Die kleine Amelie stirbt. Wer ist daran schuld?

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Schon der Titel ist falsch. "Die Wahrheit stirbt zuerst" hieß der "Tatort" aus Leipzig am Sonntagabend, doch es ist nicht die Wahrheit (nicht einmal die Wahrscheinlichkeit), die hier als Erstes dran glauben muss. Noch bevor fünf Minuten vorüber sind, ist es mit der Geduld der Zuschauer zu Ende.

An einem märchenmäßig verschneiten See läuft in Slow Motion eine Mutter zu ihrem toten Kind, das in einem kaputten Boot drapiert ist. Nicht einmal die Augen kann man ihm schließen. Andernorts unternimmt der Kindesvater einen Selbstmordversuch. Wenig zielführend zwar, aber dramaturgisch umso wertvoller mit einer Rasierklinge. Langsam fließt das Blut in den Schnee. Welch ein Kitsch.

Keppler schwadroniert derweil vom "seltsam romantischen Bild" des toten Mädchens. Kollegin Saalfeld kontert, zu 90 Prozent seien die Angehörigen die Täter. Keppler darauf: "Sag mal, war denn der Steg schon immer da?" Wie das Schicksal es so wollte, hatte das Ex-Paar hier einst romantische Stunden verbracht.

Der "Tatort" krankt an genau demselben Problem wie diese gestörte Kommunikation: Zu viel Information führt zum Verlust jeglichen Zusammenhangs. Zu allem Überfluss taucht noch eine weitere Ex-Liebschaft Kepplers auf (die göttlich biestige Katja Riemann), die beim BKA und (natürlich) illegalen Transfers von Navigationstechnologie für Raketen auf der Spur ist.

Vom toten Kind am See geht es schnurstracks zum Kriegsschauplatz - den Weg findet man wohl auch nur mit Navi. Das ist nicht nur ein Ärgernis, es ist tatsächlich schade. Die paar wichtigen Fragen, die der Fall abgeworfen hätte, versickern in all dem Drumherum. Wie Blut im Schnee. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 17.6.2013)