Essen - Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichten in der Fachzeitschrift "Journal of the American Medical Association" (JAMA), dass sie mit Oxytocin die Wirkung eines Scheinmedikaments (Placebo) verstärken konnten, von dem die Versuchsteilnehmer Schmerzlinderung erwarteten.

"Oxytocin verstärkt die Bindung zwischen Paaren sowie das Mitgefühl und das Vertrauen in andere Menschen, wahrscheinlich auch in den behandelnden Arzt", meint Studienleiterin Ulrike Bingel. "Unsere Untersuchungen sind möglicherweise der erste Schritt zu einer gezielten, auch pharmakologischen Verstärkung von nützlichen Placebo-Effekten zum Wohle des Patienten im klinischen Alltag“, ergänzt die Neurologin.

Größeres Vertrauen mit Oxytocin

An der experimentelle Versuchsanordnung, nahmen 80 männliche Probanden teil, die nach dem Zufallsprinzip mittels Nasenspray entweder Oxytocin oder eine unwirksame Salzlösung verabreicht bekamen. Anschließend tupfte ein Arzt den Probanden an zwei Stellen zwei gleichermaßen unwirksame Salben auf den Unterarm. Dazu erklärte der Arzt allerdings, dass sich an der einen Stelle ein schmerzlinderndes Mittel befände und lediglich an der anderen eine unwirksame Kontrollsalbe.

Als die Forscher schließlich die beiden Stellen mit Hitze reizten, stuften die Probanden den Schmerz an jener Stelle als geringer ein, an der man die angeblich schmerzlindernde Salbe aufgetragen hatte (49 gegenüber 59 von 100 Punkten auf der Visuellen Analogskala VAS). Die Reduktion des Schmerzes durch den Placebo-Effekt fiel unter Oxytocin (12 Punkte) signifikant stärker aus als bei dem Nasenspray mit der Salzlösung (7 Punkte). Mit weiteren Kontrollversuchen konnten die Forscher ausschließen, dass das Hormon Oxytocin selbst eine schmerzlindernde Wirkung entfaltete.

Placebo-Effekt verstärken

"Soweit wir wissen, liefert diese Studie den ersten experimentellen Beweis, dass die Placebo-Reaktion durch die Anwendung von Oxytocin pharmakologisch verstärkt werden kann", schreiben die Wissenschaftler in ihrem Fachartikel. Solch eine verstärkende Wirkung könne den Forschern zufolge genutzt werden, um eine echte pharmakologische oder andere spezifische Behandlungen mit Placebos zu unterstützen.

"Das 'Treuehormon' hat möglicherweise die Glaubwürdigkeit des Arztes verstärkt", interpretiert Bingel das Ergebnis der Studie. Zusätzlich hätten aber vielleicht auch stress- und angstlösende Eigenschaften des Oxytocins entsprechende Wirkung gehabt. Für die Neurologin ist die Studie ein weiterer Schritt in Richtung einer rationalen und effektiven Nutzung des Placebo-Effekts in der klinischen Praxis: "Placebo-Effekte sind eine erstrebenswerte Unterstützung medizinisch-therapeutischer Maßnahmen, die es zum Nutzen der Patienten zu maximieren gilt."

Diese in der Studie gewonnenen Befunde wollen die Wissenschaftler nun an einer größeren Anzahl von Patienten erforschen und weitere Einflussfaktoren wie das Geschlecht und das Arzt-Patienten-Verhältnis prüfen. (red, derStandard.at, 23.10.2013)