Saints Row 4

Von: Volition/Deep Silver

Für: PC, Xbox 360, PS3

Ab: 18 Jahren

UVP: 59,99 Euro

Foto: Deep Silver

Ende der Einführungsmission: Der Spieler erklimmt eine Atomrakete zum Soundtrack von "Armaggeddon".

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Ein paar Jahre später steht die nächste Bedrohung vor der Türe: Alien-Boss Zinyak und seine fiese Gefolgschaft.

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In der Spielwelt angekommen stehen allerlei schlagkräftige Argumente, darunter dieser Raketenwerfer, zur Verfügung.

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Mit überall verstreuten Data Clustern werden die verfügbaren Superkräfte aufgewertet.

 

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Von der Matrix entführt das Spiel auch in die reale Welt. Doch zuerst gilt es, sich nackt von Bord des Alienschiffes zu ballern.

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Am Boden kann man sich zu Fuß und mit verschiedensten fahrbaren Untersätzen fortbewegen.

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Dank des Super Jumps erhebt man sich aber bald hoch in die Luft und genießt die Stadt im Gleitflug.

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Abseits der Haupthandlung sind verschiedene Herausforderungen zu bewältigen, etwa das Erklimmern solcher Turmkonstruktionen.

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In "Ragdoll" katapultiert man sich selbst durch die Gegend und muss möglichst viel Schaden dabei anrichten.

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Auch Anspielungen auf andere Spiele findet man in "Saints Row 4".

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Das Outfit der Spielfigur lässt sich ebenso anpassen wie das Aussehen von Waffen und Autos.

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Im Laufe des Spiels trifft man alte Bekannte, die auf Wunsch den Begleitschutz geben.

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Quietschbunt, verrückt und Humor mit teils brachialem Einschlag: "Saints Row 4" präsentierte sich bereits im Preview als interessanter Titel, der wenig auslässt. Mittlerweile ist der Titel im Handel und soll Spieler motivieren, die Welt von einer Alienplage zu befreien. Der GameStandard hat nachgeprüft, ob Entwickler Volition dieses Vorhaben geglückt ist.

Freilich lassen sich einige Parallelen zwischen "Saints Row" und Rockstars "Grand Theft Auto" ziehen. Man bewegt sich frei durch eine Stadt, kann Autos und andere fahr- und fliegbare Untersätze klauen, Unruhe stiften und sich so mit den Ordnungskräften anlegen. Bei Teil 4 war es das aber im Prinzip auch schon mit den offensichtlichen Gemeinsamkeiten.

Vom Ganoven zum Staatschef

Die Saints, einst als Ganovenbande gestartet, haben sich geläutert und sind zu Anfang des Geschehens quasi als Geheimdienst-Eliteeinheit unterwegs, um einen alten Erzfeind am Start einer Atomrakete in Richtung USA zu verhindern. Am Schluss der Mission klettert man die Rakete entlang und deaktiviert sie Stück für Stück, während untermalt von Aerosmiths "Armaggeddon"-Klassiker "I Don't Wanna Miss A Thing" rührselige Abschiedsbekundungen des restlichen Teams eintrudeln.

Der Held überlebt allerdings in seinem Superanzug, der sich durchaus als "Halo"-Zitat auffassen lässt, und die Heldentat macht ihn schnurstracks zum Volkshelden und US-Präsidenten. Fünf Jahre später sacken die Umfragewerte allerdings ab und im Weißen Haus, nunmehr umfunktioniert in eine Club-Villa namens "White Crib", macht sich Unruhe breit.

Zinyaks Matrix

Aber bevor sich der Präsident einer Pressekonferenz stellen kann, sprengt der neue Erzfeind die Veranstaltung: Alien-Fiesling Zinyak. Der findet die Wehrhaftigkeit des Helden so unterhaltsam, dass er ihn kurzerhand in eine virtuelle Realität (vergleichbar mit der "Matrix") versetzt, eine Stadt namens Steelport.

Bewacht wird diese von einer Horde außerirdischer Strafgefangener, die sich die Gunst ihres Knechters verdienen wollen. Der einzige Zweck der Parallelwelt: den Helden zu quälen.

Freilich denkt man als Spieler nicht daran, sich foltern zu lassen. Und zum Glück stehen auch Teamkollegen zur Seite, die sich aus der realen Welt heraus Zugang zum System von Zinyaks Spielplatz verschafft haben. Bald findet man heraus, dass Regelbruch die virtuelle Truman-Show destabilisiert – je heftiger desto besser.

Bewegungsspielraum

Zu diesem Zwecke sind neben der eigentlichen Handlung zahlreiche Nebenaufgaben im Stadtgebiet verteilt. Diese reichen von Turmerklimmungen über Viruseinschleusungen bis hin zu Zerstörungsorgien. Damit das ganze etwas leichter fällt, lassen sich "Data Cluster" aufsammeln, kleine Datenstrombrocken, mit welchen sich Spezialfähigkeiten freischalten lassen. Hilfe leistet dabei Saints-Mitglied Kinzie, auch andere alte Bekannte der Reihe sieht man wieder.

Wenngleich das Fahren von diversen Vehikeln in dem Spiel durchaus spaßig ist, verzichtet man sehr bald darauf. Zu den ersten erwerbbaren Kräften zählen nämlich ultraschnelle Laufgeschwindigkeit und der Super Jump, der sich in weiterer Folge mit Gleitflug ausbauen lässt. So bleibt schnell kein Gebäude unerklommen. Von separaten Missionen und Geschäften abgesehen, gibt es allerdings keine Möglichkeit, Innenräume zu betreten.

Auf Wolkenkratzer herumzuspringen und weit durch die Lüfte zu gleiten macht nicht nur Spaß, sondern ist auch deutlich bewegungsökonomischer als ein Sportwagen. Was nicht heißt, dass eine Runde in einem Alienjäger oder auf einem Hoverbike nicht auch seinen Reiz hätte.

Individualisierbar

Vielfältig wie der Fuhrpark ist auch das Waffenarsenal. Das Spiel kennt Pistolen, SMGs, Gewehre und Shotguns sowohl in klassischer als auch in Alien-Ausführung. Dazu gesellen sich explosivere Gerätschaften wie Raketenwerfer und allerlei Spezialwaffen – von der Abduction Gun über die Dubstep-Kanone und den Schwarzes-Loch-Werfer.

In passenden Geschäften lassen sich sowohl Autos als auch Waffen aufrüsten und umgestalten. Dem Maschinengewehr im Super-Soaker-Look steht nichts im Wege. Auch der Look des Helden oder der Heldin kann geändert werden. Zu Beginn des Spiels sogar in kleinsten Details des Aussehens und auch die Stimme.

Originell

Die Haupthandlung führt mit irren Wendungen durch virtuelle und echte Spielwelt und gefällt dabei mit variantenreichen Aufgabenstellungen. Weitere Anspielungen auf Politik, Popkultur und andere Spiele dürfen nicht fehlen. So gilt es einmal in einem Raumjäger zu Haddaways "What Is Love" aus einem Alien-Mutterschiff zu fliehen, ein anderes Mal rast man auf seinem Motorrad durch ein "Tron"-artiges Level.

Auch wenn der angewandte Humor nicht immer jedermanns Geschmack sein dürfte, mangelnde Originalität kann man Volition nicht vorwerfen. Und so werden in kurzen Abschnitten auf nette Art und Weise nicht nur verschiedene Szenarien, sondern auch unterschiedliche Genres gelungen eingebunden. Dazu gesellen sich schräge, aber spielerisch bedeutungslose – weil kaum zu verlierende – Quicktime-Events.

Routineaufgaben

Ginge man nur nach dem, was "Saints Row 4" im Rahmen der Story-Aufträge bietet, wäre das Spiel vermutlich etwas kurz, aber über die komplette Spielzeit sehr unterhaltsam. Jedoch hat man nebenbei Steelport Stück für Stück zu erobern, was durch bereits erwähnte Nebenaufgaben geschieht.

Dieser gibt es enorm viele, was die Gesamtspielzeit deutlich in die Höhe schraubt. Das ist jedoch nur bedingt gut. Denn viele Tätigkeiten wiederholen sich – sei es das Säubern Alien-verseuchter Hotspots mit gelegentlichem Bossgegner, Rennen oder andere Herausforderungen.

Zwar ändern sich die Locations, die grafische Abwechslung in den einzelnen Stadtteilen hält sich jedoch in Grenzen, und irgendwann ab dem fünften Rennen oder dem vierten Kampf gegen mehrere Gegnerwellen verliert die Sache ihren Reiz. Auch Aufträge für zwei Spieler werden angeboten, diese wurden allerdings nicht getestet. Dass sie viel an der Abwechslungsarmut ändern, darf bezweifelt werden.

Gestrecktes Erlebnis

Dazu ist nicht jeder Gameplay-Mechanismus voll ausgereift. Neben dem Data Cluster gibt es auch Geld einzusammeln, das erledigte Gegner oder Passanten verlieren und "eroberte" Läden regelmäßig abliefern. Damit lassen sich modische Accessoires, Waffen und Upgrades für selbige erwerben. Jedoch gibt es in Sachen Effektivität kaum relevante Unterschiede zwischen den Schießprügeln, es reicht also, eine der üblichen Feuerwaffen-Gattungen gut aufzurüsten.

Während herkömmliche Waffen mit Munition funktionieren, die recht zahlreich aufgesammelt wird, feuern die Donnerbüchsen der Außerirdischen mit Energie und benötigen zwischendurch Abkühlung. Der Unterschied ist letztlich kaum zu merken. Hinzu gesellt sich eine überschaubare Anzahl an Gegnertypen mit mäßiger KI.

Das sind Schwächen, die zuerst nicht auffallen, aber nach vier bis fünf Spielstunden beginnen, ein wenig an der Geduld des Spielers zu zerren. Es entsteht das Gefühl, Volition habe sich zu viel vorgenommen und versucht, dies mit "more of the same" zu kaschieren.

Technisch solide

In grafischer Hinsicht mag "Saints Row 4" nicht mehr ganz State of the Art sein. Insbesondere die Texturen mancher Gebäude sind schon auf mittlere Distanz als ziemlich grob zu erkennen. Die Weitsicht lässt ebenfalls zu wünschen übrig, besonders wenn man in luftigen Höhen über den Dächern der Stadt schwebt.

Trotzdem ist Steelport insgesamt hübsch anzusehen und atmosphärisch gestaltet. Bis auf kleinere Ungereimtheiten ist das Geschehen auch brauchbar animiert. Solide ist ebenso die akustische Untermalung. Das technische Grundgerüst passt auch, von kürzeren Aussetzern der künstlichen Intelligenz abgesehen waren bei der PC-Version keine Bugs zu bemerken.

Fazit

"Saints Row 4" ist ein etwas zweischneidiges Schwert, dessen positive Seiten aber überwiegen. Grundsätzlich ist die in eine irrwitzige Handlung eingebettete Alienhatz enorm unterhaltsam. Solange man im Hauptstrang des Geschehens und den dazugehörigen Nebenquests verweilt, bleibt das auch so. Auch die in der Stadt verstreuten Aufgaben machen zu Anfang Spaß. Weil sie für das Fortkommen und den Erwerb von Ressourcen unabdingbar sind, schleicht sich aber immer wieder lästige Routine ein.

Wer gewillt ist, darüber hinwegzusehen, oder ohnehin wenige Problem damit hat, viel zu "grinden", wird bei Offenheit gegenüber teils derbem Humor mit dem Titel sehr gut bedient sein. Allen anderen Fans von Open-World-Action-Games kann man das jüngste Werk von Volition mit leichtem Vorbehalt ebenfalls nahelegen. Wer durchhält, wird mit allerlei originellen und schrägen Momenten belohnt, die man in kaum einem anderen Game finden wird. (Georg Pichler, derStandard.at, 1.9.2013)