Cluster-Kopfschmerz kann auf Schläfen und Augen ausstrahlen und extrem schmerzhaft sein.

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Chronische Schmerzen im Mund- und Gesichtsbereich ("orofaziale Schmerzen") sind ein weithin unterschätztes Gesundheitsproblem: Sieben Prozent der Bevölkerung leiden mehr als drei Monate darunter. Weil orofaziale Schmerzen zwar weit verbreitet sind, ihre Diagnose und Behandlung aber oft schwierig ist, hat die Europäische Schmerzgesellschaft EFIC das nun beginnende "European Year Against Pain 2013-2014" der Europa-weiten Information zu diesem Thema gewidmet.

Breite Palette von Krankheiten

"Der Begriff orofazialer Schmerz deckt eine breite Palette von zum Teil extrem belastenden Schmerzformen ab, die im Bereich des Gesichtes, des Kiefergelenks, der Kaumuskulatur, des Mundes, des Kopfes und des Nackens zu spüren sind", sagt Christian Lampl, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft und Experte am KH Barmherzige Schwestern Linz. Dazu zählen zum Beispiel die Trigeminusneuralgie, der atypische Gesichtsschmerz, das Mundbrennen oder der Clusterkopfschmerz.

"In vielen Fällen wird unbehandelter Akutschmerz, zum Beispiel Zahnweh, zum chronischen Schmerz und verselbständigt sich. Damit kann er zu einem Problem werden, dem schmerzmedizinisch schwer beizukommen ist, weil sich bereits ein Schmerzgedächtnis entwickelt hat, das das Schmerzempfinden ungünstig beeinflusst", so Lampl. 

Trigemniusneuralgie, Cluster-Kopfschmerz...

Bei der Trigeminusneuralgie etwa kommt es zu blitzartig einschießenden Beschwerden auf einer Seite des Gesichts oder Mundes. Die Schmerzattacken dauern meistens nur wenige Minuten oder sogar Sekunden,  können extrem schmerzhaft sein und sich täglich viele Male wiederholen. Ursache ist häufig eine Arterie, die auf den Gesichtsnerv (N. trigeminalis) bei seinem Eintrittsbereich in den Hirnstamm drückt. Auslöser sind meistens externe Reize, wie sie beim Sprechen, Rasieren, Zähneputzen, Essen oder bei kaltem Wind  kaum vermeidbar sind. Behandelt wird mit Medikamenten gegen Nervenschmerzen wie Carbamazepin oder Pregabalin, wenn nötig auch mit neurochirurgischen Eingriffen.

Der Cluster-Kopfschmerz ist eine primäre Kopfschmerzerkrankung, die sich durch streng einseitige und in Attacken auftretende extremste Schmerzen im Bereich von Schläfen und Augen äußert. "Cluster" bezieht sich auf die Eigenart, periodisch stark gehäuft aufzutreten, während sich dann beschwerdefreie Intervalle anschließen können. Typisch sind gerötete Augen und eine rinnende Nase. Besonders häufig betroffen sind junge Menschen, insbesondere Männer. Bei anderen primären Kopfschmerz-Formen wie Migräne oder Spannungskopfschmerz kann der Hauptschmerz statt im Kopf im Kiefer- und Gesichtsbereich auftreten, was die Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern erschweren kann.

... atypischer Gesichtsschmerz, Mundbrennen

Der atypische Gesichtsschmerz (anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz) ist üblicherweise ein dumpfer, oft brennender und ziehender Dauerschmerz von schwankender Intensität im Bereich des Gesichts und Mundes. Er kann einen Teil des Gesichts ebenso betreffen wie das gesamte. Stress und Müdigkeit können die Schmerzen verstärken. Atypischer Gesichtsschmerz tritt häufig in Kombination mit dem Reizdarmsyndrom, Rückenschmerz oder anderen verbreiteten Schmerzformen auf. "Herkömmliche Schmerzmedikamente sind nicht ausreichend wirksam, erforderlich sind häufig Antidepressiva und Antikonvulsiva, die in der Lage sind, die Schmerzreaktion zu modifizieren", sagt Lampl.

Ein weiteres Beispiel für orofazialen Schmerz ist das Mundbrennen, von dem jeder Hundertste betroffen ist. Mundbrennen wurde lange Zeit als rein psychisch begründet aufgefasst, doch zeigen neue Forschungsergebnisse, dass verschiedene Dysfunktionen inklusive Nervenschäden dabei eine wichtige Rolle spielen können.

Interdisziplinäre Abklärung nötig

Viele Formen des orofazialen Schmerzes bedürfen einer interdisziplinären Abklärung, die das biopsychosoziale Krankheitskonzept berücksichtigt, bevor therapeutische Schritte gesetzt werden. Realistisches Behandlungsziel bei orofazialem Schmerz sei laut Lampl mitunter nicht vollständige Beschwerdefreiheit, sondern die Stabilisierung der Alltagssituation mit dem chronischen Schmerz. (red, derStandard.at, 10.10.2013)