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Microsoft hat mit der Xbox One noch vieles zu beweisen.

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

"Wir können nicht einfach einen Schalter umlegen, um das DRM abzudrehen, die Konsole wurde darauf aufgebaut", erklärte Xbox-Sprecher Larry Hryb noch vor wenigen Wochen öffentlich und verteidigte damit Microsofts Strategie, die Xbox One verpflichtend ans Internet anzubinden. Mittwochnacht machte Microsoft nach wochenlangen Negativschlagzeilen und Userprotesten das Unmögliche möglich und legte den DRM-Schalter um. Die neue Xbox One wird doch keine permanente Online-Verbindung benötigen und auch das Online-Kontrollsystem für Gebrauchtspiele wurde im Handumdrehen verworfen. In den Augen vieler Kunden hat Microsoft damit das Richtige gemacht. Doch langfristig betrachtet stellt diese 180-Grad-Wende die komplette Strategie hinter der einst als zukunftstaugliches Online-System propagierten Xbox One und in weiterer Folge auch Microsofts Glaubwürdigkeit in Frage.

Alles anders?

Xbox-Chef Don Mattrick erklärte Ende Mai, dass die Entscheidung zur Online-Pflicht darauf zurückzuführen sei, eine Konsole schaffen zu wollen, die die Limitierungen nicht-vernetzter Systeme aufhebt. Als die Entwicklung im Jahr 2011 begann, musste eine Entscheidung getroffen werden, ob man auf dem Status Quo verweilen oder der Zukunftsvision von einer komplett vernetzten Welt folgen möchte.

"Mit der Xbox One erweitern wir die Leinwand damit Kreative jedes Spiel mit der Cloud im Hinterkopf entwickeln können. Im nächsten Jahrzehnt wird jedes Spiel die Macht der Cloud anzapfen, um vielfältigere und vereinahmendere Welten erschaffen zu können", so Mattrick. "Wir hätten eine Offline-Konsole bauen können, aber dann wäre offline der kleinste gemeinsame Nenner für die Spielentwickler gewesen. Wir haben uns dazu entschieden, den fortschrittlichen Weg zu wählen."

Die Macht der Cloud

Noch auf der E3 Anfang Juni erklärten Unternehmenssprecher stolz, wie begeistert die Entwickler doch vom Potenzial der Cloud, also der Server-Anbindung, seien. Dass niemand auch ein tatsächliches Anwendungsbeispiel vorweisen konnte, wurde mit dem großen Versprechen übertönt, dass die Rechenleistung der Xbox One dank "unendlicher" Server-Ressourcen um das Vielfache gesteigert werden könne. Damit würde die Konsole auch das Leistungsdefizit gegenüber der PlayStation 4 (PS4) mehr als wettmachen. Umso wichtiger war es also noch vor Kurzem, dass auch jede eines Tages verkaufte Xbox One am Netz hängt, um einen Entwicklungsstandard gewähleisten zu können.

Dass diese Ankündigungen sich in den meisten Fällen wohl als leere Versprechen herausstellen dürften, gaben damals schon Technologieexperten zu bedenken. Aus heutiger Sicht ist klar, dass die Online-Pflicht doch kein so essentieller Bestandteil der Xbox One gewesen sein kann, wie die Marketing-Manager den Medien und Kunden weismachen wollten.

Die Kunden ernstnehmen

Microsofts U-Turn nimmt nicht nur der Cloud-Vision Wind aus den Segeln, auch kratzt er an der Glaubwürdigkeit des Konzerns. Don Mattrick, der zur Vorstellung der Konsole noch von einer ausgefeilten Zukunftsstrategie sprach, verkündete nun am Mittwoch mit der gleichen Überzeugung, dass man auf die Rückmeldungen der Konsumenten gehört habe und mit dem Zurückziehen der Online-Pläne das Richtige mache.

Mattricks Eingeständnis wird ob vorangegangener PR-Fehltritte jedoch mit reichlich Skepsis begegnet. Nicht zuletzt war er es, der Spielern erklärte, sie sollten sich eine Xbox 360 holen, wenn sie "offline" spielen wollen. Oder, dass Abwärtskompatibilität "rückschrittlich" sei. Dass die jetzige Einsicht etwas mit ehrlicher Konsumentennähe zu tun hat, wird nun der gesamte Konzern beweisen müssen. Dass sie aufgrund eines massiven Wettbewerbsnachteils gegenüber Sonys PS4 erfolgte, bleibt bis dahin die naheliegendste Erklärung.

Die Hoffnung lebt

Ironischer Weise hätte sich Microsoft vielleicht das ganze Tohuwabohu um die Xbox One ersparen können, wäre man von Anfang an offener an die Kunden herangetreten. Anstatt zu erklären, weshalb eine Online-Anbindung notwendig ist und welche Vorteile sie bringt, wurde kein einziges Praxisbeispiel vorgelegt. Anstelle dessen verzettelte man sich in undurchsichtigen Werbeaussagen.

Der viel beschworenen Cloud-Revolution ist aber auch mit weniger rigiden Konsolen nicht ausgeträumt. Will ein Entwickler die "Macht der Cloud" für eines seiner zukünftigen Spiele nutzen, ist dies genauso unkompliziert möglich, wie die Etablierung eines Online-Multiplayer-Spiels vor fünf Jahren. Dafür braucht es weder ein striktes Online-Zwang-System, noch eine spezialisierte Konsole von Microsoft. Ein Hinweis auf der Spielepackung würde schon reichen. Die Wahrheit ist, dass die Möglichkeiten des Internets allen Plattformen zur Verfügung stehen. Das weiß natürlich auch Microsoft selbst, weshalb man weiterhin an dem Konzept der Wolke festhalten will. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 20.6.2013)