Standard: Halten Sie die Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche für angemessen?

Jiménez: Wenn sich unsere Wirtschaft das leisten kann, wäre das durchaus gut. Insofern ist das aber auch eine wirtschaftliche Frage: Können wir uns das leisten? Wollen wir uns das leisten?

Standard: Ist es sinnvoll, diese zusätzliche Urlaubswoche von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig zu machen?

Jiménez: Das Sinnvollste wäre, eine sechste Urlaubswoche ab einer gewissen Arbeitsdauer zu ermöglichen - unabhängig von der Zugehörigkeit zum Betrieb. Ausgehend vom Status quo, dass nach 25 Jahren eine sechste Woche dazu kommt, muss man festhalten: Wenn jemand nach 24 Arbeitsjahren bei einem neuen Arbeitgeber eine Stelle antritt, muss dieser Betrieb dann die sechste Urlaubswoche tragen. Darüber muss nachgedacht werden.

Standard: Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen die Wochenarbeitszeit zu reduzieren?

Jiménez: Dieser Meinung bin ich nicht. Wenn man das durchdividiert und von einer 40-Stundenwoche ausgeht, wäre das weniger als eine Stunde je Woche. Das ist für Menschen nicht wirklich feststellbar und hat kaum Auswirkungen. Lediglich Maßnahmen, die Arbeitnehmer um ganze oder halbe Tage entlasten, würden Sinn ergeben. Eine sechste Urlaubswoche sollte so eingeteilt werden, dass manche Wochen kürzer und die Wochenenden länger werden.

Standard: Werden Arbeitnehmer zu hohen Belastungen ausgesetzt?

Jiménez: Das kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Die Belastungen steigen derzeit an. Es geht darum, immer mehr in immer kürzerer Zeit unter größeren Ansprüchen zu erledigen. Während die Forderungen nach Qualität steigen, sinkt die Wertschätzung den Menschen gegenüber: Das sind keine günstigen Entwicklungen. Es wäre wesentlich wichtiger, den Fokus nicht auf die Arbeitszeit oder die sechste Urlaubswoche zu legen, sondern die Belastungen generell in den Blickpunkt zu rücken. Hier kann die Arbeitspsychologie helfen, Betriebe zu optimieren. Wahrscheinlich ist es für Unternehmen die bessere Botschaft, dass Evaluierungen der psychischen Belastungen im Sinn des Gesetzes vorgenommen werden sollen. Da die Präventionszeiten fix vorgegeben sind, kann dies auch kostenneutral durch die Arbeits- und Organisationspsychologie geleistet werden. Dadurch findet eine Optimierung statt, die für den Arbeitnehmer, aber auch für die Betriebe, hilfreich sein kann. (Josef Saller, DER STANDARD, 28.3.2013)