Nicht nur, was Empfindung und Bewältigung von Schmerzen betrifft, auch bei der Wirkung von Schmerztherapien unterscheiden sich Frauen und Männer deutlich. Auf dem Kongress der Europäischen Schmerzföderation EFIC in Florenz zeigten eine Reihe von Studien Gender-Unterschiede in Sachen Schmerz auf.

Frauen mit Rückenschmerzen leiden häufiger unter Depressionen als männliche Rückenschmerzpatienten zeigt beispielsweise eine Studie aus Bochum. Ein Grund dafür könnte bei den Strategien zur Verarbeitung von Emotionen liegen. "Wir haben einen starken Zusammenhang zwischen Verdrängung von negativen Gedanken oder Gefühlen, Stress und dem Ausmaß von Depressionen bei chronischem Rückenschmerz festgestellt", so Studienleiterin Monika Hasenbring von der Ruhr-Universität Bochum. "Dass Frauen stärker zum Verdrängen neigen, könnte in Verbindung mit Stress dazu beitragen, warum bei ihnen Rückenschmerzen häufiger von Depressionen begleitet sind."

Untersucht hatte das Bochumer Forschungsteam insgesamt 177 Patienten, die unter subakuten Kreuzschmerzen litten, also an Schmerzen von einer Dauer zwischen sechs Wochen und drei Monaten. Mit standardisierten Fragebögen wurden Depressionssymptome, Verdrängungsbereitschaft, und Stressbelastung erhoben und die Ergebnisse korreliert. Frauen mit hoher Tendenz zur Verdrängung und hohem Stress zeigten besonders hohe Depressionswerte, bei Männern bestätigte sich ein solcher Zusammenhang nicht.

Schlafqualität und Schlafmenge

Zu wenig Schlaf wirkt sich bei Frauen auf das Schmerzempfinden aus, nicht so bei Männern - zu diesem Ergebnis kommt eine norwegische Studie. "Beeinträchtigte Schlafqualität und zu wenig Schlaf werden für eine verstärkte Schmerzwahrnehmung und erhöhte Schmerzempfindlichkeit verantwortlich gemacht", sagt Maria Andersen vom National Institute of Occupational Health in Oslo.

Insgesamt 22 Probanden, 14 davon Frauen, wurden nach jeweils zwei Nächten mit normalem Schlaf, sowie nach zwei Nächten mit einem auf die Hälfte reduzierten Schlaf einem experimentellen Schmerzreiz ausgesetzt. Frauen empfanden Schmerzen nach dem Schlafentzug stärker als Männer, das System der körpereigenen Schmerzhemmung war in höherem Maß gefordert. Bei Männern war bezüglich Schmerzhemmung und Schmerzempfinden kein Unterschied festzustellen. 

Psychiatrische Begleiterscheinungen

Dass weibliche Patienten einer spezialisierten Schmerzklinik nicht nur stärkere Schmerzen und eine geringere Schmerzschwelle haben, sondern auch häufiger psychiatrische Begleiterscheinungen, zeigt eine Studie aus Pisa. Nur ein Fünftel der 855 in die Studie eingeschlossenen Schmerzpatienten wiesen keine psychiatrische Begleiterscheinung auf, die Männer waren in dieser Gruppe in der Mehrzahl.  Bei knapp 30 Prozent der Patienten wurde eine Depression festgestellt, fast drei Viertel (71,54 Prozent) davon waren Frauen.

"Bei Frauen zeigte sich auch eine Korrelation zwischen erhöhter Schmerzempfindlichkeit und Panikattacken, Angststörungen oder psychosomatischen Erkrankungen", sagt Studienautorin Antonella Ciaramella, von der Universität Pisa. "Unsere Daten weisen darauf hin, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung mit der unterschiedlichen Häufigkeit zu tun haben, mit der psychiatrische Begleiterscheinungen bei den Geschlechtern auftreten."

Erhöhte Lärmempfindlichkeit

Frauen mit chronischen Schmerzen sind lärmempfindlicher als ihre männlichen Leidensgenossen. Das gilt für alltägliche Geräusche aus der Umwelt genauso wie für andere akustische Quellen - das wiederum zeigt eine aktuelle Studie der kanadischen Simon Fraser University. Diese Einsichten müssten auch beim Einsatz von Musik in der Therapie chronischer Schmerzen berücksichtigt werden, sagte Studienautor Mehdi Nazemi.

In der Untersuchung wurde die Geräusch-Sensibilität von insgesamt 41 Versuchspersonen gemessen, 23 von ihnen waren chronische Schmerzpatienten. "Die Personen mit chronischen Schmerzen wiesen eine höhere Lärmempfindlichkeit auf als die Kontrollgruppe. Bei Frauen mit Schmerzen war dieser Effekt deutlich stärker.", berichtet Nazemi. Schmerzpatienten sollten über die möglichen negativen Auswirkungen von Lärm auf ihre Beschwerden aufgeklärt werden, so der Experte.

Dass auch Therapien gegen Schmerzen bei den Geschlechtern unterschiedlich greifen können, zeigte eine Forschergruppe aus Israel am Beispiel der Transkraniellen Magnetstimulation, ein Verfahren, bei dem Gehirnareale mit Magnetfeldern stimuliert oder gehemmt werden. Nur bei den weiblichen Studienteilnehmern zeigte sich nach einem experimentellen Schmerzstimulus eine Schmerzreduktion, unabhängig von psychologischen Faktoren, berichtete Studienautorin Irit Weissmann Fogel von der Universität Haifa. (red, derStandard.at, 14.10.2013)