München - Anzeichen von Depressionen, Schlafstörungen und geringer körperlicher Aktivität treten häufig bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern auf, auch wenn diese nicht an weiteren Herzerkrankungen leiden.

Diese Einschränkungen der Lebensqualität werden allerdings häufig von den behandelnden Ärzten nicht richtig erkannt. - Das sind die zentralen Ergebnisse einer Untersuchung, die der Psychosomatiker Karl-Heinz Ladwig vom Helmholtz Zentrum München durchgeführt hat.

Zur Therapie von Vorhofflimmern stehen unterschiedliche Strategien zur Verfügung: Frequenzregulierung oder rhythmuserhaltende Behandlung, wobei sich keine dieser Strategien als überlegen hinsichtlich des Überlebens oder des Schlaganfallrisikos erwiesen hat. Daher muss der behandelnde Arzt in jedem Einzelfall entscheiden, welcher Behandlungsansatz für den betreffenden Patienten langfristig am besten ist. 

Nicht nur körperliche Symptome berücksichtigen

"Elektrophysiologen machen ihre Entscheidung für eine mehr oder weniger aggressive Therapie normalerweise davon abhängig, wie stark das Vorhofflimmern den Patienten belastet. Dabei sollten allerdings nicht nur körperliche Symptome, sondern auch die psychische Verfassung und Lebensqualität des Patienten berücksichtigt werden. Wenn ein Kardiologe nicht weiß, dass sein Patient an Depression leidet, kann er ihm möglicherweise nicht die optimale Behandlung bieten", so Ladwig. 

Der Psychosomatiker und seine Kollegen haben ausgewertet, in wie weit die Beurteilung der psychischen Verfassung eines Patienten durch den Arzt mit der Selbsteinschätzung des Patienten übereinstimmt. Der Grad an Übereinstimmung wird dabei als Indikator für die Kommunikation und das gegenseitige Verständnis von Arzt und Patient herangezogen. 

Zwischen Februar 2004 und September 2008 wurden 334 Patienten (41 Prozent Frauen, 59 Prozent Männer) mit paroxysmalem Vorhofflimmern und ohne weitere Herzerkrankungen sowie ihre behandelnden Ärzte aus 43 Kliniken und Praxen in Deutschland befragt. Arzt und Patient wurden gebeten, jeweils unabhängig voneinander die gesundheitsbezogene Lebensqualität des Patienten einzuschätzen. Die Patienten füllten dazu einen standardisierten Fragebogen zur Selbsteinschätzung aus. Die Ärzte beurteilten die Lebensqualität ihrer Patienten, nachdem diese die Klinik verlassen hatten, ebenfalls anhand eines Standardformulars. Die Ärzte hatten dabei keinen Einblick in die von den Patienten ausgefüllten Fragebögen. 

Einschätzungen klaffen auseinander

Die Datenanalyse zeigte, dass die Ärzte die Lebensqualität ihrer Patienten höher eingeschätzt haben als die Patienten selbst. Das gilt sowohl für die psychischen als auch für die physischen Komponenten der Lebensqualität. Bei Depression zeigten sich abweichende Einschätzungen von Arzt und Patient sowohl im psychischen als auch im physischen Bereich. Schlafstörungen waren mit Nichtübereinstimmung bei den psychischen Komponenten assoziiert, körperliche Inaktivität mit Nichtübereinstimmung hinsichtlich der physischen Komponenten. 

"Wenn man bedenkt, welchen hohen Stellenwert die Lebensqualität in der Behandlung von Vorhofflimmern hat, ist das Ausmaß an Nichtübereinstimmung zwischen Arzt und Patient erstaunlich hoch. Das verdeutlicht, dass Ärzte trainiert werden müssen, damit sie Depressionen bei ihren Patienten erkennen. Außerdem wäre ein gezieltes Depressions-Screening in allen Kliniken und Praxen, die Vorhofflimmern behandeln, notwendig", betont Karl-Heinz Ladwig. (red, derStandard.at, 26.6.2013)