Wien - Tobias G. Natter habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht - und sie tue ihm sehr leid. Denn das Leopold-Museum, dessen museologischer Direktor er seit zwei Jahren ist, sei eine ideale Wirkungsstätte für ihn. Er hege auch höchsten Respekt für Elisabeth Leopold, die Witwe des Sammlers Rudolf Leopold. Aber aufgrund der Vorkommnisse in der letzten Zeit hätte er nicht anders gekonnt: Natter trat am Montagabend, wie berichtet, zurück.

Am 24. September stellte man in Wien eine Privatstiftung vor. In diese hatte Ursula Ucicky vier Gemälde und zehn Zeichnungen von Gustav Klimt und Nachlassmaterialien ihres Mannes Gustav Ucicky, Regisseur des NS-Propagandafilms Heimkehr, eingebracht. Zur Pressekonferenz war äußerst kurzfristig eingeladen worden.

Natter befand sich dienstlich in Paris. Er erfuhr erst aus den Medien von dieser Gustav Klimt / Wien 1900-Privatstiftung: Vorstandsvorsitzender ist auf Lebenszeit Peter Weinhäupl, der kaufmännische Direktor des Leopold-Museums. Im Vorstand sitzen zudem (ebenfalls auf Lebenszeit) dessen Lebensgefährtin Sandra Tretter, die bis vor wenige Wochen im Leopold-Museum gearbeitet hat, und für fünf Jahre Hubert Weinhäupl. Als Anwalt fungiert Andreas Nödl, der u. a. Vorstandsmitglied der Leopold-Privatstiftung ist.

Zum "unveräußerlichen Kernbestand" gehört u. a. das Bildnis Gertrud Loew. Es wurde in die Stiftung integriert, obwohl Anthony Felsövany, kürzlich verstorben, Ansprüche erhoben hatte.

Nach seiner Rückkehr aus Paris thematisierte Natter die personellen Verquickungen. "Ich hätte mir erwartet, dass man im Vorfeld die Fragen klärt: Wollen wir, dass Weinhäupl gleichzeitig für eine solche Stiftung tätig ist? Tut uns das gut - gerade im Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Raubkunst?" Der Vorstand sah aber im Falle Weinhäupls keine Inkompatibilität. Elisabeth Leopold, Mitglied auf Lebenszeit, wurde mit ihren Bedenken überstimmt. Sie sagt: "Ich möchte mit dieser Ucicky-Stiftung nichts zu tun haben. Es stört mich, dass wir jetzt wieder mit Raubkunst in Verbindung gebracht werden. Das tut uns atmosphärisch nicht gut."

Natter glaubt, dass "nicht alles mit rechten Dingen zugegangen" sei. Er hofft, dass aufgrund seines Rücktritts die Gründung der Ucicky-Stiftung hinterfragt wird. Er würde gerne wissen, wer im Vorstand (neben Nödl) schon vorab Bescheid wusste - und schwieg. Am Montag will der Vorstand die weitere Vorgangsweise beschließen; Tobias G. Natter dürfte dienstfrei gestellt werden.

Elisabeth Leopold sollte mit ihren Bedenken recht haben: Die Israelitische Kultusgemeinde forderte in einer Presseaussendung die Auflösung des Leopold-Museums. Dies geht aber erst, wenn im Vorstand kein von Leopold nominiertes Mitglied mehr sitzt. Natters Rücktritt bezeichnete die IKG als einen mutigen Schritt, "der von Ernsthaftigkeit und Integrität" zeuge. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 30.10.2013)