Klaus Eck: "Es geht darum, den Kunden Inhalte anzubieten, die man sich gerne anschaut."

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Der PR-Blogger warnt, Abteilungen für sich arbeiten zu lassen, "dadurch entstehen Content-Silos."

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Content-Marketing ist derzeit in aller Munde. Immer mehr Unternehmen wollen die "neue" Wunderwaffe zur Kundenbindung anwenden, als Vorbild gilt Red Bull. Das Unternehmen zeige vor, dass Unternehmen dadurch zu Medienunternehmen werden, erklärt Klaus Eck, Content-Marketing-Profi und Betreiber des bekannten Blog PR-Blogger, im Interview mit derStandard.at.

Ohne Bereitschaft zur Umstrukturierung gehe es nicht, sonst "entstehen sogenannte Content-Silos, die dazu führen, dass das Wissen intern abgeschottet ist und nicht genutzt werden kann", sagt Eck. Er warnt aber auch, "dass der Begriff Content-Marketing falsche Erwartungshaltungen weckt". Verlagen rät er, stärker auf Events zu setzen. Am Donnerstag hält Eck beim "Smart Content Day" in Wien die Keynote.

derStandard.at: Die Werbewirtschaft erlebt einen Wandel. Budgets werden verlagert, neue Messmethoden gefordert. Welche Position nimmt Content-Marketing auf diesem Spielfeld ein?

Eck: Die Verlagerung von Budgets läuft schon zehn Jahre oder länger. Bisherige Werbemethoden sind immer weniger zielführend und davon profitiert unter anderem der Bereich Content-Marketing. Es hat in der Vergangenheit schon mehrere Versuche gegeben, eine Redaktion in den Unternehmen aufzubauen, damals nannte man das noch Content-Management. Doch als die Unternehmen merkten, dass das relativ teuer ist, entschieden sie sich doch dagegen. Jetzt ist aber anscheinend die Zeit reif, weil ich ganz andere digitale Reichweiten habe.

derStandard.at: Gibt es 2013 also ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Eck: Der erste Schritt ist nicht kostengünstiger, weil ich viele Ressourcen brauche. Ich brauche ein Budget für die Redaktion und für die Distribution der Inhalte. Beim Content-Marketing muss ich strategisch vorgehen und genau die Inhalte liefern, die relevant sind für meine jeweiligen Kunden, um sie dadurch an mich zu binden oder zum Kauf zu bringen. Nur die wenigsten Unternehmen haben derzeit eine abteilungsübergreifende Strategie. Denn es ist definitiv noch kein Content-Marketing, wenn ich einen Kanal eröffne.

derStandard.at: Neue Strategien gehen oft mit Umstrukturierungen im Unternehmen einher.

Eck: Wenn sie nachfragen, wer im großen Konzern die Redaktion macht, dann sind wir bei den klassischen Webredaktionen: Corporate Publishing, Social Media, Dokumentenmanagement. Aber das ist nicht das was man braucht. Man muss neu denken und das Personal neu verankern. Man braucht zumindest eine Person, die für die Content-Strategie verantwortlich ist, die dafür sorgt, dass die Inhalte nicht verloren gehen. Bisher ist es leider so, dass alle Abteilungen für sich arbeiten, eigene Facebook-Auftritte haben, eigene Blogs betreiben und keinen Zugang zu den anderen Abteilungen haben. Dadurch entstehen sogenannte Content-Silos, die dazu führen, dass das Wissen intern abgeschottet ist und nicht genutzt werden kann.

derStandard.at: Ist es klüger, sich eine eigene Abteilung einzurichten oder das Content-Marketing auszulagern?

Eck: Die Empfehlung wäre ganz klar, dass das möglichst nah an den eigenen Mitarbeitern dran sein soll, weil die ihre Marke am besten kennen. Vor allem hat man aus Datenschutzgründen als interner Mitarbeiter viel mehr Zugriff auf Informationen. Erfolgreich bin ich erst dann, wenn ich eine Struktur habe, die dazu führt, dass ich meine Positionierung auf allen Kanälen unterstütze und erfolgreich mehr verkaufe. Diese große Aufgabe ist nicht von heute auf morgen zu lösen. In letzter Konsequenz, das machen Unternehmen wie Red Bull vor, werden die Unternehmen dadurch zu Medienunternehmen.

derStandard.at: Das Content-Management, das Red Bull vorzeigt, hat aber kaum mit dem Informationsfluss im Unternehmen zu tun. Ist es ratsam, sich unternehmensnahe Bereiche zu suchen, wo man mehr Content rausholen kann oder soll man beim Content-Marketing im Unternehmen bleiben?

Eck: Da muss man zwischen B2B- und B2C-Unternehmen unterscheiden. Wenn man nur eine Brause hat, die von einer Marketing-Maschinerie profitiert, dann wurde die früher durch Werbung stark aufgeladen und jetzt wird sie durch Content aufgeladen. Wenn wir uns eine aktuelle Entwicklung aus den USA anschauen: Unternehmen wie Amazon kaufen sich derzeit ganze Medien, sowohl im Printbereich wie auch im Fernsehbereich. Amazon will in Zukunft Serien produzieren und komplette Programme bespielen. Das ist eine Image-Kampagne auf inhaltlichem Niveau, was man sicherlich als Content-Marketing im weitesten Sinne fassen könnte. Es geht darum, den Kunden Inhalte anzubieten, die man sich gerne anschaut. Die dürfen inhaltlich werblich sein, indem sie imageunterstützend sind, aber eben nicht platte Werbung, wie man das von früher kennt.

derStandard.at: Amazon investiert auch in automatisierte Werbehandelsplattformen für "platte" Onlinewerbung. Es ist also keine Abkehr, sondern eine Ergänzung.

Eck: Ich habe nicht gesagt, dass Werbung komplett weg ist. Die Werbetreibenden entdecken heute Content-Marketing als neue Strategie für sich, weil PR, Marketing und Kundenservice Einfluss aufeinander haben. Zur idealen Koordination brauche ich einen gemeinsamen Content-Pool, um schnell und adäquat Antworten geben zu können und auf selbst produzierte Artikel zu verweisen. Das erfordert in vielen Bereichen Verlags-Know-How.

derStandard.at: Bis jetzt ist Onlinewerbung vor allem im Abverkauf erfolgreich, im Branding-Bereich fehlt bisher das Vertrauen der Kunden. Könnte Content-Marketing ein wirksames Mittel sein, um Branding auch Online voranzutreiben?

Eck: Man kann innerhalb von Content-Marketing kampagnenähnliche Dinge machen, indem man Themen auf die Agenda setzt, Newsjacking betreibt und auf aktuelle Entwicklungen reagiert. Aber Content-Marketing ist eher eine Unternehmensstrategie.

derStandard.at: Aber es hat schon mit Branding zu tun, wenn die Marke so stark in den Vordergrund gerückt wird.

Eck: Es stimmt, es ist eine Art Branding. Wir nennen es Reputation, weil Branding von den Unternehmen oft missverstanden wird. Nicht jeder kann einen Mann vom Himmel fallen lassen, wie das bei Red Bull funktioniert hat, und das ist nur eine Maßnahme von vielen.

derStandard.at: Kann Content-Marketing von Big Data profitieren?

Eck: Im weitesten Sinne ja, aber nur die wenigsten Unternehmen können das. Je mehr Informationen ich über meine Kunden habe und über ihre Interessen Bescheid weiß, desto besser kann ich zielgerichtet spezifische Inhalte ausspielen. Das sollte ich auf jeden Fall in meiner Analyse nutzen und ein gutes Webcontrolling und Social-Media-Monitoring durchführen.

derStandard.at: Sie selbst bieten Content-Marketing als Dienstleistung an. Ist es schwierig, Unternehmen von der Notwendigkeit einer neuen Strategie zu überzeugen?

Eck: Das Thema ist jetzt ein Hype und wird rauf und runter diskutiert. Unser Problem ist eher, dass der Begriff Content-Marketing falsche Erwartungshaltungen weckt. In unserem Alltag geht es darum, die Strategie zu implementieren und da vergehen oft einige Jahre, bis es komplett vom Unternehmen angenommen und realisiert wird. Weil es mit Change zu tun hat, weil wir Akteure brauchen, die den Content aus dem Unternehmen selbst rausspielen können.

derStandard.at: Wie kann ein Medienunternehmen Content-Marketing betreiben?

Eck: Das Problem bei klassischen Zeitungen und Verlagen ist, dass die Trennung zwischen Distribution und Content-Produktion sehr groß ist. Sie sind in der Regel als Journalistin nicht unbedingt bereit, die Aufgabe von anderen Bereichen des Verlags zu übernehmen, weil sie das nicht bezahlt bekommen oder ursprünglich aus anderen Gründen Ihren Job angenommen haben. Das schafft Strukturen, bei denen es davon abhängt, welche Personen im Unternehmen arbeiten. Bei der "Süddeutschen Zeitung" gibt es zahlreiche Redakteure, die sehr eloquent Events moderieren und damit für ihre Medienmarke stehen. Verlage müssen viel stärker hinausgehen, viel stärker Events machen, um die Marke auf allen Ebenen sichtbar zu machen, online wie offline.

derStandard.at: Dann ist Content-Marketing kein digitaler Trend, sondern zieht sich durch alle Bereiche.

Eck: Es gab früher mal den alten Begriff Cross-Media-Publishing, der das ausdrückte. Das heißt, ich habe eine Quelle (Single Source) und muss mir dann überlegen, wie ich den Content weiterentwickle und weiterveredle, um ihn auf verschiedenen Kanälen nutzen zu können.

derStandard.at: Lassen Sie uns kurz Bullshit-Bingo spielen. Was ist Ihr liebstes Content-Marketing-Fachwort, das Sie einbringen würden?

Eck: Content-Marketing ist das erste Bullshit-Bingo-Wort. Ich habe gelacht, als ich das zum ersten Mal gelesen habe und gemerkt habe, wie groß das wurde. Sprache ist relativ verräterisch. Es gibt derzeit viele, die sich Content-Strategie-Berater nennen, aber im längeren Gespräch nur an der Oberfläche bleiben. Wir haben selbst ein neues Wort erfunden, um uns vor solchen Sachen zu schützen. Wir hören sehr oft, dass wir diesen oder jenen Social-Media-Kanal bedienen sollen. Aber wir sind nicht darauf angewiesen zu sagen, dass jeder Kanal für jedes Unternehmen funktioniert. Da sagen wir inzwischen: "Wir sind keine Kanalarbeiter. Wir machen so was nicht." Es ist ein Versuch zur deutschen Sprache zurück zu gelangen und das Gespräch auf die tatsächlichen Probleme runterzubringen. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 16.10.2013)