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Die österreichische Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler ist Vorkosterin des weltweit ersten im Labor hergestellten Beef-Burgers. Rützlers Urteil: "nahe an Fleisch, aber nicht so saftig."

Foto: REUTERS/Toby Melville

Ladies first, natürlich. Hanni Rützler zögert nur einen kurzen Augenblick. Dann gleitet ihr Messer energisch durch den Beefburger, der vor ihr auf dem Teller liegt. Mit der Gabel spießt die österreichische Ernährungswissenschafterin ein appetitliches Stück auf, die danebenliegende Semmel, Tomatenscheiben und Salatblätter ignoriert sie. Dann verschwindet das Stück in ihrem Mund, dann folgt energisches Kauen, Schlucken - Rützlers Pokerface verrät keine Reaktion.

Dabei wollen die gut 60 Journalisten im vollgepferchten Riverside Studio in London nur eines wissen: Wie schmeckt der erste im Labor gezüchtete Hamburger der Welt? Doch Rützler schweigt. Gelassen schiebt sie den Teller nach links zum US-Amerikaner Josh Schonwald. Erst als der Buchautor fertig gekaut hat, kommt das Urteil. "Da ist kein Fett drin", stellt Rützler fest. "Die Konsistenz fühlt sich wie Fleisch an", sagt Schonwald vorsichtig, "aber normalerweise esse ich meine Hamburger mit Zwiebeln und Ketchup." Rützler fehlt die Würze. "Es ist nahe an Fleisch, aber nicht so saftig."

Was der niederländische Forscher Mark Post seinen Versuchskaninchen servierte, war wohl keine kulinarische Köstlichkeit. Das Stück Kunstfleisch könnte aber der Beginn der größten Revolution in der Fleischerzeugung seit der Erfindung der Viehzucht gewesen sein. "Wenn Sie in zwanzig Jahren in den Supermarkt gehen, wird es zwei Produkte geben", prophezeit der Professor der Uni Maastricht: "Kunstfleisch und echtes. Und das Kunstfleisch hat vom ethischen Standpunkt aus große Vorteile."

Finanzierung

Das Geld für den teuersten Burger der Welt - das Experiment kostete rund 250.000 Euro - kam von Sergej Brin, den Kogründer von Google. Der ist so wie Post der Überzeugung, dass die massenhafte Fleischproduktion die Umwelt weltweit ruiniere: Sie braucht zu viel Land, setzt zu viele Treibhausgase frei und benötigt zu viel Energie - einmal abgesehen von der ethisch zweifelhaften Fabrikhaltung der zur Schlachtung vorgesehenen Tiere.

Die Alternative von Mark Post beruht auf den Fortschritten der Stammzellforschung: Die benötigten Muskelstammzellen entnahm er der Schulter belgischer und französischer Rinder. In einer rosafarbenen Nährlösung, angereichert mit Zellen aus Rinderföten, teilen sich die Zellen bei 37 Grad Celsius täglich einmal. Bis zur Massenproduktion werde es aber wohl noch mindestens zehn Jahre dauern.

Unterstützung erhält Post durch eine Studie im Fachblatt "Environmental Science & Technology". Diese verglich herkömmliche Fleischproduktion mit Posts in-vitro-Methode. Für die Herstellung des Kunstprodukts wird nur 55 Prozent der Energie für "natürliches Fleisch" benötigt. Kunstfleischproduktion setzt 96 Prozent weniger Treibhausgase frei und braucht ein Hundertstel Land.

Auch die Vertreter die Tierschutzorganisation Peta sind ganz auf der Seite von Mark Post. "Laborfleisch wird Emissionen verringern, Wasser sparen und die Lebensmittelversorgung sichern", schwärmen die Tierfreunde. Also nichts wie ran an das künstliche Fleischlaberl. Nur beim nächsten Mal, "da fügen wir Pfeffer und Salz dazu", rät Vorkosterin Rützler. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 6.8.2013)