Beim Europäischen Krebskongress standen neue Krebstherapien im Vordergrund, etwa auch gegen akute myeloische Leukämie (im Bild der Knochenmarksausstrich eines Patienten).

Foto: DKFZ/krämer

Etwa ein Siebentel aller Todesfälle ist auf Krebs zurückzuführen. Experten gehen davon aus, dass sich die Krankheitsbelastung durch Krebs in den letzten 25 Jahren verdoppelt hat und sich bis 2030 noch einmal verdoppeln wird. Beim diesjährigen Europäischen Krebskongress ECC 2013 in Amsterdam standen vor allem Prävention und neue Therapieansätze im Mittelpunkt.

Aspirin gegen Dickdarmkrebs

Etwa für Dickdarmkrebs-Patienten: Dass der Aspirin-Wirkstoff Acetysalicylsäure ASS die Häufigkeit des Auftretens von kolorektalen Karzinomen (Dickdarmkrebs) bei Risikopersonen reduziert, ist altbekannt. Neu ist allerdings, dass 80 Milligramm pro Tag - eine Dosierung, die auch in der Herzinfarktprävention verwendet wird - die Sterblichkeit halbiert

Der Effekt stellt sich allerdings nur bei Patienten ein, bei denen die Tumore bestimmte Proteine an der Oberfläche ihrer Zellen aufweisen (HLA Class I-Proteine). Wahrscheinlich hemmt ASS die Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen), so Marlies Reimers von der MedUni Leiden.

Antikörper gegen Lungenkrebs bei Rauchern

Französische Forscher zeigten, dass das neue Antikörper-Krebsmedikament "MPDL3280A" speziell rauchenden Lungenkrebs-Patienten hilft. Der monoklonale Antikörper, welcher zu einer stärkeren Immunantwort gegen den Tumor führen soll, zeigte bei 26 Prozent der Studienteilnehmer eine Wirkung, bei denen offenbar Rauchen die Ursache für die Erkrankung war. Bei Nichtrauchern lag der Anteil der Probanden, bei denen es zu einer Besserung des Zustandes kam, nur bei zehn Prozent.

Strahlentherapie gegen Gehirntumor

Bisher waren die Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit dem gefährlichsten Gehirntumor, dem Glioblastom, sehr beschränkt - das könnte sich jetzt ändern. In einer in Deutschland, Österreich und Russland durchgeführten Studie wurde eine Strahlentherapie mit der Verabreichung des Biotech-Fusionsproteins "AGP101" kombiniert, welches durch die Blockade des CD95-Signalweges in den bösartigen Zellen das Tumorwachstum bremsen soll.

Nach zwei Jahren waren bei den mit der Therapie Behandelten noch 22 Prozent am Leben, in einer Vergleichsgruppe ohne diese Behandlungsform nur sieben Prozent. Das ergab eine Studie mit APG101 unter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

Lymphknoten-Bestrahlung gegen Brustkrebs

Auch Brustkrebs - die häufigste Krebsform - wurde am Kongress thematisiert. In den vergangenen Jahren wurde die operative Entfernung der Lymphknoten bei Brustkrebs immer weiter eingeschränkt, da die Eingriffe das Leben der Frauen nicht verlängerten. "Indirekte Hinweise ließen uns aber vermuten, dass eine Bestrahlung der Lymphknotenstationen für bestimmte Patientinnengruppen Überlebensvorteile bringt", sagt Wilfried Budach von der Uni-Klinik Düsseldorf.

Die lang erwarteten Ergebnisse einer europaweiten Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer mit mehr als 4.000 Patientinnen und 43 beteiligten Zentren scheinen dies nun zu bestätigen: Danach führt die zusätzliche Bestrahlung zu einem statistisch signifikanten besseren Gesamtüberleben, so der Experte.

99 Prozent der Patientinnen mit einem Lymphknotenbefall und 66 Prozent der Patientinnen ohne einen solchen Befund erhielten zusätzlich eine Chemo- oder Hormontherapie. Deren Ziel ist es, vom Tumor gestreute Mikrometastasen im ganzen Körper zu zerstören. Die Hälfte der Frauen erhielt eine zusätzliche Bestrahlung der Lymphabflussregion oberhalb des Schlüsselbeins und neben dem Brustbein, die andere Hälfte bekam keine Bestrahlung der Lymphabflusswege.

Patientinnen, die eine Chemotherapie benötigten und zusätzlich eine Hormontherapie erhalten hatten, profitierten am stärksten von der Lymphabflussbestrahlung. Da der prozentuelle Unterschied der Gesamtüberlebensrate nach zehn Jahren aber trotzdem relativ gering ist, wollen die Wissenschafter jetzt Kriterien aufstellen, um diese Therapie nur jenen Betroffenen zu raten, die den größten Nutzen einer Bestrahlung haben.

Stammzellentherapie gegen Leukämie

Der Verlust, das Austauschen oder Vervielfältigungen ganzer Chromosomen oder von Chromosomenteilen kommt bei Blutkrebs, zum Beispiel bei der akuten myeloischen Leukämie (AML), häufig vor. Je genetisch verschiedener die bösartigen Zellen sind, desto eher kommt es zur Resistenz gegen die Chemotherapie. Das haben Wissenschafter des DKFZ nachgewiesen.

Die Forscher untersuchten bei mehr als 2.600 AML-Patienten den Karyotyp - also die Chromosomeneigenschaften - der Krebszellen. Bei etwa der Hälfte der Erkrankungen wiesen die Forscher Chromosomenanomalien nach. Bei rund einem Drittel davon fanden sie verschiedene Tochterklone, die sich anhand ihrer Chromosomendefekte unterschieden.

Durch das Ausbilden von Tochterklonen erweitern Tumore ihr genetisches Spektrum und steigern damit die Möglichkeit einer Resistenz gegen Chemotherapien. Patienten mit besonders vielen verschiedenen Tochterklonen haben eine besonders schlechte Prognose. "Gerade diese Patienten profitieren von einer Stammzell-Transplantation", erklären die DKFZ-Wissenschafter. Dieser Behandlung, die auf immunologischen Mechanismen beruht, scheinen Leukämiezellen nicht so leicht durch genetische Diversifizierung entgehen zu können wie einer Chemotherapie. (APA/red, derStandard.at, 3.10.2013)