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Don Mattrick stellte noch Ende Mai die Xbox One vor.

Foto: REUTERS/Nick Adams

Der Wechsel des langjährigen Xbox-Chefs zum wankenden Social-Gaming-Riesen Zynga wirft in der Branche viele Fragen auf. In einer Mitteilung an sein neues Team von 2.000 Mitarbeitern erklärte Don Mattrick, dass der Zynga seit Jahren bewundert und glaubt, das volle Potenzial des Herstellers entfalten zu können. "Ich habe mich Zynga angeschlossen, da ich glaube, dass Marks (Pincus) Vision und Mission, die Welt durch Spiele zu verbinden, gerade erst gestartet ist", schreibt Mattrick.

Doch, dass sich Mattrick ganz aus freien Stücken einem unternehmerischen Krisenherd annimmt, überzeugt nicht alle Analysten. Der Zeitpunkt für einen Wechsel, fünf Monate vor dem Marktstart der Xbox One sei denkbar schlecht, meint etwa IDC-Marktforscher Lewis Ward gegenüber Gameindustry International. "Ich hätte mir Herrn Mattricks Abschied ein Jahr nach der Veröffentlichung der Xbox One von grüneren Wiesen vorstellen können, aber fünf Monate bevor die neue Plattform erscheint, kommt mir das komisch vor", so Ward. Die Nachricht werde einige dazu bringen, den ohnehin bereits revidierten Fahrplan der Xbox-One-Strategie zu überdenken. "Man kann davon ausgehen, dass Microsoft eine interne Überprüfung durchgeführt hat, wie die Xbox One zu ihrer fehlgeleiteten DRM-Strategie gekommen ist, und der Schwarze Peter blieb bei Mattrick."

Vieles richtig gemacht

Dennoch dürfe man trotz der jüngsten PR-Fehltritte nicht vergessen, dass Microsofts Konsolensparte unter Mattrick einen starken Aufschwung erfuhr und nun mit einem Team starker Führungskräfte für die Zukunft gerüstet ist. Mattricks Abgang könnte Teil einer unternehmensweiten Umstrukturierung des Konzerns sein. "Vielleicht wird ein Grund, der mit einer größeren Microsoft-Reorganisation zu tun hat, in den nächsten Wochen ans Licht kommen, aber es ist schwer, diesen Abschied nicht in Zusammenhang zum derzeitigen Status der Xbox One zu verstehen; und Microsoft sucht eindeutig nach einer neuen Richtung."

Auch dass Mattrick nach der enormen Kritik an der Xbox One noch die Handbremse gezogen hat, sei ihm groß anzurechnen, meint Analyst Billy Pidgeon. "Microsofts Kehrtwende von der ursprünglichen Digitalpolitik für die Xbox One ist eine gute Chance für Mattrick, zu gehen. Microsoft kann nun einen neuen Spartenleiter ernennen und der Führungswechsel wird Teil einer Strategieänderung für die Xbox One ohne große negative Auswirkung auf den bevorstehenden Launch werden", heißt es gegenüber Gameindustry. "Die Tatsache, dass Don und das Microsoft-Team die Geschäftsgrundsätze so schnell geändert haben, spricht für Dons Integrität und Arbeitsethik. Eine schwächere Persönlichkeit hätte diese Angelegenheit möglicherweise nicht erledigt oder sie an seine Nachfolger oder Untergebenen weitergegeben", meint EEDAR-Analyst Jesse Divnich.

Auf das sinkende Schiff

Weshalb Mattrick allerdings ausgerechnet zum "sinkenden Schiff" Zynga geht, das sich seit dem Börsengang Ende 2012 auf einer Talfahrt befindet und im Juni die Streichung jedes fünften Arbeitsplatzes bekanntgab, ist auch den Analysten unerklärlich. An eine Kurzschlussentscheidung glaubt jedoch niemand.

"Er hinterlässt ein wohlstrukturiertes und fähiges Team an Führungskräften, die perfekt dazu geeignet sind, den Stab zu übernehmen. Es kann Monate zwischen dem Erstkontakt und der Entscheidung dauern, wenn eine Führungskraft entscheidet, ein Unternehmen zu verlassen und einem anderen beizutreten. Jegliche kurzfristigen Ereignisse waren wahrscheinlich ohne Bezug zu seiner Entscheidung, aber wir werden das nie wirklich wissen", sagt Divnich. Aus Sicht von Zynga sei der Wechsel durchwegs positiv. "Don Mattrick als Ersatz für Mark Pincus zu haben dürfte kurzfristig gut für Zynga sein. Dons Talent, Erfahrung und Verbindungen würden einen enormen Unterschied bei den meisten Spielefirmen machen, und hoffentlich kann er mithelfen, Zynga zu verändern", meint Pidgeon. Ein Risiko stellen die unterschiedlichen Prioritäten bei kurzfristigen und langfristigen Zielen von Mattrick und Gründer Pincus dar. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 2.7.2013)