Josef Kirchengast

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Schwerpunktausgabe
25 Jahre STANDARD

Rund ein Jahr nach Erscheinen des ersten STANDARD fiel die Berliner Mauer. In diesem Jahr wurde Weltgeschichte geschrieben. Und wir im außenpolitischen Ressort schrieben mit, so gut wir konnten. Eine frischg'fangte Truppe von wenigen Ganz- und vielen Fastprofis.

Für einige war die Redaktionskonferenz ein gesellschaftliches Ereignis zum Austausch der neuesten, zeithistorisch freilich weniger relevanten Neuigkeiten. Für andere hatte die Weltgeschichte einen großen Haken: den Schweinehaken. So nämlich hieß im Fachjargon der Computerbefehl des Redaktionssystems, der dafür sorgte, dass Haupt- und Untertitel durch einen feinen Strich getrennt wurden und überhaupt ein lesbarer Artikel zustande kam.

War dieses zentrale Problem erst einmal beherrscht, konnten wir uns banaleren Dingen widmen - dem Zusammenbruch des Kommunismus etwa. Da gab es persönliche Erlebnisse, deren volle Tragweite einem erst im Nachhinein bewusst wurde. Etwa ein Händedruck mit Polens erstem postkommunistischem Regierungschef Tadeusz Mazowiecki am 24. August 1989, dem Tag seines Amtsantritts, in Warschau.

Es gab auch andere Geschichten, solche mit symbolischem Schweinehaken. Als nach dem Zerfall Jugoslawiens ein Mitarbeiter auf dem Balkan herausfand, der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic drohe dem Westen mit dem Einsatz von Atomwaffen, hatten wir einen echten Scoop (=Exklusivstory). Bedauerlicherweise war die Quelle nur zu 99,9 Prozent seriös. Dafür trug der Autor einen imponierenden Namen: Branimir Baron Brlevic. In der Stadt Herzmanovsky-Orlandos ist man für so was empfänglich.

Diesfalls zwar gottlob ohne Eintreten des Ernstfalls, aber doch, ging die Geschichte weiter. Unbeeindruckt von Francis Fukuyama, der 1992 ihr Ende feststellte. Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden, heißt es. Wir Steirer, deren Blut auch in 25 Wiener Jahren nicht zu Himbeergelee eindickt, sagen dazu: Das ist beim Machen so word' n. In Würdigung der Akteure wie des Schweinehaken-Faktors (auch Zufall genannt) gilt das für die Weltgeschichte wie für den STANDARD. Anders gesagt: Mit einer Fortsetzung ist zu rechnen. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 19./20.10.2013)