Foto: derStandard.at/Zsolt Wilhelm
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Foto: Ouya Interface

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Foto: Ouya Store
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Foto: "TowerFall"

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Foto: "Bomb Squad"

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Foto: "Ice Rage"

Als ein Team von Videospielveteranen und Medienprofis vergangenen Juli die Ouya ankündigte, wurde das Projekt mit viel Enthusiasmus von der Community aufgenommen. Fans sammelten fast neun Millionen US-Dollar für die offene, hackbare und nur 99 Dollar kostende Spielkonsole, die wie ein innovativer Lichtblick am scheinbar festgefahrenen Konsolenmarkt aufleuchtete. Auch zwei GameStandard-Redakteure konnten der Versuchung nicht widerstehen.

Zwölf Monate später ist die Ouya nun nicht nur für Unterstützer der ersten Stunde verfügbar, sondern auch offiziell in den USA und England im Handel erschienen. Öffnet man die Verpackung der Konsole, springt einem eine große rote Karte entgegen: "Thank you for believing" steht darauf geschrieben. Nach zwei Wochen des Testens ist der Glaube jedoch schwer angeschlagen, denn es zeigt sich, dass das finale Produkt noch sehr weit vom einstigen Traum einer kleinen Gaming-Revolution weg ist. Probleme mit der Hardware, eine unfertige Software und das dürftige Spielangebot stellen sich dem vermeintlich großen Potenzial der Plattform entgegen.

Was ist die Ouya?

Die Schöpfer der Ouya vermeiden die direkte Konkurrenz zu traditionellen Spielkonsolen von Nintendo, Sony und Microsoft. Anstelle dessen verfolgt man einen leichtfüßigeren Ansatz. Basierend auf Googles Mobile-Betriebssystem Android 4.0 und der von Smartphones und Tablets bekannten Tegra-3-Architektur wird in einem faustgroßen Würfel eine Plattform geboten, die ebenso günstig ist wie eine unkomplizierte Spielentwicklung ermöglicht. Mit einem Vierkernprozessor, 1 GB Arbeitsspeicher und einer Full-HD-Bildausgabe (1080p) sind Games auf dem technischen Niveau eines modernen Tablets realisierbar. Per HDMI-Kabel wird die Konsole an einen Fernseher angeschlossen, per Wi-Fi (802.11 b/g/n) oder Ethernet-Kabel verbindet man sich mit dem Internet, und via Bluetooth und USB können sowohl der hauseigene Ouya-Controller als auch Gamepads von Drittherstellern angeschlossen werden. Sämtliche Games und Apps werden über den Ouya-Store heruntergeladen und auf dem internen, 8 GB großen Flash-Speicher oder einem externen USB-Datenträger gespeichert.

(Tabelle zum Vergößern anklicken)

Was leistet die Software?

Das Android-Betriebssystem wurde über eine neu designte Benutzeroberfläche für die Controller-Eingabe fit gemacht. Menüpunkte und Inhalte werden durch Auf-und-ab- und Links-und-rechts-Scrollen angewählt. Wenngleich die Benennung und das Erscheinungsbild der einzelnen Tabs noch nicht final sind, ist die Orientierung an etablierten Interfaces von Xbox, Windows 8 und anderen Multimedia-Diensten klar ersichtlich. Die Entwickler selbst machen aber auch keinen Hehl daraus. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Software noch auf das Wesentliche beschränkt. Was sich auch daran erkennen lässt, dass der Store ohne manuelle Sucheingabe noch mehr Spiele und Anwendungen versteckt als hervorhebt. In den Games und Programmen fehlt überdies die Option, Schnelleinstellungen vorzunehmen. Der Wechsel zwischen Anwendung und Hauptmenü geht allerdings ohne langatmige Wartezeiten vonstatten.

Der fehlende Feinschliff wird leider bereits bei der Einrichtung der Konsole deutlich. Eine Verbindung mit dem lokalen WLAN einzurichten erwies sich ebenso als mühsames Unterfangen wie die endlose Eingabe von verpflichtenden Kundendaten - inklusive Zahlungsinformationen. Ohne Internetverbindung und Kreditkarte/Gutscheincode kann man die Ouya erst gar nicht in Betrieb nehmen. So wird man die erste halbe Stunde mit seinem neuen Spielgerät gezwungen, mit dem Gamepad Zahlen und Buchstaben auf einer virtuellen Tastatur einzugeben. Überspringen und zu einem späteren Zeitpunkt abschließen kann man den Vorgang nicht.

Wie ist die Steuerung?

Sei es, wie es ist, worauf es schlussendlich ankommt, ist das Spielerlebnis. Umso gravierender ist, dass die Ouya auch in dieser Kategorie noch nicht auftrumpfen kann. Der Ouya-Controller ist fühlbar billig verarbeitet, verfügt über unpräzise Analog-Sticks, klapprige Abzüge und ein schwammig bedienbares Steuerkreuz. Was sich bei Arcade-Games oder Puzzle-Spielen nicht so bemerkbar macht, wird bei Shootern und Herausforderungen, die ein exaktes Ziel erfordern, zum frustrierenden Hindernis.

Abhilfe schafft hier die Möglichkeit, einen Xbox-360-Controller per USB anzuschließen oder ein PS3-Gamepad über Bluetooth zu verbinden. Letzteres ist besonders praktisch, benötigte im Versuch allerdings mehrere Anläufe. Einen Vorteil hat der Ouya-Controller dennoch: Um Touchscreen-Games aus der Mobilwelt auf der Ouya zu ermöglichen, hat der Controller zusätzlich noch ein Touchpad verbaut. Für die Spiele im Testlauf wurde es aber nicht benötigt. Wer also bereits eine PS3 oder Xbox 360 zu Hause hat, muss sich im Regelfall keinen zweiten Ouya-Controller besorgen, sondern kann anstelle dessen die vorhandenen Geräte einsetzen.

(Tabelle zum Vergößern anklicken)

Wie sind die Games?

Im Ouya-Store findet sich bereits eine vielschichtige Auswahl an Werken. Vom Puzzle-Game über Quiz-, Sport- und Adventure-Spiele bis hin zu Shootern werden alle Genres abgedeckt. Dem Konzept nach bietet jeder Hersteller auch eine kostenlose Testversion seines Spiels an oder baut zur Gänze auf das Free2Play-Modell. Preislich und inhaltlich zieht das Angebot Parallelen zum Mobile-Gaming-Markt: Die Games sind günstig, schnelle Unterhaltung und zu mehr als 90 Prozent erübrigbar.

Von den rund 20 von der Community empfohlenen und getesteten Spielen stachen positiv unter anderem das Quiz-Spiel "You don't know Jack", das flotte Multiplayer-Kampfspiel "TowerFall", das Eiskockey-Arcade-Game "Ice Rage" und der "Bomberman"-Klon "Bomb Squad" heraus. Das alles sind technisch unaufwendige Spiele, die einfach zu verstehen sind und auf Anhieb Spaß machen. Beim gefeatureten Shooter "Shadowgun" hingegen blieb lediglich der fahle Nachgeschmack einer angestaubten Präsentation und einer katastrophalen Steuerung. In Summe sind es Games, wie man sie sich am Handy oder Tablet erwartet, die aber niemanden zum Kauf einer eigenständigen Konsole verleiten dürften.

(Video: Ouya-Spiele im Überblick)

Blickt man über das Launch-Line-up hinaus, zeichnet sich ein rosigeres Bild. Fähige Studios wie Double Fine ("The Cave") und sogar größere Publisher wie Sega ("Sonic The Hedgehog") haben bereits ihre Unterstützung ausgesprochen. Das Problem dabei ist, dass die Ouya derzeit und wohl auch in absehbarer Zukunft ausschließlich mit Games versorgt wird, die auch auf anderen Plattformen verfügbar sind (zumeist weit verbreitete Smartphones oder PC). Der zwingende Exklusivtitel ist nicht in Sicht.

Was fehlt

Für Retrofans ein Argument sein könnte das Angebot an Emulatoren für die Ouya. Wer alte Atari-2600-, SNES- oder Nintendo-64-Games auf dem neuen Fernseher zocken möchte, kann das bereits heute auch mit der Ouya tun.

Zum Erststart der Ouya ist das Spielaufgebot unterm Strich nicht konkurrenzfähig, und überdies mangelt es an zahlreichen Standardfunktionen, die PC- und Konsolenspieler heute voraussetzen. Dazu gehören in erster Linie ein Online-Mehrspielerdienst sowie ein Kommunikationswerkzeug, um Spieler miteinander zu vernetzen. Die Betreiber haben aber bereits angekündigt, diese Features zu einem späteren Zeitpunkt nachzuliefern.

Abseits von Games

Neben Spielen kann die Ouya als Android-Multitalent auch für anderwertigen Mediengenuss genutzt werden. Bereits im Store erhältlich sind noch nicht ganz ausgereifte Portierungen des Media-Centers Plex und eine App für den Online-Streaming-Dienst Twitch. Etwas umständlicher gelangt man über das Menü Make/Software zu weiteren Android-Programmen und kann sich auf diese Weise etwa den Multimediadienst XMBC auf die Konsole laden. Die Hardware der Ouya ist schnell genug, um Videos in Full HD flüssig abzuspielen, und eignet sich so durchaus als Wohnzimmerschaltzentrale. Xmbchub hat eine erstklassige Installationsanleitung parat.

In den Untermenüs findet man weiters eine Betaversion eines Webbrowsers, der zum Surfen reicht, aber Probleme mit der Darstellung von medienlastigen Seiten wie Youtube macht. Es ist absehbar, dass derartige Dienste in den kommenden Monaten noch kräftig ausgebaut werden. Jemand, der vor allem Videos sehen oder Musik streamen will, ist aber mit dedizierten Medienzentren wie der Boxee Box besser beraten. Hier bekommt man zu ähnlichen Preisen von Haus aus und ohne nachträgliches Installieren ein umfassendes Media-Center geboten.

Was gibt es für Entwickler?

Für (Hobby-)Entwickler und Designer ist die Ouya ein überaus zugänglicher Spielplatz. Die Entwicklungswerkzeuge, sprich das SDK, sind ebenso kostenlos verfügbar wie die Veröffentlichung von Werken im Store. Zudem unterstützt die kostenlose/kostengünstige Unity Engine die Plattform, was unabhängigen Herstellern einen leistbaren Einstieg in die Branche ermöglicht. Auch verzichten die Betreiber auf eine Publisher-Bindung, einzig bei den Einnahmen über den Store schneiden sie mit. Für Hacker geht Ouya sogar so weit, die Hardware unkompliziert aufschraubbar und für jegliche Art der Modifikation zugänglich zu machen.

In die Offenheit der Ouya legen die Hersteller auch die größten Hoffnungen. Sollte sich die Konsole als Mekka für die kreative Indie-Szene etablieren, könnte dies viele Spieler anziehen, die von massentauglicher PC- und Konsolenkost angeödet sind. Das wird allerdings nur geschehen, wenn man als Ouya-Entwickler eines Tages Geld verdienen kann. Und: Die Wichtigkeit einer florierenden Indie-Szene haben auch die großen Player schon längst erkannt. Auf dem PC hat sich Steam als lukratives Verbreitungssystem etabliert, und auch Konsolenhersteller - allen voran Sony und Nintendo - öffnen sich mit Self-Publishing-Stores immer stärker gegenüber unabhängigen Entwicklern.

(Bild: Ouya-Hersteller bedanken sich bei ihren Unterstützern)

TLDR

Für 99 Dollar ist die Ouya eine günstige Hardware mit offenem Android-Betriebssystem, an dem aktuell vor allem Bastler, Tüftler und Hobby-Entwickler Gefallen finden dürften. Konsumenten bekommen für ihr Geld aktuell jedoch sehr wenig geboten. Das Spielangebot ist zum Start zwar vielfältig, lässt aber echte Perlen vermissen. Zudem sind praktisch sämtliche Inhalte auch auf anderen Systemen zu haben. Die Konsolen-Software ist unfertig und der Controller nicht besser als ein erster Entwurf. Professionelle Spieldesigner wiederum finden in anderen Ökosystemen aussichtsreichere Märkte. Das Potenzial für eine offene und günstige Spielkonsole mag zwar in der Theorie gegeben sein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt es zumindest bei der Ouya jedoch beim Traum.

Wer diese Weihnachten nach einer günstigen Spielkonsole Ausschau hält, ist mit einer dann voraussichtlich verbilligten oder auch einer gebrauchten PS3, Wii oder Xbox 360 klar besser beraten. Wie am PC, Smartphone und Tablet gibt es auch hier eine Fülle an günstigen und kreativen Download-Games, und sollte man sich dann doch einmal nach etwas mehr sehnen, ist man hier genau richtig aufgehoben.

Verfügbarkeit

Im Geschäft ist die Ouya vorerst nur in den USA und England erhältlich. Über Online-Händler wie Amazon.com kann die Konsole allerdings auch von außerhalb für 99,99 Dollar bestellt werden. Ein zusätzlicher Controller kostet 49,99 Dollar. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 7.7.2013)