Jenem steirischen Arzt, der "die große Impflüge durchschaute" und durch die Lande zog, um relativ furchtlos mit haarsträubenden Behauptungen um sich zu werfen, wurde - bis zur Aufhebung des Berufsverbots - nicht die Meinung verboten. Er durfte laut Bescheid bloß "keine unwissende Patientenschaft beeinflussen".

Bei einem Mediziner, der augenscheinlich überzeugt davon ist, dass "Ansteckung nichts als Aberglaube" sei, oder der propagiert, Kühlschränke und nicht die flächendeckende Polio-Immunisierung hätten die Kinderlähmung eingedämmt, ist das keine überzogene Forderung.

Sich dem Thema Impfen kommentierend zu nähern ist eine heikle Angelegenheit. Die Entscheidung wird zunehmend zu einer hochpersönlichen Angelegenheit hochstilisiert. Vor allem im Kreis der urbanen Elite wird gerne über die "Nostalgie" gelächelt, mit der Impfbefürworter ihre Kinder der Belastung aussetzen. Doch die Ausbreitung bekannter und gut erforschter, ehemals tödlich verlaufender Krankheiten in Kauf zu nehmen ist keine mondäne Entscheidung der aufgeklärten Gesellschaft. Es ist ein Egotrip.

Deutschland erlebte diesen Sommer dank wachsender Impfgegnerschaft eine regelrechte Masernepidemie, sogar die liberale FDP prüft eine Impfpflicht. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Das trifft jedenfalls dann zu, wenn übertragbare Krankheiten im Spiel sind. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 28.8.2013)