Als die Fernsehserie "Melrose Place" 1992 das erste Mal im Fernsehen lief, da waren Markus Binder und Emil Beindl gerade einmal vier Jahre alt. Der eine tapste in Salzburg durch die Gemüsebeete, der andere in Wien-Donaustadt. Von den diversen Affären und Intrigen der Fernsehcharaktere in West Hollywood bekamen die beiden wenig mit. Geprägt hat sie "Melrose Place" trotzdem.

20 Jahre und einige Zentimeter Körpergröße später schauten sich die beiden noch einmal von vorn bis hinten alle Staffeln an. Es war Sommer, und die beiden waren dabei, sich auf ihre Diplomkollektion an der Modeklasse der Wiener Universität für angewandte Kunst vorzubereiten. Zum Ausgangspunkt erkoren sie die kalifornischen Schnösel aus "Melrose Place", die Badenixen aus "Baywatch" und die Cabriofahrer aus "Beverly Hills": Charaktere ihrer Kindheit.

"Demelrave" heißt die Kollektion, die sie jetzt, ein knappes Jahr später, auf den Kleiderhaken an der Wiener Angewandten hängen haben. Eine Kombination aus der Wiener Kaffeehausinstitution Demel und dem in den 1990er-Jahren entstandenen Rave. Ein Stück Wien trifft auf eine globale Jugendkultur, Dreivierteltakt auf elektronische Beats. Nur von den gut geföhnten kalifornischen Schönlingen ist mittlerweile nicht mehr allzu viel zu sehen. "Nein, nein, das täuscht", sagen Binder und Beindl und erklären dann, dass das Strukturprinzip ihrer Kollektion jenem der Fernsehformate der 1990er-Jahre folgt. Die Austauschbarkeit der Charaktere spiegle sich in der Austauschbarkeit der Kollektionsteile wider. Aber schon klar: Statt in die Clubs von West Hollywood zieht es ihre Charaktere am Samstagabend in den Praterdome. Wie in allen Clubs sind auch dort die 1990er-Jahre derzeit wieder mächtig angesagt.

Das ist wohl mit ein Grund, warum die Kollektion der beiden Angewandte-Studenten ins Schwarze trifft - und von ihnen selbst auch liebend gerne getragen wird: "Wenn auch nicht unbedingt genau in der Form, wie wir sie entworfen haben." Zum Glück funktioniert jedes Stück aus der Kollektion auch für sich allein. Ja, je genauer man jedes einzelne unter die Lupe nimmt, umso erstaunlichere Details gibt es preis.

Zum Beispiel das Organza-Outfit, das auf dem Gruppenfoto zu sehen ist.



Das Muster stammt von einer Tapete, die die beiden abfotografierten und anschließend mit der Hand nachzeichneten. Allein für den Hand-Siebdruck benötigten sie zwei Tage. Oder die Seidensamt-Kreation unten im Bild. Das Muster stammt von einem Teppich, dessen Farben die beiden allerdings veränderten. Der sehr hochwertige Seidensamt wurde digital bedruckt, die Bündchen stammen aus einem Viscosegarn aus Italien, das extra für die Designer gestrickt wurde. Jede Einfassung wurde von den beiden selbst zugeschnitten. "Die Verarbeitung ist alles", erklärt Markus Binder, und Emil Beindl pflichtet bei: "Es geht da auch um Liebe." Zu den Stoffen, zu den Details, zu der Verarbeitung.


Im Gegensatz zur meisten Mode, die unter dem Label "Jugendmode" verkauft wird, ist die Kollektion von Binder und Beindl mit einer Sorgfalt gemacht, die man ansonsten nur aus der Couture kennt. Viele Teile sind mit Seidensatin gefüttert, eine ganze Reihe an Accessoires (goldene Kopfhörer, Knopf-Piercings, Schirmmützen) ergänzen die Kollektion. "Kompromisse bei der Qualität sieht man", sind die beiden Studenten, die im selben Jahr mit ihrem Studium an der Angewandten begannen und jetzt zusammen den Abschluss machen, überzeugt.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Modeklasse, dass zwei Studenten zusammen das Diplom machen. "Es war gar nicht so einfach, unseren Professor davon zu überzeugen", erzählen Binder und Beindl. Schließlich stimmte der Designer Bernhard Willhelm, der seit nunmehr vier Jahren die Modeklasse leitet und selbst auch immer für unkonventionelle Lösungen bekannt ist, zu.

Die Zusammenarbeit gestaltete sich als höchst befruchtend. Während Binder ein Auge für Details hat, ist Beindl jener, der das große Ganze im Blick hat. Im vergangenen Sommer (also zu der Zeit, als sie sich Melrose Place reinzogen), waren die beiden als Assistenten des Wiener Designduos Wendy & Jim für die Kostüme der Fernsehserie Schlawiner zuständig. "Eineinhalb Monate", erzählen die beiden "hockten wir 24 Stunden am Tag aufeinander. Nachdem wir das überlebt haben, brachte uns auch die Diplomkollektion nicht auseinander."


Markus Binder (rechts) und Emil Beindl. Die heurigen Preisträger haben sich übrigens auch in unser Modeshooting geschmuggelt. Binder ist auf dem Gruppenbild links außen, Beindl im Hintergrund im grün-blauen Outfit zu sehen.

Im Gegenteil: Der Einfluss der Schlawiner ist auch bei "Demelrave" offensichtlich. Oder anders ausgedrückt: Zweifelhafte Accessoires wie Brusttaschen, Geschmacklosigkeiten wie dicke Goldketten oder Interior-Stoffe, die für sich genommen kein Sofa oder keinen Vorhang verschönern würden, verwandeln Markus Binder und Emil Beindl in eine wunderbar frische und ganz heutig wirkende Kollektion. Dafür sind sie RONDO-Vöslauer-Modepreisträger des Jahres 2013. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 7.6.2013)

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