Christoph Chorherr: "Das Wesen der Stadtplanung ist es, dass sie kontrovers ist. Das ist kein Computer, wo man ein Projekt reinschiebt, und der spuckt dann die perfekte Planung aus."

Foto: STANDARD/Cremer

Irmgard Taibl: "Uns ist das ein bisschen zu wenig für eine verantwortungsvolle Stadtplanung. Das gehört schon alles genau geprüft, was sich dort abspielt."

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Chorherr: "Sollten aus irgendeinem Grund doch mehr Stellplätze als bisher geplant nötig sein, sind auf der gegenüberliegenden Seite, bei der UNO-City, reichlichst Plätze frei, und dann wird man wohl sein Auto dort drüben unterbringen."

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Taibl: "Wird das das qualitativ hohes Wohnen an diesem Standort? Hinter Glaswänden?

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Chorherr: "Ja, da wird dann auch mal wo eine Glaswand aufgestellt!"

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Visualisierung des "Turms des Anstoßes": Die 150 Meter hohen "Danube Flats".

Foto: Danube Flats

Große Aufregung herrscht in Kaisermühlen, seit im Herbst bekannt wurde, dass die Bewohner des markanten Wohnturms von Harry Seidler an der Reichsbrücke einen weiteren, noch höheren Wohnturm vor die Nase gesetzt bekommen sollen. Irmgard Taibl, die im Seidler-Turm wohnt, hat daraufhin die "Initiative Kaisermühlen" ins Leben gerufen - die sich zum Ziel gesetzt hat, das Projekt von Soravia Group und S+B Gruppe zu verhindern (Aktuelles zum Stand der Dinge lesen Sie hier).

Grünen-Gemeinderat und -Planungssprecher Christoph Chorherr setzt sich ebenso vehement für das Vorhaben ein - weil der Standort aus seiner Sicht für Wohnbebauung ideal ist, und weil die Stadt schlicht Wohnungen braucht. Das habe auch der unabhängige Planungsbeirat kürzlich festgestellt, darauf wird er im Streitgespräch mit Taibl nicht müde, hinzuweisen. Dass er selbst in der Wettbewerbs-Jury war, in der noch dazu aus ihrer Sicht nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, nimmt ihm Irmgard Taibl besonders übel. Martin Putschögl moderierte die durchaus konfrontative Begegnung der beiden.

derStandard.at: Herr Chorherr, die Anrainer-Beteiligung bei den "Danube Flats" sei keineswegs optimal gelaufen, weil diese lediglich "informiert" wurden - das hat Ihre Kollegin Jennifer Kickert vom Grünen Rathausklub in einer der bisherigen Diskussionen festgestellt. Finden Sie, dass bisher alles optimal gelaufen ist?

Chorherr: Nein, es ist nicht optimal gelaufen. Optimal ist es deshalb nie, weil man's immer besser machen kann. Ich glaube aber, dass es ganz gut gelaufen ist. Wir sind erst im Aufbau einer Bürgerbeteiligung und bemühen uns, schrittweise – gemeinsam mit der Stadtverwaltung – ein verstärktes Maß an Beteiligung in sehr hohem Ausmaß zu bringen. Es findet jetzt gerade eine Befragung aller Anrainer statt, und es wird eine weitere Veranstaltung im Herbst ins Auge gefasst, auch mit Vertretern des Fachbeirats.

Mir fallen im Übrigen auf Anhieb zehn Orte ein, wo ich mit den Anrainern ähnliche Gespräche führe wie mit der Frau Taibl. Es gibt aus verständlichen Gründen Anwohnerinteressen. Aber es gibt auch andere legitime Interessen, zum Beispiel derer, die zuziehen. Da braucht es objektive Entscheidungen, und dafür haben wir unter anderem den Fachbeirat.

derStandard.at: Frau Taibl, wie sehr fühlen Sie sich "beteiligt"?

Taibl: Für uns war dieser ganze Wettbewerb von Anfang an eine Farce. Die Hochhaus-Richtlinien der Stadt Wien wurden nicht eingehalten, und auch laut Masterplan war hier nie ein Standort für ein Hochhaus vorgesehen. Das wurde über Nacht aus dem Hut gezaubert. Schon Harry Seidler wollte einen zweiten, 60 Meter hohen Turm bauen. Der wurde ihm aber nicht genehmigt, weil es 1996 vom Fachbeirat keine Wohnungswidmung an diesem Standort gab. Stattdessen kam dort das Cineplexx-Kino. Und jetzt kommt plötzlich ein Investor mit einem bestimmten Wunsch, der sperrt das Cineplexx wieder zu und wird in Form der Umwidmung auf ein Wohnhaus enormen Gewinn machen. Und Sie unterstützen als grüne Regierungspartei das Rädelswerk, das sie immer angegriffen haben. Wir sind schwerst enttäuscht.

Chorherr: Weil wir dumm sind, oder warum glauben Sie, machen wir das?

derStandard.at: Das ist eine Frage, die immer wieder unterschwellig durchklingt: Haben Sie, Herr Chorherr, irgendwelche Zusagen gemacht, oder gar persönliche Vorteile lukriert?

Chorherr: Nein! Das wäre ja Betrug und Begünstigung, und ich weiß nicht was noch alles!

Taibl: Haben Sie auf Druck des Koalitionspartners zustimmen müssen? Das passt nicht zu den Grünen!

Chorherr: Frau Taibl, ich habe nirgends zustimmen müssen, es gibt kein Gegengeschäft. Das ist eine Unterstellung. Was sollte mich umtreiben? Bin ich auf einer Payroll, habe ich irgendwo eine Yacht versteckt? Könnte es nicht schlicht und einfach sein, dass ich mich auch verpflichtet fühle, um verdammt noch einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Wohnungen gebaut werden, die die Stadt dringend braucht? Und zwar nicht irgendwo, sondern an hervorragend geeigneten Standorten?

Taibl: Ich halte fest: Wir sind nicht prinzipiell gegen etwas, nur: Wenn das die Zukunft der Stadt ist, dass ...

Chorherr: ... dass an einem Hochhaus-Cluster mit was weiß ich wievielen Hochhäusern noch ein weiteres dazukommt?

Taibl: Hier geht's um eine Punktplanung von einem einzigen Projektbetreiber, der etwas will. Dass es jetzt im Nachhinein ein städtebauliches Leitbild des Investors gibt, das die Stadt im Nachhinein absegnen lässt - wo ist das transparent, wo ist das sauber? Das hätte von der Stadtgemeinde im Vorhinein durchgeführt werden müssen, bevor ein Wettbewerb eingeleitet wird. So aber wird hier nur dem Wunsch eines Investors entsprochen. Und dafür tragen Sie die Verantwortung!

Chorherr: Ja, ich trage dafür die Verantwortung! Das Wesen der Stadtplanung ist es, dass sie kontrovers ist. Das ist kein Computer, wo man ein Projekt reinschiebt und der spuckt dann die perfekte Planung aus. Manchmal gibt es Entscheidungen zu treffen, und manchmal auch unangenehme. Nicht zuletzt wegen der vielen Kritik sind wir diesmal einen ungewöhnlichen Weg gegangen: Der unabhängige Planungsbeirat wurde nicht, wie sonst üblich, am Schluss mit einem Vorhaben befasst, sondern ganz zu Beginn - noch vor dem Widmungsverfahren. Und es ist auch das erste Mal, dass der vollständige Text der Fachbeirats-Empfehlungen per APA-OTS der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurde. Jetzt geht's darum, alle diese Punkte - etwa zur genauen Situierung und zur Höhe des Gebäudes - umzusetzen.

Taibl: Das Hochhaus bedroht aber lärm- und windmäßig die Menschen, die dort wohnen. Wir bekommen einen Bauklotz hingestellt, den wir dann nicht einfach wegreißen können, wenn man sich geirrt hat. Das gehört ein bisschen mehr überlegt!

Chorherr: Wo wohnen Sie denn, Frau Taibl? Der Seidler-Turm ist ja nicht unbedingt ein Einfamilienhaus, habe ich das Gefühl.

Taibl: Das stimmt, es ist aber auch das erste Mal, dass ich in ein Hochhaus gezogen bin.

Chorherr: Also Sie wohnen jetzt dort, wollen aber anderen das Recht absprechen, auch in einem Hochhaus wohnen zu dürfen?

Taibl: Nein, ich spreche das niemandem ab. Ich will nur auch auf die Nachteile eines Wohnhochhauses hinweisen.

Chorherr: Sagt jemand, der in einem Hochhaus wohnt.

Taibl: Ja, das sage ich ganz bewusst, weil ich meine Lehren daraus gezogen habe. Ein Wohnhochhaus hat die einzige Qualität der Aussicht. Dieses Lehrgeld haben wir bezahlt. Ich wohne dort, ich erlebe die Stürme. Wir haben alle Angst, dass dort weitere Fallwinde kommen. Und jetzt kommt noch eines, noch dazu das größte Wohnhochhaus Österreichs. Das wurde im Oktober einfach still und heimlich präsentiert, ohne Bürgerbeteiligung.

Chorherr: Ich bin lang genug in der Politik, und kann mich gut an die Proteste erinnern, als der Seidler-Turm gebaut wurde, in dem Sie wohnen. Und ich finde das jetzt einigermaßen originell, dass Menschen, die in diesem Turm wohnen - der im Übrigen völlig ohne Wettbewerb gebaut wurde -, jetzt sagen: "Wir sind nun dort, aber in unserer Nähe darf kein weiteres Hochhaus gebaut werden." Das ist ein sinnvoller Standort, und wir werden jetzt noch eine von der Stadtverwaltung initiierte Bürgerbeteiligung durchführen, die wichtige Fragen klärt: Welche Defizite sind dort zu beheben? Wie sollen Nahversorgung und Freiraumplanung aussehen?

derStandard.at: Frau Taibl, Sie haben von den Projektinitiatoren neue Renderings verlangt, weil Sie die bisherigen für falsch hielten. Haben Sie die mittlerweile bekommen?

Taibl: Ja, es sind uns welche zugestellt worden, aber wir vermuten nach wie vor, dass alle diese Renderings nicht stimmen. Ein eigenes anzufertigen, ist uns untersagt worden.

derStandard.at: Die Frage, die sich dabei ohnehin stellt: Der Fachbeirat hat im Grunde eine Neusituierung des Turms empfohlen, um stärker die "Torsituation" an der Reichsbrücke zu betonen. Nun könnte aber auch der DC Tower noch seinen kleineren Bruder bekommen. Inwiefern können denn all diese Renderings überhaupt schon von den richtigen Voraussetzungen ausgehen?

Chorherr: Die einzige Prämisse, von der wir ausgehen, ist die, dass es Sinn macht, an diesem Standort ein Wohnhaus verdichtet zu errichten. Interessanterweise hat der Fachbeirat gesagt, dass er sich den Turm durchaus auch höher vorstellen kann. Aber natürlich, es ist jedes Rendering in dieser Phase Schall und Rauch, weil's eben das fixe Projekt noch nicht gibt, sondern erst in der nächsten Fachbeiratssitzung.

Dass die Frau Taibl und viele anderen diese ganzen Informationen haben, das liegt daran, dass noch vor Widmungsbeginn - und da sind wir noch immer - in einem bisher ungekannten Ausmaß Gespräche geführt wurden. Wir haben selbst, Frau Taibl, schon zweimal darüber gesprochen, Sie waren auch bei der Frau Vizebürgermeisterin Vassilakou, und es gab auch, glaube ich, drei Bürgerinformationen ...

Taibl: Nein!

Chorherr: Na, dann waren's halt zwei.

Taibl: Zwei Vor-Projektinformationen des Investors. Ohne Bürgerbeteiligung! Vizebürgermeisterin Vassilakou hat außerdem immer gesagt: Es müssen die Hochhaus-Richtlinien eingehalten und die Architektenkammer eingebunden werden. Aber die Richtlinien wurden nicht eingehalten, und die Architektenkammer ist dagegen.

Chorherr: Wir bemühen uns stets, die Architektenkammer so gut es geht mit einzubeziehen. In sehr vielen Fällen gelingt es, in manchen Fällen gelingt es nicht - auch beim Eislaufverein ist es uns nicht gelungen. Aber glauben Sie im Ernst, Frau Taibl, dass hier etwas anderes herausgekommen wäre, wenn die Architektenkammer eingebunden gewesen wäre? Unter den Vorschlägen - Sie kennen sie ja eh - waren sogar noch höhere Hochhäuser dabei. Um auf die Idee zu kommen, dass dieser Standort ein Hochhaus-Standort ist, muss man nicht rasend fantasiebegabt sein. Drum sagt das auch der Fachbeirat, mit Verlaub.

derStandard.at: Herr Chorherr, bereuen Sie es mittlerweile eigentlich, in der Wettbewerbs-Jury gewesen zu sein?

Chorherr: Nein, das bereue ich nicht, weil es eine sehr spannende abstrakte politische Tätigkeit ist. Und ich muss hinzufügen: eine unbezahlte. Ich bemühe mich deswegen stets, bei sensiblen Projekten in die Fachjurys zu gehen - und ich bin in relativ vielen -, weil ich in der Entscheidungsfindung mitbekommen will, warum ein Projekt so ist, wie es ist. Ich habe vorhin gesagt, ich trage die Verantwortung dafür. Und da will ich natürlich genau wissen, was ich zu verantworten habe. Und ich täte auch gerne ein bisschen mitgestalten.

Außerdem sind Jurys in gewisser Weise ein Bildungsprogramm für Politiker. Da wird wirklich um jede Frage gerungen: Was ist die Qualität des Standortes, wie ist das mit dem Erdgeschoß, wie ist das mit dem Wind et cetera? Das ist sehr viel Information, die mir jetzt auch ermöglicht, sicher zu sein, dass das ein gutes Projekt ist.

derStandard.at: Sie verstehen aber auch, dass die direkten Anrainer natürlich alles Mögliche versuchen werden, um das Projekt zu Fall zu bringen?

Chorherr: Ja, das verstehe ich, ich bin der Frau Taibl auch nicht Gram. Ich diskutiere das gern. Dass Anrainer nie schreien: "Hurra, die Stadt wächst, und ich krieg in meine Umgebung was hingesetzt" - das kann ich durchaus verstehen, und das meine ich nicht zynisch. Da sagen alle Anrainer, dass sie das nicht so super finden. Ja, es wird eine weitere Baustelle geben, und ja, es kommt ein weiteres Hochhaus dort. Ich appelliere nur an alle Wienerinnen und Wiener, auch im Sinne derer, die Wohnung suchen, dass das ein sinnvoller Standort ist.

Bürgerbeteiligung heißt auch, die berechtigten Sorgen der Anrainer ernst zu nehmen. Sie heißt aber nicht, stadtplanerische und wohnungspolitische Fragen an Anrainer zu delegieren. Wir könnten's uns leicht machen und den Anrainern überall Recht geben, dann werden wir aber 90 Prozent von dem, was wir planen, nicht bauen. Was passiert dann? Die Leute siedeln sich im Umland an, der Speckgürtel wächst und der Verkehr wächst, und der ökologische Fußabdruck ist katastrophal groß.

Der Fachbeirat hat bestätigt, dass an diesem Standort, neben einer U-Bahn-Station und mit unmittelbarem Blick aufs Wasser, in einem Ensemble, das bereits Hochhäuser hat, Nachverdichtung Sinn macht. Darüber bin ich sehr froh, denn er hätte auch sagen können: Das ist alles ein Blödsinn. Jetzt geht's darum, eine geeignete städtebauliche und dann auch eine geeignete architektonische Form dafür zu finden.

Taibl: Das einzige Argument - da gebe ich Ihnen vollkommen Recht - ist der U-Bahn-Anschluss. Gerade deshalb müsste man aber an diesem Standort über Alternativen nachdenken, schauen, was für Wien das Beste ist. Einfach ein 13 Jahre altes Gebäude abzureißen, so leichtfertig - was nicht zum Grünen Programm passt - das werfen wir Ihnen schon vor. Man könnte das Gebäude begrünen, Licht hineinbringen, eine Schwimmhalle daraus machen, oder wieder kulturell bespielen. Aber jetzt ist das Kino geschlossen, der Investor hat uns also auch das kulturelle Angebot, das schon da war, weggenommen. Es gibt auch bei uns im Seidler-Tower leerstehende Räume für Infrastruktur, etwa ein Kaffeehaus, für das sich bis heute kein Betreiber gefunden hat.

derStandard.at: Das könnte sich dann vielleicht ja eher auszahlen, wenn dort wesentlich mehr Leute wohnen?

Taibl: Es sind 500 Wohnungen mehr. Ein Hochhaus ist eine Barriere, da geht kein Kaffeehaus. Uns ist das ein bisschen zu wenig für eine verantwortungsvolle Stadtplanung. Das gehört schon alles genau geprüft, was sich dort abspielt.

Chorherr: Ein Ärztezentrum ist geplant, zwei Kindergärten, wahrscheinlich auch eine Schule, ein Nahversorger und einige weitere Nahversorgungseinrichtungen.

Taibl: Welche?

Chorherr: (seufzt) Schauen Sie, ich bin ja nicht ...

Taibl: Die Kindergärten und Schulklassen muss der Investor sowieso machen, weil dort über tausend Menschen hinkommen. Das ist kein Mehrwert, sondern ein Muss!

Chorherr:  Ich bin, mit Verlaub, nicht der Projektentwickler. Unsere Aufgabe ist es, Transparenz hineinzubringen. Wir sind jetzt erst einmal dabei, die genaue Höhe, die Situierung und viele andere Sachen gemeinsam mit dem Fachbeirat zu besprechen und dann auch in einen Dialog mit den Bürgern zu treten, die auch alle ihre Wünsche äußern werden. Da bin ich gespannt, was herauskommt, denn es gibt, wie Sie wissen, sehr unterschiedliche Meinungen zu diesem Objekt. Viele sehen auch den Vorteil.

derStandard.at: Bleiben wir noch bei den vermeintlichen Nachteilen. Sie haben jetzt beide schon die Windsituation angesprochen. Halten Sie, Herr Chorherr, es für möglich, dass das Projekt am Windgutachten noch scheitert?

Chorherr: Wenn das Windgutachten zu einem solchen Schluss kommt, ja. Nur: Es ist ja nicht so, dass wir bei null beginnen. Erste Windgutachten wurden schon gemacht, die zeigten, wo es Windzunahmen gibt, und wo der Investor ganz schön viel Geld in die Hand nehmen muss, um an bestimmten Stellen Maßnahmen vorzunehmen.

Taibl: Wird das das qualitativ hohe Wohnen an diesem Standort? Hinter Glaswänden?

Chorherr: Ja, aber hören Sie mal, darin sind wir uns doch einig, dass der Investor Simulationen und Vorschläge erstellen lässt, wie schlechte Windverhältnisse verändert werden können? Und ja, da wird dann auch mal wo eine Glaswand aufgestellt!

Taibl: Sie haben sich für das Projekt "Danube Flats" ja auch wegen der umfassenden Begrünung entschieden ...

Chorherr: Jetzt kommt der nächste Punkt. Okay, jetzt reden wir über die Begrünung.

Taibl: Ja, das ist auch ein Punkt, den sehr viele Experten kritisiert haben. Die sagen, so wird das dort gar nicht aussehen, so viel Grün geht gar nicht, das ist eine Spekulationsarchitektur, um sehr viel Aufsehen zu erregen.

Chorherr: Ich bin überrascht, dass die Frau Taibl offenbar eine Spezialistin in ganz vielen Fragen ist, auch in Fragen, wie die technische Voraussetzung dafür ist, im vertikalen Bereich zu begrünen. Da gibt's eigene Professionen, die sich genau mit dem Thema beschäftigen. Auf der ganzen Welt gibt's jetzt solche Projekte, auch mit noch höheren Häusern, die eine Form der Begrünung bekommen sollen. Aber schauen Sie sich nur den Wohnpark Alterlaa an, wo Architekt Harry Glück bis in sehr hohe Höhen eine intensive Begrünung verwirklicht hat.

Taibl: Ja, bis in den zwölften Stock geht's dort mit den vorhängenden Balkonen!

Chorherr: Jetzt wird der Investor erst einmal ein Konzept entwickeln und es dem Fachbeirat vorlegen, um zu zeigen, dass wir auch ein vertikales Grün verstärkt forcieren.

derStandard.at: Es gibt neben dem Wind und der Begrünung noch andere Kritikpunkte, die die Initiative angeführt hat – etwa, dass es zuwenige Stellplätze geben wird. Wie ist die Stellplatz-Situation im Seidler-Turm, Frau Taibl?

Taibl: Wir haben keine Stellplätze, das ist ein großes Problem, auch für die Kurzparker. Besucher können nicht kommen, wenn sie nicht mit der U-Bahn kommen. Alle Parkplätze sind ausgebucht, etliche Parteien hätten gerne einen zweiten Stellplatz.

Chorherr: Ich bin stolz darauf, dass wir im Dialog mit sehr vielen Investoren - und auch mit diesem Investor - zu neuen Verkehrskonzepten kommen wollen. Bei den "Danube Flats" werden die Investoren am neuen Verkehrskonzept insofern mitarbeiten, als dort sehr günstig mit Geld des Projektwerbers Carsharing-Angebote umfangreicher Natur angeboten werden. Nach dem Motto: Ich nutze ein Auto, muss aber keines besitzen. Es ist nicht schlau, dass jeder mit dem Auto von der Wohnung wegfährt. Und es ist nicht notwendig, neben einer U-Bahn-Station im vollen Ausmaß Stellplätze zu errichten.

Sollten aus irgendeinem Grund doch mehr Stellplätze als bisher geplant nötig sein, sind auf der gegenüberliegenden Seite, bei der Uno-City, reichlichst Plätze frei, und dann wird man wohl sein Auto dort drüben unterbringen.

derStandard.at: Kurz noch zum von Frau Taibl in den Raum gestellten möglichen Denkmalschutz-Aspekt. Haben Sie als Grüner kein schlechtes Gefühl dabei, ein 13 Jahre altes Gebäude eines weltberühmten Architekten abreißen zu lassen?

Chorherr: Es gibt da eine Instanz, das ist das Bundesdenkmalamt. Dieses prüft akribisch, was unter Denkmalschutz gestellt werden soll, und was nicht. Dieses Objekt steht nicht unter Denkmalschutz, und deshalb ist das einfach ein leerstehendes Areal, für das es kein wirtschaftliches Konzept gibt, und auf der anderen Seite einen klassen Wohnraum am Wasser, der 700 bis 900 Leuten neuen Wohnraum gibt. Und da muss ich nicht lange nachdenken, dass ich hier diese Form der Wohnraumschaffung unterstütze.

Wer die Situation jetzt dort kennt - und ich lade alle Leserinnen und Leser dazu ein, dort mit der U-Bahn hinzufahren und sich vor das Multiplex-Kino zu stellen und zu schauen, welche Qualitäten jetzt dort gegeben sind. Es war ein Fehler Wiens, in inflationärem Ausmaß auf diese Multiplex-Kinos zu setzen. Ich habe schon damals davor gewarnt und gesagt, das sind monofunktionale Kisten, wenn ihr davon zu viele plant, werden etliche davon zugesperrt werden müssen. Das war mit Verlaub nicht unsere Entscheidung.

derStandard.at: Frau Taibl, abschließend möchte ich noch einmal auf das Kultur- und Freizeitangebot zurückkommen. Sie wünschen sich offenbar, dass es zumindest wieder so wird, wie Sie's mit dem Cineplexx und dem dortigen Café hatten?

Taibl: Wir wünschen uns, dass endlich das Kulturangebot kommt, das im 22. Bezirk fehlt - auch für die Donau-City. Denn man hat ja drüben (bei den Bürohochhäusern, Anm.) schon den Platz, der für eine kulturelle Bespielung geplant war, für 300 Wohnungen geopfert. Es wird weiter keine Urbanität entstehen an diesem attraktiven Standort.

derStandard.at: Sehen Sie das auch so, Herr Chorherr?

Chorherr: Ja, Frau Taibl, hier haben Sie völlig Recht, dass die Donaustadt ein Kulturangebot, eine Kulturinvestition braucht. Das glaube ich auch, dass das wichtig ist. Der 22. Bezirk ist ein besonders interessanter, ein besonders in Transformation befindlicher und einer mit besonderer Qualität. (Martin Putschögl, derStandard.at, 26.6.2013)