"Voyager 1" durchstößt die Blasenwand unseres Sonnensystems. Ob der drastische Abfall von Sonnenwindteilchen bereits als Grenze zum interstellaren Raum gilt, ist umstritten.

Illustration: NASA/JPL-Caltech/JHUAPL

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In jedem Fall wird sich "Voyager 1" bei der Erforschung des interstellaren Raum nur eines Teils seiner ursprünglich Messgeräte bedienen können: Während der vergangenen Jahre musste die NASA aufgrund schwindender Batterieenergie schrittweise die Instrumente abschalten. Nach derzeitigem Zeitplan soll 2025 auch das letzte verbliebene wissenschaftliche Instrument der "Voyager 1" stillgelegt werden.

Illustration: NASA/AP/dapd

Das am weitesten gereiste künstliche Objekt ist drauf und dran, einen zentralen Bereich unseres Sonnensystems zu verlassen. In den vergangenen 35 Jahren hat sich "Voyager 1" 18,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt und dabei unter anderem mit Aufnahmen von Jupiter und Saturn Pionierarbeit geleistet. Die zurückgelegte Strecke entspricht der 123-fachen Distanz zwischen Erde und Sonne. Seit 2002 begann die Sonde den Randbereich zwischen unserem Sonnensystem und dem interstellaren Raum zu durchqueren. Als der Menschheit fernster Instrumententräger - dessen Systeme allmählich portionsweise abgeschaltet werden - sendete "Voyager 1" wichtige Informationen aus den unterschiedlichen Grenzzonen des Sonnensystems, wie Termination Shock und Heliosheath.

Fast zehn Jahre dauerte die Reise durch diese Region, doch nun dürfte es soweit sein: die Sonde überschreitet die Heliopause, die letzte Grenze zu den Zonen außerhalb unseres Sonnensystems - möglicherweise hat sie dies sogar bereits getan. Diesbezüglich gibt es innerhalb der NASA Unstimmigkeiten: ein von der US-Raumfahrtbehörde beauftragter Wissenschafter kommt in seiner am Mittwoch in den "Geophysical Research Letters" veröffentlichten Studie zu dem Schluss, die 1977 gestartete Sonde befinde sich bereits in einem Gebiet außerhalb unseres Sonnensystems.

Unerforschter Zwischenbereich

Der emeritierte Professor Bill Webber von der American Geophysical Union (AGU) ist direkt an den Strahlenmessungs-Experimenten von "Pioneer 10", "Voyager 1" und "Voyager 2" beteiligt und stützt seine Annahme auf einen zuletzt gemessenen drastischen Abfall bei den Sonnenwind-Teilchen. Webber definiert das Sonnensystem in diesem Zusammenhang als jenen Raum, der vom Sonnenwind erreicht wird. Am 25. August 2012 fielen die Messergebnisse plötzlich auf ein Hundertstel der ursprünglichen Werte. Gleichzeitig ähneln die nun festgestellten Bedingungen jenen Strahlenwerten, die man aus dem interstellaren Raum kennt.

Ob sich "Voyager" tatsächlich bereits in interstellaren Raum aufhält, lässt sich laut Webber nicht eindeutig sagen. Möglicherweise handelt es sich auch um eine bisher unerforschte Zwischenzone. Jedenfalls glaube er aufgrund der Daten, dass sich "Voyager" nun außerhalb der Heliosphäre befindet. "Wir sind in einer neuen Welt und alles, was wir messen, ist anders und aufregend."

NASA dementiert, Forscher rudert zurück

Das Dementi kam nur Stunden später von der NASA selbst: Man sei sich derartiger Berichte vom Mittwoch bewusst, sagte "Voyager"-Projektleiter Edward Stone in Pasadena bei Los Angeles. "In unserem Wissenschafterteam besteht aber Einigkeit, dass 'Voyager 1' noch nicht das Sonnensystem verlassen hat oder in den interstellaren Raum vorgedrungen ist."

Damit dürfte sich die NASA einer anderen Definition für die Grenzen des Sonnensystems bedienen. "Voyager" befindet sich aktuell in einer Zone, die die Wissenschafter "magnetic highway" nennen und in der sich die Teilchen dramatisch ändern.  "Eine Veränderung in der Magnetfeld-Richtung ist der letzte kritische Indikator dafür, dass die Sonde den interstellaren Raum erreicht hat," meinte Stone. "Und diese Veränderung wurde noch nicht beobachtet." Webber und die Geophysical Union korrigierten darauf die Formulierungen ihrer Pressemitteilung, blieben aber dabei, dass sich "Voyager" mittlerweile in einer Regionen "außerhalb unseres Sonnensystems" befinde. (Eine genauere Beschreibung der unterschiedlichen Standpunkte hat die Website "Universe Today")

17 Stunden warten auf ein Funksignal

"Voyager 1" und "Voyager 2" gelten als zwei der erfolgreichsten Projekte der Raumfahrt. Beide haben ihre vorhergesagte Lebensdauer um Jahrzehnte überschritten, senden aber immer noch Daten zur Erde. Mittlerweile ist das Funksignal von "Voyager 1" über 17 Stunden unterwegs, ehe es auf der Erde eingefangen wird. Gestartet wurde die Rekordsonde 1977; sie hob zwar 16 Tage später als die Nummer 2 ab, ist mit gut 60.000 Kilometern in der Stunde aber schneller. Deshalb ist sie weiter als ihre Schwestersonde und auch weiter als "Pioneer 10" und "11". Alle vier haben Platten an Bord, die Botschaften der Erde an potenzielle Außerirdische enthalten. (APA/red, derStandard.at, 21.3.2013)