Bomberjacken, wie sie in den späten 1950er-Jahren für die U.S. Air Force entwickelt wurden, gibt es heute kaum mehr. Die meisten Designer interpretieren die Jacken neu – wie zum Beispiel der Wiener Designer Petar Petrov in seiner aktuellen Herbstkollektion.

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Vor nicht allzu langer Zeit, als Ästhetik und Weltanschauung in Sachen Mode noch Hand in Hand gingen, wollte man diesem Kleidungsstück nicht unbedingt in einem dunklen Park begegnen: Die Bomberjacke stand bis in die 1990er-Jahre in Verbindung mit Springerstiefeln und Glatze tendenziell für Gefahr.

Sie drückte Bandenzugehörigkeit und politische Ausrichtung aus. Sie war ein Kennzeichen der rechten Skinheads, die vor allem die Militärjacke MA-1 der US-Marke Alpha Industries bevorzugten, weil das Logo eine gewisse Ähnlichkeit mit dem verbotenen Zivilabzeichen der SA aufweist. Damals galt: Zeig mir deine Jacke, und ich sage dir, wer du bist.

Die Geschichte der Nylon-Bomberjacke

Ganz so einfach war das freilich schon damals nicht. Kaum ein Kleidungsstück war popkulturell so heiß umkämpft wie die MA-1, eine Nylon-Bomberjacke, die 1958 für die U.S. Air Force entwickelt wurde, aber schon Anfang der 1960er-Jahre in Subkulturen auftauchte. Die Mods entdeckten die MA-1 neben dem Parka schon früh, innerhalb der Skinheads brach in den 1970er-Jahren ein Streit aus, weil die antirassistischen Gruppierungen die Bomberjacke nicht ihren politischen Gegnern überlassen wollten. Auch sie trugen die klassische MA-1, allerdings mit einem Aufnäher, auf dem ein stilisiertes Männchen ein Hakenkreuz in den Mülleimer wirft.

In den 1980er-Jahren war die Bomberjacke dann endgültig Mainstream und wurde zu Alltagskleidung getragen. Filme wie Jeder Kopf hat seinen Preis (im Original: The Hunter, 1980) zeigten einen coolen Steve McQueen als modernen Kopfgeldjäger, der als Berufskleidung natürlich die MA-1 trägt. Mit gutem Grund schrieb der amerikanische Science-Fiction-Autor William Gibson in einer Hommage an die MA-1, sie sei ein "komplexes ikonografisches Kleidungsstück".

In der Tat: Die Bomberjacke ist eine zeitlose Jugendkultur-Ikone, die jede Generation neu für sich interpretiert. Sie war bereits Funktionskleidung, als es diesen Begriff zumindest im Alltagsgebrauch noch gar nicht gab. Heute, wo jeder zweite Großstädter gekleidet ist, als wolle er gleich zu einer Expedition in die Antarktis aufbrechen oder zumindest einen Fünftausender besteigen, ist es schwer vorstellbar, dass so etwas wie Funktionskleidung eine relativ junge Erfindung ist. Vorher erfüllten Militärklamotten diese Nische.

Für Piloten, Hip-Hopper und moderne StylomatInnen

Die MA-1 ist Qualitätsware, ein ausgeklügeltes Stück Winterkleidung, sie hält bis minus 18 Grad warm und lässt für eine Uniform erstaunlich viel Bewegungsfreiheit. Schließlich wurde das spezielle Nylon einst konstruiert, um Piloten das Leben zu retten. Der geringe Materialwiderstand ermöglichte einen schnellen Ausstieg aus dem Flugzeug. Und auch das orange Innenfutter hatte natürlich eine Funktion: Als Wendejacke sorgte sie bei einem Notfall für Sichtbarkeit, um von Rettungsteams gefunden zu werden.

Ganz verschwunden ist die Bomberjacke eigentlich nie von den Straßen, wenngleich ihre Zeit, als sie politisch für etwas stand, längst vorbei ist. In der Schwulenszene war die MA-1 stets gern getragen, strahlte sie doch zuverlässig toughe Männlichkeit aus, Hip-Hopper zeigten sich gern mit ihr, wenn es darum ging, den Bad Boy zu markieren.

Diesen Sommer aber war die Zeit reif für ein breitenwirksames Comeback in erstaunlich sanfter Form: Die klassischen einfarbigen Bomberjacken waren auf einmal mit knallig-bunten Prints bedeckt, sie bekamen ein freundliches Gesicht, das Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen sollte. Es gab Blumenprint-Modelle von Alexander McQueen oder eine goldfarbene Lederjacke von Louis W., einem Unterlabel von A.P.C.

Rückgrat und Kuhfell

Diesen Winter setzt sich dieser Trend massiv fort, kaum ein Designer, ob aus dem High-Fashion-Segment oder der Streetwear-Fraktion, verzichtet auf Bomberjacken: Das japanische Label Undercover überrascht mit anatomischen Details – auf der Hinterseite sind Rückgratknochen aufgedruckt, Paul Smith verwendet Felle von Kühen, und der deutsche Mode-Querdenker Bernhard Willhelm setzt auf Animalprints in knalligem Gelb. Ein herausragendes Modell legt der koreanische Modemacher Juun.J vor, seine Unisex-Jacke ist nahe am Original, bekommt durch die veränderten Proportionen aber etwas sehr Elegantes.

Die klassischen Formen wurden allerdings oft aufgeweicht, seltsame Hybride sind entstanden, die Elemente vereinen aus Fliegerjacke (eine Lederjacke mit Fellkragen, wie sie Tom Cruise in dem Film Top Gun trägt), Biker-Jacket (wie Hedi Slimane sie gerade für Yves Saint Laurent bevorzugt), Harrington Jacke (mit Stehkragen und karierten Innenfutter), Rennfahrerjacke, wie sie Ryan Gosling in dem Film Drive (2012) präsentierte und sportlichem Varsity-Jacket, das diesen Herbst sogar noch dominanter ist als die Bomberjacke. Bei uns gern als Collegejacke bezeichnet, taucht dieses Kleidungsstück gerade überall auf. Von Kanye West bis Miley Cyrus wird sie von allen Stars getragen. Die coolsten Modelle hat Raf Simons in der aktuellen Kollektion für Fred Perry entworfen.

Fiktive Gangs

So bunt viele der aktuellen Hybrid-Bomberjacken auch sind, auf das gefährliche Image möchte man dennoch nicht verzichten: In den Werbekampagnen werden die Jacken von fiktiven Gangs getragen, die zwar keine gemeinsamen politischen Ziele mehr haben, aber zumindest den gleichen modischen Geschmack teilen.

Das ist fast, als ob man Sehnsucht nach den guten alten Tagen hätte, als man durch Kleidung noch Zugehörigkeit ausdrücken konnte. Bestenfalls ist diese Nostalgie ironisch gebrochen wie beim dänischen Label Wood Wood. In der aktuellen Kollektion gibt es T-Shirts und Sweater – auf denen steht: One Man Gang. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 19.9.2013)

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