 1938 hat Österreich für Jahrzehnte den internationalen wissenschaftlichen Anschluss verloren. (red, DER STANDARD, 20.01.2013)