Flüchtling in seiner neuen Unterkunft im Kloster: Sobald die Zimmer fertig sind, soll der Keller zu einem Ort des Dialogs werden

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Wien - Mohammad W.s Fluchtgründe sind für ihn selbst offensichtlich, er trägt sie auf seiner Haut. Da ist eine große Narbe von einer Brandwunde am linken Rumpf: "Als uns die Taliban gefangen hielten, beschütteten sie uns mit Heizöl und zündeten es an." Da sind Narben tiefer Schnittwunden: " Von Splittern, nach einer Granatenexplosion." Dass er in Österreich in zwei Instanzen trotzdem kein Asyl bekommen hat, ist ihm völlig unverständlich.

Vor diesem Hintergrund kam es dem 24-Jährigen aus Waziristan, dem Grenzgebiet Pakistans zu Afghanistan, offenbar selbstverständlich vor, sich den Flüchtlingsprotesten anzuschließen. Vom Camp vor der Votivkirche wechselte er vor Weihnachten ins klamme Gotteshaus, hungerte wochenlang aus Protest, musste viermal ins Spital - um schließlich vor zwei Tagen mit der Gruppe ins Servitenkloster zu übersiedeln: " Österreich ist ein gutes Land", sagt er dennoch, "wir hatten Probleme, und die Kirche hat uns aufgenommen, so wie es in Pakistan auch in einer Moschee der Fall wäre."

Nun, am Montag, sitzt W. auf einem Feldbett im geheizten Klosterkellergewölbe, trinkt heißen Tee und findet es goldrichtig, hierhergekommen zu sein: "Es war an der Zeit zu übersiedeln." Außerdem, vielleicht bestehe für ihn ja doch noch die Chance "auf eine Lösung, auf Gerechtigkeit", kurz: "auf legale Papiere".

Tatsächlich hat W, wie alle 63 Protestierenden, ein Formular unterzeichnet, auf dem er zusichert, sich im Kloster anzumelden und bei den ihn betreffenden Verfahren mitzuwirken: Für die Wiener Polizei eine Grundlage, um "in jedem Einzelfall den Verfahrensstand auszuheben und zu prüfen", wie dort ein Sprecher erläutert. Auch den Fall des am Freitag vor der Votivkirche festgenommenen Shajahan Khan werde man nochmals begutachten. Seine Anwältin Nadja Lorenz hat Schubhaftbeschwerde eingelegt.

Natürlich, so der Polizeisprecher, könne so ein Einzelprüfergebnis auch negativ sein, bis hin zu einer Abschiebung. Das wiederholt auch Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese, der an diesem Tag im Klosterkreuzgang mit dem Handy am Ohr hektisch Organisatorisches klärt. Die Flüchtlingen wüssten das, sagt Prüller.

Aufenthalt und Asylreform

Deren Sprecher Jahangir Mir ließ Montag hingegen anklingen, dass das Ringen um Aufenthaltsrecht und Asylreformen für ihn noch keineswegs beendet sei: Sei "in zwei bis drei Monaten keine Lösung in Sicht", werde die Gruppe "den Protest wieder woandershin tragen".

Trotzdem, bis auf Weiteres haben die Flüchtlinge im Kloster die Möglichkeit, ihr Zusammenleben selbstständig zu organisieren. Das weitläufige Kellergewölbe, wo es am Montag Tee und Sandwiches gab, bietet sich als Versammlungssaal an - laut Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner auch für Interessierte von außerhalb, als "Ort der Begegnung und des Dialogs".

Dazu müssen jedoch erst die Mehrbettzimmer in oberen Stockwerken des 300 Jahre alten Gebäudes beziehbar sein. Um die ehemaligen Mönchszellen wohnlich auszugestalten, sollen die Flüchtlinge selbst Hand anlegen. Das Material fürs Herrichten soll aus Spenden kommen.

Auch die Sicherheitskontrollen an der Klosterpforte, die derzeit, wie schon in der Votivkirche, von Securities durchgeführt werden, sollen mittelfristig die Flüchtlingen selbst bestreiten. Am Montag kam es am dortigen Gittertor zu einem aufgeregten Wortwechsel. Ein Flüchtling, der nicht auf der Liste der 63 Zugelassenen steht, wollte partout hinein, eine Begleiterin von der Sozialistischen Linkspartei (SLP) ereiferte sich: "Das war so nicht ausgemacht", behauptete sie. (Irene Brickner, DER STANDARD, 5.3.2013)