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Erdem Gündüz leistet zivilen Widerstand, indem er einfach dasteht.

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Als der Performancekünstler Erdem Gündüz um Mitternacht ging, blieben viele andere stehen. Einige davon wurden polizeilich abgeführt.

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Um 6 Uhr abends ging er auf den Platz und stellte sich hin: Hände in den Taschen, Rucksack vor den Füßen, Blick nach vorn auf den seit Jahren geschlossenen Atatürk-Kulturpalast mit den roten türkischen Nationalfahnen und dem Porträt des Republikgründers. Das war's dann für die nächsten sechs Stunden. Erdem Gündüz ist #duranadam geworden, der Mann, der steht, oder #direnduranadam, der Widerstandsmann, der gegen die Regierung von Premier Tayyip Erdogan steht.

Die Nachricht verbreitete sich Montagnacht schnell im Netz, an die 300 Menschen kamen zum Istanbuler Taksim-Platz und standen und standen mit Erdem Gündüz, darunter auch der Modedesigner Barbaros Şansal und der Schaupieler Selçuk Yöntem. Denn Demonstrationen sind seit der Räumung des Gezi-Parks am Taksim am 15. Juni nicht mehr möglich.

Als Gündüz ging, blieben die anderen

Mittendrin kam die Polizei und durchsuchte den Rucksack von Gündüz, irritiert von den Steherqualitäten des 33-jährigen Performancekünstlers. Fragen nach seinem Tun beantwortete der duranadam nicht. Als Gündüz um Mitternacht ging, blieben die anderen. Die Polizei nahm am Ende zehn mit auf die Wache, die um die Burg nicht gehen wollten. Schon am Dienstagmorgen wurde weitergestanden auf dem Taksim und auch in Besiktas.

Erdem Gündüz ist in Ankara geboren, ist Tänzer und Choreograf und verdient sich als Elektriker ein Zubrot. Auf der Istiklal Caddesi, der Touri- und Einkaufsmeile in Istanbul, und am Tünnel, am Beginn der Istiklal, liefert er oft improvisierte Tanzeinlagen, gern auch in Unterhose, und provoziert damit regelmäßig konservativ eingestellte Passanten.

Ich bin nur ein Künstler

"Ich war kein bisschen überrascht, als ich sein Bild gesehen habe", sagt Patrick Adams, ein amerikanischer Journalist, der in Istanbul lebt und über Reise- und Gesundheitsthemen schreibt. Adams und Günduz teilten sich eineinhalb Jahre lang eine Wohnung in der Stadt.

Gündüz zog vor drei Wochen erst aus der Wohnung im Tarlabaşi-Viertel aus, weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte. Als die Proteste am Taksim und im Gezi-Park begannen, war er in Izmir, wo seine Eltern leben, und nahm an den Demonstrationen dort teil. Dann kam er bald zurück nach Istanbul, wo die Protestbewegung Regierung und Polizei trotzte und immer mehr Zulauf fand.

"Ich bin nur ein Einzelner, der protestiert, ein Künstler. Es gibt viele, viele andere junge Leute auf der Straße. Ich bin nichts", sagte Gündüz während seiner Standeinlage auf dem Taksim-Platz einem Journalisten der BBC.

"Just smile"

"Er ist ein Performer, kein Aktivist, der Steine wirft", sagt Patrick Adams. Über Politik haben sie nie wirklich miteinander gesprochen. Auch als Gündüz zurück in Istanbul bei den Protesten war, hat sich Gündüz, der Tänzer, nicht nach vorn gespielt, erinnert sich Adams. "Er hat bei einer Veranstaltung auf der Straße einmal rhetorisch gefragt: 'Gibt es einen Staatsrat für Kunst in der Türkei?' Wahrscheinlich gibt es so etwas ja auch, aber ihm ging es darum zu sagen, dass Kunst in der Türkei sehr eng definiert wird und wenige öffentliche Mittel bekommt."

"Pazifist wäre eine sehr genaue Beschreibung", sagt Adams über seinen früheren Mitbewohner. "Just smile" ist die Philosophie von Erdem Gündüz. "Nicht weil er ein besonders glücklicher Mensch ist. Aber das ist es, was er seinen Schülern im Tanzunterricht sagt: Lächelt immer am Ende." (Markus Bernath, derStandard.at, 18.6.2013)