Kurt Rafalzik brachte den Stein ins Rollen.

Foto: Regine Hendrich

Korneuburg - Wenn in Kurt Rafalziks Gasse in der Stadt Korneuburg das Grundwasser zur Sprache kommt, dann fällt immer auch sein Name. "Herr Rafalzik hat ja alles ins Rollen gebracht", sagt etwa Ulrike Höller, die ein paar Häuser weiter wohnt. Der 79-Jährige insistierte mit Verweis auf seine missgebildeten Pflanzen, dass da mehr im Wasser sei als das Pestizid Thiametoxam, wovon die Bürger im November 2011 erfahren hatten. Er hatte recht.

Im Herbst 2012 wurde bekannt, dass das Wasser auch das Herbizid Clopyralid enthält. Ein diese Woche von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg präsentierter Zwischenbericht der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) bestätigt: Der Mix kann bestimmten Pflanzen schaden.

Seit die Verseuchung bekannt wurde, existieren von Korneuburg Karten, auf denen sogenannte Hotspots und Brunnenreihen verzeichnet sind. An diesen Punkten sollen die rund sieben Millionen Kubikmeter kontaminierten Wassers gereinigt werden. Das wird Jahre in Anspruch nehmen.

Was das bedeuten kann, ist noch unklar

Im März vermeldete Global 2000, dass in etwa gleicher Menge wie das Clopyralid ein Metabolit - ein Produkt aus einem biochemischen Stoffwechselvorgang - in dem Wasser vorhanden sein soll. Dessen Existenz hat die BH inzwischen bestätigt. Genaueres werde noch untersucht. Was das bedeuten kann, ist noch unklar.

Den Korneuburgern, die in dem Gebiet wohnen, unter dem das Grundwasser als kontaminiert gilt, wird das Gießen dieser Pflanzen mit Hausbrunnenwasser "nicht empfohlen". Zwar sind laut Ages keine Schäden bei Gras und Rasen zu erwarten, bei zweikeimblättrigen Pflanzen wie Paradeisern oder Erdäpfeln aber schon.

Frau Höller leert in die Kräuter und Paradeisertöpfe jetzt Leitungswasser. Für alles andere hat in diesem Jahr noch das Regenwasser gereicht, das sie nun auch sammelt. Ihre am Hausbrunnen angeschlossene Sprenkelanlage bleibt ausgeschaltet.

100 Euro Entschädigung

Die Firma Kwizda-Agro, die für die Wasserverschmutzung die Verantwortung übernommen hat, bietet Betroffenen für 2013 entstehende Mehrkosten 100 Euro Entschädigung an. Höller lehnt das ab. Ein junger Mann meint, das diene nur dazu, Bürger zum Verzicht auf weitere Ansprüche zu bringen. Herr Rafalzik verzichtet auch darauf. Das würde zudem nur ein Drittel der Mehrkosten decken, die beim Gießen der Beete mit Leitungswasser entstehen.

Die BH empfiehlt, Pools und Gartenteiche nicht mit kontaminiertem Wasser zu füllen. Rafalzik hat das soundso nicht vor. "Letztes Jahr bin ich schon stutzig geworden, als sich keine Algen gebildet haben", erzählt er. Gefahr für Menschen bestehe zwar keine, das Wasser soll aber nicht zum Trinken oder Kochen verwendet werden. Für Bienen ist es aber "kritisch". Thiametoxam ist einer jener Stoffe, um den es auch in der aktuellen Debatte um ein Pestizidverbot geht. Korneuburger Bauern sollen wegen der Gefahr für Bienen beim Bewässern die Bildung von Lacken vermeiden.

"Behörde war nachlässig"

Darüber kann Leopold Fuhrmann, der im betroffenen Gebiet Christbäume zieht, nur lachen. Seit ein paar Jahren hat er eine Beregnungsanlage. Doch die Bäumchen wachsen nicht mehr so wie früher, sagt er. Einen Zusammenhang mit dem Gift könne er nicht nachweisen. "Die Behörde war aber auf jeden Fall sehr nachlässig", meint der 62-Jährige.

Rafalzik sieht es auch so - und fordert die Justiz auf zu handeln. Er fürchtet, dass bezüglich der Kontamination noch immer nicht alles auf dem Tisch ist.

Letztes Mal hatte er recht. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 17.5.2013)