Nicht nur der Koch, auch eine gute Küche will ständig gefüttert werden. Sie hat etwas von einem Lebewesen, sie entwickelt sich weiter aus dem, was bereits vorhanden ist. Man kann in ihr auf bereits Gekochtem aufbauen, und Abfälle sind im besten Fall neue Möglichkeiten.

Huhn gebraten? Auf zum Fondkochen aus dem Gerippe, und das Fett eignet sich hervorragend, um Diverses damit zu verfeinern. Schweinsbraten verspeist? Bratlfett harrt seines Einsatzes. Der Parmesan wurde über die letze Pasta gerieben? Zeit, die Rinde in einer Suppe zu verkochen. Und von im Schmorsaft weich gekochtem Knoblauch kann man sowieso nie genug zu Hause haben.

Weil der Sommer stirbt, hier zwei Dinge, die mit seinen Überresten angefangen werden können. Zugegeben, bei beiden müssen Sie schnell sein, um das noch heuer hinzubekommen. Für vergangenen Sonntag ist es sich leider nicht ausgegangen. Erstens waren Wahlen und daher nicht viel Platz. Und zweitens wurde mir meine Kamera gestohlen, und Ersatz fehlt derzeit noch. Deshalb Dank an Freundin N. für die spontane Hilfeleistung.

Foto: Tobias Müller

Maismüllsuppe

Begonnen hat meine Liebe zum Maismüll, als ich einmal den Grillabfall meiner Gäste verkocht habe. Nach einem Grillabend habe ich die Küche aufgeräumt und mich einem Haufen geräucherter Maisblätter, abgenagter Kolben, Schweinsripperl und zurückgelassener, weil zu scharfer gegrillter Paprika gegenübergesehen. Die perfekte Fondbasis, habe ich mir gedacht und das Ganze statt in den Müll in den Kochtopf gekippt und mit Wasser bedeckt. Am nächsten Tag habe ich daraus eine rauchig-scharfe Maissuppe gekocht und mit fermentiertem Paprika serviert. Es war köstlich.

Maisblätter sind an diversen Orten eine beliebte Würze. Sie sind von der Konsistenz her nicht so interessant wie die Körner, geschmacklich stehen sie ihnen aber um nicht so viel nach. Enrique Olvera, der sich mit Mais wirklich auskennt, paart die getrockneten Maisfäden (Maishaare?) mit Kakaoblüten für köstliche Infusionen, die Blätter äschert er ein und verwendet sie zum Würzen.

Besonders gut verarbeiten lässt sich Blatt- und Fadenwerk um den Mais, wenn dieser zuvor geräuchert wurde. Der herbe Rauchgeschmack passt ganz wunderbar zu den ohnehin herbstlichen Noten. Das kann man sich zunutze machen und einen Fond aus ihnen kochen – auch ganz ohne auf angenagten Müll zurückgreifen zu müssen.

Schlagen Sie die Blätter vom Kolben zurück, ohne sie abzureißen. Weichen Sie die entblößten Kolben anschließend etwa eine halbe Stunde in Wasser ein, damit sie sich ordentlich ansaufen. Währenddessen heizen Sie den Grill auf etwa 150 bis 200 Grad vor. Packen Sie die Kolben wieder in ihre Blätter und werfen Sie sie nass auf die Seite des Rosts, unter der keine Kohlen liegen – ganz so wie bei einem Barbecue. Räuchern Sie sie nun für etwa eineinhalb Stunden, bis die Körner schön weich sind.

Foto: Tobias Müller

Genießen Sie den Mais so, wie er ist (etwa als Brei – dazu passen hervorragend Salzgurke und deren Gärwasser!), und heben Sie die Blätter und die entkernten Kolben auf. Nach dem Essen, wenn Sie wieder Lust zu kochen haben, bedecken Sie den Abfall mit kaltem Wasser, bringen das Ganze zum Kochen und lassen es schließlich wie einen Tee ziehen. Wer noch ein paar Chilis übrig hat, schmeißt sie ebenfalls dazu. Der dunkelbraune Fond, den Sie hier gewinnen, ist ähnlich vielseitig wie das Artischockenöl. Besonders gut eignet er sich als Basis für Maissuppe, aber auch Kürbis und andere Herbstgemüse lassen sich wunderbar darin schmoren.

Foto: Tobias Müller

Grüne Tomaten, gut abgelegen

Der Herbst kommt, die Tomate geht. Weil das Wiener Wetter im Allgemeinen und mein schattiger Garten im Besonderen nicht gerade tomatenfreundlich sind, habe ich den Anbau vor zwei Jahren aufgegeben, Freundin T. zieht aber auf ihrem Balkon leidenschaftlich Cocktailtomaten. Dessen habe ich mich erinnert, als ich vor einigen Tagen über diesen Artikel gestolpert bin.

Foto: Tobias Müller

Ich fand das irrsinnig aufregend. Denn was ich an der Tomate immer schon am meisten geschätzt habe, ist der betörende Duft, den die Pflanze verströmt, wenn man ihre gar nicht so feinen Härchen knickt oder ihre Blätter presst. Der Gedanke, diesen Duft zu verkochen, hat mich begeistert – umso ernüchternder war der Versuch.

Freundin T. hat mich bereitwillig ihre Balkonpflanze zerstückeln lassen. Ich habe die Blätter zu Pesto verarbeitet, eine Infusion aus ihnen gemacht, sie reduziert und Sauce damit gewürzt – nichts davon hat mich überzeugt. Zu heiß gemacht, verlieren sie schnell ihren Geschmack beziehungsweise erinnern nur mehr an Spinat, roh schmecken sie eher grün als so herrlich komplex, wie sie riechen. Das heißt aber nicht, dass die halbtote Pflanze komplett nutzlos ist.

Die grünen Tomaten lassen sich ziemlich gut milchsauer vergären. Einfach die nicht mehr gereiften Früchte mit einer aufgeschnittenen Chilischote und ein, zwei Knoblauchzehen in Salzwasser (50 Gramm pro Liter) versenken und ein paar Tage stehen und gären lassen. Mit etwas Geduld bekommen Sie ein sauer-bitter-scharfes eingelegtes Gemüse, das äußerst erfrischend schmeckt.

Foto: Tobias Müller

Wer keinen Gärtopf hat: Packen Sie einfach ein Plastiksackerl oben in das Gärglas und füllen es mit Wasser. Das drückt das Gemüse in die Gärflüssigkeit, hält Sauerstoff von der Oberfläche fern und lässt gleichzeitig CO2 entweichen. (Tobias Müller, derStandard.at, 3.10.2013)