B. J. Blazkowicz ist auch nach 20 Jahren noch kein Freund von faschistischen Terrorregimen und nimmt den Widerstandskampf wieder auf.

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An Blut und Gewaltdarstellung wird in der deutschen Version nicht gespart. Verfassungsfeindliche Symbole aus der NS-Zeit werden aber ersetzt und die Story in einen Kampf gegen ein fiktives "Regime" umgewandelt.

Screenshot: Bethesda

Die verrückte Faschistin "Frau Engel" ist die Hauptwidersacherin in "Wolfenstein: The New Order".

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Ein Hubschrauber-Hangar ist als Level vielleicht keine nie dagewesene Sensation, dank der Vielzahl an gegnerischen Soldaten ...

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... und Robotern hat man aber ohnehin nicht viel Zeit, darüber nachzudenken.

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Auch Schleicheinlagen haben Einzug in "Wolfenstein: The New Order" gefunden. Beim Anspielen hätte man sie sich zwar auch schenken können, sie haben das Vorgehen aber doch deutlich vereinfacht.

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B. J. Blazkowicz sagt kein Wort, als er als Kellner getarnt mit dem Tablett in der Hand durch ein feindliches Zugabteil wandert. In der Ecke steht ein furchteinflößender Roboterwächter, als eine verrückte Frau den unentdeckten Amerikaner erblickt und zu Tisch ruft. Frau Engel und ihr österreichisches Boytoy "Bubi" ziehen in den nächsten Minuten in einer Ingame-Sequenz ihre kranken Psychospielchen mit dem Helden der "Wolfenstein"-Serie ab.

"Inglorious Basterds"

Der Ton von "Wolfenstein: The New Order" hat besonders in dieser Szene unverkennbare Ähnlichkeiten mit Quentin Tarantinos "Inglorious Basterds". "Der Film hat die Gratwanderung zwischen echtem Drama und völlig übertriebener Verrücktheit sehr gut hingekriegt. Daran orientieren wir uns", sagt Jens Matthies im Gespräch mit derStandard.at. "Aber wir versuchen natürlich nicht dieselbe Art von Geschichte zu erzählen." Matthies ist Creative Director des zuständigen schwedischen Studios MachineGames.

Während in der englischen Version alle Charaktere in ihrer jeweiligen Sprache vertont werden, sprechen in der deutschen Ausgabe alle Deutsch. Und aus rechtlichen Gründen werden deutsche Spieler wie gewohnt auch keine Nazis bekämpfen. Sorgfältig werden selbst kleinste Symbole durch fiktive Zeichen des sogenannten "Regimes" ersetzt. Diese Organisation ist in einer alternativen Realität der 1960er-Jahre eine Weltmacht, als B. J. nach vielen Jahren aus dem Koma erwacht. Als altgedienter Regimegegner schließt er sich natürlich der Widerstandsbewegung an und versucht das Regime bei Missionen "in ganz Europa" zu stürzen.

Höhere Schwierigkeitsgrade für den PC

Noch nicht genau abschätzbar ist nach etwa einer Stunde Spielzeit, wie schwer "Wolfenstein: The New Order" wird. Zwar waren die spielbaren Abschnitte im härtesten Schwierigkeitsgrad sehr herausfordernd, allerdings durften die bei der Präsentation in London anwesenden Journalisten die PC-Version auch nur mit dem Gamepad spielen. "Mit Maus und Tastatur wird man aufgrund der kürzeren Reaktionszeit eher die härteren Schwierigkeitsgrade spielen wollen", sagte Matthies, der Anpassungen versprach. Das in Uppsala stationierte Team hat mit dem Balancing gerade begonnen.

Wolfenstein-Erfinder id Software stellt übrigens die Grafikengine (id Tech 5) zur Verfügung. Auch das Konzept wurde dort abgenommen. Die tatsächliche Produktion des Spiels bleibt aber den Schweden vorbehalten. Optisch sieht "Wolfenstein: The New Order" dementsprechend sehr ordentlich aus. Atemberaubende Momente waren zwar nicht zu beobachten, hässliche Stellen aber auch nicht. Und die Engine scheint auch bei größeren Gegnerscharen performant zu laufen. Um das zu erreichen, wird die KI skaliert. Gegner, die weiter weg stehen, verzichten auf diverse Routinen (die sie in dieser Entfernung aber auch nicht brauchen sollen). Im Spielbetrieb soll das nicht auffallen.

Gesprächiger Draufgänger

Im Gegensatz zur eingangs besprochenen Zugsequenz ist Blazkowicz im Kampf eher ein Badass. Er kommentiert an vielen Stellen das Geschehen. Als er etwa an Bildern an der Wand erkennt, dass das Regime einen Mann auf den Mond gebracht hat, beurteilt er das trocken: "Fuck you, moon!" Ob man die Kommentare unterhaltsam findet, hängt naturgemäß vom persönlichen Geschmack ab.

Die übertriebene Charakterisierung macht sich auch spielerisch bemerkbar. Es gibt kein limitiertes Inventar. B. J. kann fette Wummen unendlichen Gewichts tragen und auch zwei Maschinengewehre gleichzeitig benutzen. Das Waffenhandling lässt sich angesichts der unkonventionellen Bewaffnung nicht als "realistisch" bezeichnen, aber das Kriegsgerät reagiert bereits jetzt direkt und nachvollziehbar.

Wunderheilungen in Maßen

Die Spezialwaffe des Spiels ist die "Laser Gun". Sie ist für "Wolfenstein: The New Order" ansatzweise das, was die "Gravity Gun" für "Half-Life 2" war. Mit ihr lassen sich nicht nur Rätselchen lösen, sondern etwa auch Löcher in die Deckung schneiden, um ungefährdet hindurchzufeuern, oder Lüftungsschächte freilegen, in denen nach ganz klassischer Manier diverse Secrets versteckt liegen. Mit verschiedenen Upgrades wird die Waffe im Spielverlauf immer mächtiger.

MachineGames bemüht sich offensichtlich, spielerisch die häufig besonders von älteren Spielern geäußerte Kritik an modernen Shootern aufzugreifen und ein paar Schritte zurück zu machen. Das spürt man auch beim Gesundheitssystem. Schon rein optisch sieht die (auf den Screenshots leider nicht zu sehende) Anzeige von Lebensenergie und Rüstung aus wie in den Shootern der 90er-Jahre. Bei der Auto-Heilung gibt es einen kleinen Kompromiss zwischen einst und heute. Zwar gewinnt man in unbeschossenen Momenten wieder etwas Energie hinzu, allerdings füllt dieser Vorgang nur einen kleinen Teil der Lebensenergie. Großteils muss man sich mit Health Packs und Rüstungen schützen. Außerdem kann Blazkowicz einige Treffer einstecken.

Im Herbst gegen faschistische Roboter

An Versorgung mit Health Packs und Munition mangelte es in den spielbaren Abschnitten nicht. Einem "sorglosen" Geballer steht also nichts im Wege, wobei MachineGames den Spielern in einigen Abschnitten wohl auch einige Waffen wieder wegnehmen wird. Wer zu direkt in größere Ansammlungen von Gegnern stürmt, wird das Checkpoint-System ohnehin besser kennenlernen, als ihm lieb ist. Ohne regelmäßig Deckung zu suchen geht sowieso nichts. Denn B. J.s Widersachern stehen für das Jahr 1960 viel zu gut entwickelte Roboter zur Seite. Matthies: "Es ist ein bisschen ein Mysterium, warum das so ist."

Um im Kampf gegen diese Ungetüme nicht allzu sehr abgelenkt zu werden, ist es strategisch oft klüger, einige Gegner schleichend mit dem Messer auszuschalten, ehe man größere Schlachten auslöst. Besonders gefiel beim Anspielen die teilweise zerstörbare Umgebung. So räumt man mit großkalibrigen Waffen schon einmal die Säule weg, hinter der sich ein Widersacher verbirgt, oder zerschießt Gegnern in erhöhten Positionen den Glasboden unter den Füßen.

Im Herbst wird "Wolfenstein: The New Order" auf PC, Xbox 360 und PS3 sowie in der Folge auch auf den Konsolen der kommenden Generation, PS4 und Xbox One, erscheinen. Auf einen Multiplayer-Modus wird übrigens verzichtet. (Tom Schaffer, derStandard.at, 5.6.2013)