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Eine Manning-Unterstützerin vor dem Weißen Haus.

Foto: AP/Monsivais

Fort Meade - Der US-Soldat Bradley Manning muss für die Weitergabe vertraulicher Dokumente an Wikileaks 35 Jahre ins Gefängnis. Doch er darf hoffen: Bei guter Führung könnte er deutlich früher frei sein. Mannings Verteidiger David Coombs kündigte an, Obama formell um eine Begnadigung seines Klienten zu bitten. "Jetzt ist die Zeit, um Mannings Leid zu beenden", sagte er. Das Weiße Haus kündigte an, die Petition wie alle anderen Petitionen auch zu prüfen.

Coombs hatte Richterin Denise Lind in dem Verfahren um eine milde Strafe gebeten, die Manning ein Leben nach der Haft ermöglichen würde. "Er ist ein junger Mann, er ist ein sehr intelligenter Mann", sagte Coombs. Der Obergefreite habe bei seinem Handeln "gute Absichten" gehabt. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen die Darstellung zurückgewiesen, dass der Soldat ein naiver junger Mann gewesen sei, der lediglich eine Debatte über die Kriege in Afghanistan und im Irak habe anstoßen wollen. Der Geheimnisverrat durch Manning sei "zerstörerisch" gewesen, so Ankläger Joe Morrow.

Unehrenhaft aus Armee entlassen

Manning ist für die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an die Enthüllungsplattform Wikileaks zu 35 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem wurde der 25-Jährige unehrenhaft aus der Armee entlassen und rückwirkend degradiert, wie das US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington am Mittwoch bekanntgab. Auch seine Pensionsansprüche verliert er.

Die Anklage hatte mindestens 60 Jahre Gefängnis und 100.000 Dollar (rund 75.000 Euro) Geldstrafe gefordert, die Verteidiger hingegen nicht mehr als 25 Jahre. Bei guter Führung kann Manning im besten Fall nach weniger als zehn Jahren freikommen. Er hatte als Geheimdienst-Analyst des US-Heeres im Irak Hunderttausende vertrauliche Dokumente an Wikileaks gegeben, die dadurch später öffentlich wurden. Darunter auch ein Video, das einen Hubschrauberangriff auf Zivilisten zeigt.

Manning: "Ich werde das schaffen"

Manning selbst zeigte sich nach seiner Verurteilung gefasst: "Ich werde das schaffen", wurde er von seinem Anwalt David Coombs in der "Washington Post" zitiert. In einer von Coombs verlesenen Mitteilung sagte Manning, er habe damals "aus Sorge um mein Land" gehandelt. Nachdem er die geheimen Kriegsberichte aus Afghanistan und dem Irak gelesen habe "fing ich an, an der Moral unserer Taten zu zweifeln", sagte er. Statt die Verantwortung für die Tötung unschuldiger Zivilisten zu übernehmen, hätten sich die USA hinter der nationalen Sicherheit versteckt. "Wir haben unsere Menschlichkeit vergessen."

Am Donnerstag ließ der 25-Jährige über seinen Anwalt David Coombs im TV-Sender NBC mitteilen, dass er künftig als Frau leben will. "Jetzt, da ich in diese nächste Phase meine Lebens eintrete, möchte ich, dass jeder mein richtiges Ich kennt. Ich bin eine Frau", las Coombs aus einem Brief vor, der mit Chelsea Manning unterschrieben ist. Manning möchte künftig von allen mit diesem weiblichen Vornamen angesprochen werden. Nur Post für ihn ans Gefängnis solle wie bisher adressiert werden. Er habe sich seit seiner Kindheit so gefühlt und wolle so schnell wie möglich mit einer Hormontherapie beginnen.

Urteil "furchtbar"

Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson nannte das Urteil "furchtbar". Manning habe über Kriegsverbrechen informiert und bekomme dafür eine hohere Strafe als diejenigen, die solche Verbrechen begingen, sagte der Journalist im isländischen Fernsehen RUV.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte das Strafmaß als unverhältnismäßig. "Das Urteil gegen Bradley Manning ist ein weiterer Beleg, dass die USA endlich ein Gesetz zum Informantenschutz brauchen", sagte Vorstandssprecher Michael Rediske. "Wenn Präsident Barack Obama seinen Feldzug gegen Whistleblower nicht schnell beendet, werden Journalisten in den USA bald immer weniger in der Lage sein, Fehlverhalten von Regierung und Behörden aufzudecken." Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte US-Präsident Barack Obama auf, Manning sofort auf freien Fuß zu setzen.

"Er ist ein Held"

Verwandte von Manning in Wales erklärten, das Strafmaß sei geringer ausgefallen, als sie erwartet hätten. Mannings Onkel Kevin Fox sagte dem Sender BBC: "Er hätte überhaupt nicht bestraft werden sollen. Meiner Ansicht nach ist er ein Held." Fox ist der Bruder von Mannings Mutter Susan, die nach Angaben der BBC in Wales lebt.

Russland sprach von einer "ungerechtfertigt harschen" Strafe. Der für Menschenrechte zuständige Mitarbeiter im Außenministerium, Konstantin Dolgow, sagte der Nachrichtenagentur Interfax, Washington lege eine "Doppelmoral" an den Tag, sobald US-Interessen auf dem Spiel stünden und nehme keine Rücksicht auf die Wahrung der Menschenrechte.

Manning für Friedensnobelpreis vorgeschlagen

Eine Menschenrechtsgruppe hatte Manning Mitte August für den diesjährigen Friedensnobelpreis vorgeschlagen und eine entsprechende Petition mit 103.000 Unterschriften an das Nobel-Institut in der norwegischen Hauptstadt Oslo übergeben.

Das Verfahren in Fort Meade war der erste große Prozess gegen einen sogenannten Whistleblower in den USA und gilt als Präzedenzfall für weitere bekannte Enthüller, darunter Wikileaks-Chef Julian Assange und den flüchtigen US-Computerspezialisten Edward Snowden, der das massive Spähprogramm des Geheimdienstes NSA enthüllte. Der Reporter Glenn Greenwald, Snowdens journalistisches Sprachrohr, schrieb via Twitter, die USA würden fortan nicht mehr in der Lage sein, der Welt den Wert von Transparenz und Pressefreiheit zu predigen, ohne weltweites Gelächter zu befördern. (APA, 22.8.2013)