"Was mich beunruhigt, ist die Art, wie das Europäische Patentamt uralte Kulturpflanzen ins Eigentum von Großkonzernen überführt", so die Kritik von Peter Lassnig.

Foto: Heribert Corn

Blaublütig: Speziell für Rohkost-Salate - etwa mit gerösteten Haselnüssen und Avocado - eignen sich diese roten Kohlsprossen.

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Knackig: In Spanien wird aus der Erdmandel die süße Limonade "Horchata" gemacht - Lassnig schätzt sie vor allem als Snack.

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Diese Karottensorte wird seit Beginn am Hof vermehrt.

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Romanesco: Der Karfiol-Cousin muss erntefrisch sein, um seine Delikatesse voll auszuspielen.

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"Die Vorstellung ist so absurd, dass man sich als denkender Mensch nicht vorstellen kann, dass irgendwer das ernstnimmt", sagt Peter Lassnig und lächelt. "Aber die Ereignisse der vergangenen Jahre lehren uns, dass gerade so unnötige Vorschriften oft erstaunliche Widerstandskraft besitzen." Die Aufregung, die die Pläne zur Saatgutverordnung der EU verursacht haben, scheint den Gärtner nicht über die Maßen zu erschüttern - obwohl sie sein Leben doch massiv beeinträchtigen könnten.

Lassnig hat in Gänserndorf den Gärtnerhof Ochsenherz aufgebaut, wo alte und anderswo fast vergessene Nutzpflanzen zu Gemüse und Kräutern außerordentlicher Qualität heranwachsen. Die EU hat vor, Pflanzen nur noch zum Verkauf zuzulassen, wenn sie zuvor auf kostspielige Art registriert wurden. Für einen großen Saatgutkonzern kein Problem - für Gärtner, die sich auf vergessene Sorten spezialisieren, aber möglicherweise das Ende. Der Gärtnerhof produziert den größten Teil seines Saatguts selbst, für die Arche Noah ist er ein wichtiger Partner für die Vermehrung von Saatgut alter Kulturpflanzen.

Regelmäßig ausverkauft

Vor allem aber ziehen Lassnig und seine acht Angestellten Gemüse, wie man es anderswo im Lande nicht bekommt. Lange Jahre wurden Knollenziest und Schwarzkohl, Ochsenherz-Karotten und Erdmandeln, Malabar-Spinat, Steckrüben und zig andere spezielle Sorten auf klassischen Marktstandln am Nasch- und Karmelitermarkt verkauft. Die Schlangen interessierter Kunden waren lang, die Standln regelmäßig ausverkauft - das Budget des Gärtnerhofs dennoch immer mehr als knapp.

"Wir verstehen uns als Gemeinschaft, die sich an vielseitigem Gemüse erfreut, selbst vornehmlich Gemüse zu sich nimmt und diese Vielfalt auch anderen zur Verfügung stellen möchte", sagt Lassnig. Profit sei nie das Ziel des Gärtnerhofs gewesen - Geld, mit dem das Projekt subventioniert werden hätte können, war aber auch nicht da. So entschlossen die Ochsenherzler sich 2011, ein in den USA und Japan erprobtes Konzept zu adaptieren.

Endverbraucher als Geschäftspartner

Community Supported Agriculture, kurz CSA, versteht die Endverbraucher als Partner der Unternehmung. Die Idee geht über herkömmliche Gemüse-Abo-Kisten hinaus: Konkret rechnet sich der Hof aus, wie viele Menschen er versorgen kann und was das kommende Wirtschaftsjahr kosten wird. Dieses Budget muss über die Mitglieder der CSA aufgestellt werden. Im Gegenzug bekommen sie Ernteanteile überschrieben, die über zwei Wege bezogen werden können: fertig zusammengestellte und gepackte Gemüsekisten in drei Größen einerseits, die jeweils dienstags an verschiedenen Standorten in Wien - oder am Hof - abzuholen sind.

Oder die "freie Ernteteilsentnahme" nach zuvor vereinbarter Einschätzung immer freitags am Nasch- und Karmelitermarkt oder donnerstags ab Hof. Die Stände sind nur noch für Anteilshaber als Bezugspunkte relevant, Laufkundschaft darf zwar schauen, was es da an unglaublich schönem Gemüse zu holen gäbe - kaufen kann sie nichts. Das findet Peter Lassnig zwar schade - aber, so meint er, "das ist eben der Preis dafür, dass es uns noch gibt". 

Köstlichkeiten für den Winter

Interessierte können sich auf der Website registrieren lassen, wobei für den Bezug von Erntekisten sogar im laufenden Jahr noch Plätze frei seien. Aktuell ist zwar der Freiland-Anbau nach dem Winter "endlich wieder" möglich. Was Lassnig aber speziell am Herzen liegt, ist die Forcierung von Gemüse, das es auch im Winter in aller Köstlichkeit auf den Tisch schafft: "Es gibt viele Sorten und Techniken, um auch im Winter attraktives Gemüse zu haben - da wollen wir jetzt etliches wiederentdecken."

Zuckerhut etwa, der ein uralter Lagersalat sei und früher "bis in den Februar hinein" für unglaublich süßen, knackigen Salatgenuss mitten im Winter gesorgt habe. Oder Meerkohl, der im Dunkeln zu zarter Köstlichkeit treibt und blanchiert, mit zerlassener Butter, ein Genuss sei, der es "allemal mit Spargel" aufnehmen könne. "Den sollen die lieben Beamten erst einmal kosten, dann wer’ma schauen, ob sie ihn noch verbieten wollen", lacht Lassnig. (Severin Corti, Feinkost, DER STANDARD)