Bis dato gab es zum Thema Arbeit und Behinderung kaum aussagekräftigen Zahlen. Im Rahmen einer neuen Studie unter dem Titel "Chancen-Barometer" wurde nun erstmals die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt ausgelotet. 250 Chefs und Personalverantwortliche haben an der anonymen Befragung teilgenommen, die von der Onlineplattform Career Moves durchgeführt wurde. "Der Schalter in Unternehmen gehört umgelegt. Es geht nicht um Mitleidsdenken oder Weihnachtsnostalgie - die Firmen müssen sehen, dass es einen wirtschaftlichen Nutzen gibt", sagte Career Moves-Gründer Gregor Demblin bei der Präsentation der Studie in Wien.

Die Ergebnisse über Einstellung zu behinderten Arbeitnehmern innerhalb der Unternehmen fielen teilweise überraschend aus: So stehen drei Viertel der Unternehmen der viel diskutierten, gesetzlichen Einstellungspflicht für Betriebe ab 25 Mitarbeitern positiv gegenüber. 83 Prozent der Unternehmen hätten laut eigener Aussage bereits positive Erfahrungen mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gemacht. 90 Prozent der CEOs und Personalverantwortlichen wünschen sich sogar eine stärkere Integration von Menschen mit Behinderungen. 80 Prozent sind der Meinung, behinderte Menschen leisten sehr gute oder gute Arbeit, zwei Drittel sehen in Menschen mit Beeinträchtigung eine wichtige Personalressource.

Mangelndes Wissen über Kündigungsschutz

Es sei zwar prinzipiell eine große Offenheit zu spüren, sagte Demblin. Dennoch sehe die Realität in den Betrieben anders aus. Denn Unternehmen, die Behinderte beschäftigen, sind klar in der Minderheit. Das Problem liege vor allem an der Kommunikation, sagt Demblin: "Die Geschäftsleitung spricht sich zwar für die Beschäftigung Behinderter aus, oft wird das aber nicht den Personalabteilung kommuniziert."

Wenn es um die Umsetzung von konkreten Maßnahmen geht, gebe es noch immer große Hemmschwellen. Das liege vor allem an unzureichender Information über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sagt Demblin. 60 Prozent der Befragten fühlten sich zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten nicht ausreichend informiert.

Große Wissensmängel gibt es im Bereich des Kündigungsschutzes von Menschen mit Behinderungen. Die Erhebung ergab, dass zu wenige Firmen wissen, dass kein absoluter Kündigungsschutz existiert. Sogenannte "begünstigt behinderte Arbeitnehmer" sind jene Menschen, die einen bescheidmäßig festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent aufweisen. Der "besondere Kündigungsschutz" wurde vor zwei Jahren gelockert: Demnach können behinderte Arbeitnehmer innerhalb der ersten vier Jahre gekündigt werden.

Auf der Plattform gibt es daher auch ein Service-Center für Unternehmen und Jobsuchende. Innerhalb von 48 Stunden sollen dort alle Fragen zu Beschäftigung und Behinderung beantwortet werden. "Es geht hier nicht um soziales Engagement oder Mitleid, sondern um Ressourcen", sagte Demblin.

Chronische Erkrankungen immer häufiger

Die Unternehmen wurden in der Umfrage auch nach den Arten der Behinderungen ihrer Angestellten befragt. Rund 20 Prozent der Firmen erfüllten die Beschäftigungspflicht, was den österreichischen Durchschnitt widerspiegelt. Am häufigsten sind Personen mit Mobilitätseinschränkungen mit 74 Prozent zu finden. An zweiter Stelle liegen mit 60 Prozent Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen. Ein Drittel der Arbeitnehmer hatten psychische Beeinträchtigungen. Rund ein Viertel hatte Einschränkungen beim Hören, Sprechen oder Sehen. (Julia Schilly, derStandard.at, 27.8.2013)