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Kinderskikurs: Für Eltern mit Helikopter-Ansätzen eine Herausforderung.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Manchmal führt der Weg zur Erkenntnis über einen Kinderskikurs. Mein Sohn hat vergangene Woche Skifahren gelernt. Ich durfte dabei die Erfahrung machen, dass ich wohl dazu neige, zur Spezies der Helikopter-Eltern zu gehören. Und ja: Ich stehe dazu.

Unser Fünfjähriger schnallt in der Skischule gleich neben dem Familienhotel zum ersten Mal die Carver an. Die Abgabe der Kids ist um 9.30 Uhr beim Kinderlift, erst um 12.30 Uhr sollen sie wieder abgeholt werden. Wir bleiben zur Sicherheit noch bei unserem Kind, im Gegensatz zum Alberto-Tomba-Lindsey-Vonn-lookalike-Pärchen, das sein zweieinhalbjähriges Mädchen alleine lässt, obwohl es weint.

Beim ersten Versuch mit dem Kinderlift stürzt unser Kleiner natürlich. Eine wichtige Erfahrung, würde Pädagogik-Guru Jesper Juul nicht zu Unrecht sagen. Eine schmerzliche für den Buben - und seine Eltern. Ich stehe daneben und zwinge mich loszulassen. Trotzdem helfe ich ihm auf. Danach bleibe ich nur so weit entfernt, dass ich jederzeit eingreifen kann. Sorry, Jesper.

Überall kugeln behelmte Anoraks mit Brillen im Schnee herum. Wenn sie nicht aus dem Lift fliegen, zischen sie im Schuss die Piste runter, weil ihnen für eine kantige Pizza (vormals: Pflug) Kraft und Koordination fehlen. Die Skilehrer bemühen sich zwar, können aber auch nicht immer überall sein. Unser Sohn hat gehörigen Respekt vor dem steilsten (in Wahrheit sehr flachen) Hang, auf dem er jemals gestanden ist. "Mein Körper wollte weinen, aber ich habe mich bemüht, es nicht zu tun", sagt er uns im Nachhinein. Damit lüftet er kein Geheimnis. Kreidebleich steht er auf der Piste. Und wenn er die geschafft hat, wartet wieder der verdammte Lift.

Um 10 Uhr reißen wir uns dann doch los, um auf den Berg für die Großen zu fahren. Wir gehen erst, als er einen halbwegs stabilen Eindruck macht. Das kleine Mädchen von Alberto und Lindsey weint schon seit einer halben Stunde. Sie weint auch noch eine dreiviertel Stunde später, als wir die erste Abfahrt hinter uns gebracht haben und voller Sorge wieder bei der Kinderpiste vorbeischauen. Hinter dem Pistenzaun versteckt, wie zwei startbereite Hubschrauber.

Irgendwie lernt unser Sohn das Liftfahren dann doch, auch die Pizza und sogar die Bogerl. Gib mir fünf! An seiner Gesichtsfarbe ist die verringerte Nervosität abzulesen. Statt Panik strahlen seine Augen nun Stolz aus.

Nicht so bei dem kleinen Mädchen. Sie weint noch immer. Das tut sie auch noch bei unserem nächsten Kontrollflug. Ihre Eltern sind Meister im Loslassen. An ihrer stoischen Ruhe beim Abholen merkt man, dass sie im Kind-weinen-Lassen geübt sind. Die Zweieinhalbjährige ist schließlich hier, um Skifahren zu lernen. Sie schafft es nicht wirklich. Am letzten Tag knallt sie ungebremst gegen einen Holzpfosten beim Lift und ist vorübergehend bewusstlos. Ein Fall für den echten Rettungshubschrauber.

Später hören wir, dass sie nicht gröber verletzt ist. Bilanz der Eltern des Mädchens: Sie konnten den Berg für die Großen öfter rauf und runter fahren als wir. Was zählen da ein paar Tränen? Meine Bilanz: Rücksichtsloses Loslassen ist meine Sache nicht. Als Helikopter-Dad kann ich derartige Unfälle vermutlich auch nicht verhindern. Aber vielleicht. (Rainer Schüller, derStandard.at, 25.3.2013)