Seehotel Lacus Felix: "So ein Symbol an diesem Punkt ist sinnvoll und durchaus akzeptabel." Rendering: Lacus Felix Hotelerrichtungs- und Verwaltungs GesmbH

Rendering: Lacus Felix Hotelerrichtungs- und Verwaltungs GesmbH

Gegenüber der Gmundner Altstadt soll sich bald ein 32 Meter hoher Hotelturm erheben. Daneben entsteht eine künstliche Bucht mit Luxus-Chalets.

Rendering: Riepl Riepl

Der Traunsee, mit 191 Metern der tiefste See Österreichs, erscheint zu dieser Jahreszeit dunkel und für Blicke undurchdringlich. Wer den Geheimnissen an diesem mit widersprüchlichen Akten und Befunden umzäunten Tatort auf die Spur kommen möchte, der macht sich unbeliebt. Denn wie in jedem guten Krimi geht es um völlig unterschiedliche Wahrnehmungen von Realität und, wie fast immer, um viel Geld.

Künstliche Halbinsel

Schauplatz Gmunden. Hauptprotagonist ist ein Hotel, das in den kommenden Monaten direkt am See errichtet werden soll. In unmittelbarer Nähe zur Gmundner Altstadt soll eine künstliche Halbinsel aufgeschüttet werden, auf der sich schon bald ein 32 Meter hoher, achtgeschoßiger Hotelturm in den Himmel erheben soll. Das Seehotel Lacus Felix wäre das mit Abstand höchste Gebäude weit und breit.

Die Linzer Architekten Riepl Riepl sehen darin einen Beitrag zum städtischen Ambiente dieser, wie sie meinen, einzigen Seestadt Österreichs. "Es stimmt, dass das Haus eine selbstbewusste Höhe hat", sagt Peter Riepl. "Doch so ein Symbol an diesem Punkt ist sinnvoll und durchaus akzeptabel, denn Gmunden ist kein kleines Dorf, sondern eine richtige Stadt mit einer gewissen Grandezza." Doch im Fokus steht nicht nur der Entwurf der Architekten, sondern in erster Linie die jahrelange, viele Fragen aufwerfende Projektgenese, die die Gmundner Bevölkerung in zwei Lager spaltet. Die einen sehen im neuen Seehotel einen Rettungsanker für Gmunden als Kongressstadt, die anderen Ausverkauf und Privatisierung von öffentlichem Raum.

Niedriger Kaufpreis

Rückblende ins Jahr 2006. Gmunden plant ein Luxushotel am See. Das passende Grundstück, noch in Besitz der ÖBB, steht schon parat. Die Stadt hatte es als öffentliche Erholungsfläche gepachtet, kauft es als Bahngrund für 127 Euro pro Quadratmeter, widmet es in Bauland um und verkauft es an den Investor Hans Asamer, einen einflussreichen Bauunternehmer, zum selben Preis weiter - obwohl Ufergrundstücke mit Baulandwidmung in dieser Lage üblicherweise ein Vielfaches kosten. Wie der STANDARD erfuhr, ist in der Brüsseler EU-Generaldirektion Wettbewerb/Regionalbeihilfen noch nicht entschieden, ob dieser Kaufpreis zu niedrig angesetzt gewesen sei.

Hinzu kommt, dass der OÖ Landeshauptmann Josef Pühringer - vor einigen Jahren meinte er, die Renditen im Tourismus seien so gering, dass man in Oberösterreich kaum noch investieren könne - dem mutigen Hotelinvestor Asamer angeblich mit 5,4 Millionen Euro Förderung unter die Arme greifen wollte. Das Geld wäre aus dem Fonds des Landes für kleine und mittelständische Betriebe gekommen, zu denen das Unternehmen Asamer definitiv nicht gehört. Eine Gmundner Bürgerinitiative machte die Wettbewerbsbehörde der EU in Brüssel auf dieses Vorhaben aufmerksam und verhinderte die Transaktion.

Verwirrung um Investoren

Die Sachlage ist inzwischen so komplex, dass es selbst den Verantwortlichen schwerfällt, auf banalste Fragen Antworten zu finden. Etwa auf die nach der Eigentümerschaft. Im Grundbuch steht die Firma Lacus Felix Hotelerrichtungs- und Verwaltungs GmbH. Gesellschafter ist laut Firmenbuch Johann Asamer. Die Asamer-Gruppe, die sich derzeit in Turbulenzen befindet und umstrukturiert wird, stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.

Allein, nach Auskunft von Bürgermeister Heinz Köppl (ÖVP) sei Asamer "längst aus dem Rennen". Die aktuellen Investoren des Seehotel-Projekts seien "ohne Zweifel" Peter Freunschlag vom Linzer Haustechnik- und Planungsbüro GPM sowie der Linzer Immobilienunternehmer Matthias Scheiblberger (Bau & Boden). Beide Herren waren bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Eine interessante Rolle in diesem Verwirrspiel haben die zu Gutachten herangezogenen Beamten. Da wäre zum Beispiel die Landesbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz, Helga Gamerith. Im Gutachten vom Mai 2010 stellt sie fest, "dass der vorliegende Bebauungsplan den gesetzmäßigen Aufgabenstellungen des Natur- und Landschaftsschutzes eindeutig widerspricht" und dass "der Bebauungsplan einen so maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild dieser Uferzone ermöglichen würde, dass er aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes jedenfalls abzulehnen ist". Nachdem das Seehotel - man ist ja kompromissbereit - um ein Geschoß gekappt wurde, kam die Naturschutzbehörde jedoch zum überraschenden Schluss, dass es ihr nicht zustehe, über das Landschaftsbild zu urteilen.

Vorrang für die Wirtschaft

Auch die OÖ Umweltanwaltschaft hatte massive Bedenken. Die kritische Stellungnahme des zuständigen Landesbeamten für Raumordnung dürfte den Betreibern ebenso wenig gefallen haben. Prüfungen durch die Volksanwaltschaft stellten bei diesem Verfahren mehrfach Missstände in der Stadtgemeinde Gmunden und in der OÖ Landesregierung fest.

Doch Probleme sind dazu da, gelöst zu werden, wie sich am Beispiel des denkmalgeschützten Seebahnhofs zeigt: Jahrelang hatte der OÖ Landeskonservator die Abrissgenehmigung für den Bahnhof, der dem Hotelprojekt im Weg stand, verweigert. Inzwischen ist das Problem aus der Welt und der Bahnhof Geschichte.

Die Landesregierung gab der Stellungnahme der Abteilung Wirtschaft in der Gesamtbeurteilung des Hotelprojekts den Vorrang und erteilte die Baugenehmigung. Fragen nach der wirtschaftlichen Rentabilität des Hotels blieben dabei unberücksichtigt. Schade, denn in einer Stadt, die von einst 200.000 auf 90.000 Nächtigungen pro Jahr geschrumpft ist und im Zuge der Schrumpfung einige, auch historische Hotelbetriebe in die Knie zwang, drängen sich Fragen nach Auslastung und Wirtschaftlichkeit auf.

Hotel oder Wohnungen?

Ist Gmunden attraktiv genug, um sich im harten Kongresstourismus-Wettbewerb zu positionieren? Warum wurden keine Gutachten in Auftrag gegeben? Die Befürchtung, dass das Seehotel Lacus Felix wie viele seiner Vorgänger unrentabel sei und eines Tages weit lukrativeren Eigentumswohnungen weichen könnte, ist groß. Sollte das Hotel vor 2025 entgegen der Widmung in Eigentumswohnungen umgebaut werden, ist laut Vertragsklausel eine Konventionalstrafe in der Höhe von einer Million Euro fällig. Bei einer Gesamtinvestitionssumme von rund 70 Millionen Euro sind das nicht einmal 1,5 Prozent.

"Tatsache ist, dass im Hotelturm keine Wohnungen geplant sind", sagt Bürgermeister Heinz Köppl zum STANDARD. "Denn das, was wir in dieser Stadt wirklich benötigen, ist ein großes, konkurrenzfähiges Kongresshotel. Tourismus, vor allem Kongresstourismus, ist meines Erachtens die einzige Überlebensmöglichkeit für Gmunden." Ein Wohnprojekt mit 15 Luxus-Chalets, Bootshäusern und 50 Eigentumswohnungen in einer eigens dafür ausgebaggerten künstlichen Bucht direkt neben dem Hotel ist zwar auch geplant, doch dieses, so Köppl, "werden wir erst mit einem halben Jahr Verspätung bewilligen, wenn der Hotelrohbau zumindest schon im ersten Stock angelangt ist." Auf diese Weise wolle man sich gegen eine reine Wohnnutzung des Areals für alle Zeit absichern.

Parkplatz nur für Hotelgäste

Luxus-Chalets hin oder her: Damit die Gmundner von der Innenstadt weiter am See entlang zum öffentlichen Badeplatz gehen können, ist für die Bevölkerung eine Brücke über die neue Bucht geplant. Das Auto können sie hier ohnehin nicht mehr abstellen, denn der jetzige Parkplatz steht künftig nur noch Hotelgästen zur Verfügung. Alle Nichthotelgäste, so Bürgermeister Köppl, "werden fünf bis zehn Minuten Fußmarsch zum See" zurücklegen müssen.

Nach Auskunft von Stadtamtsdirektor Heimo Pseiner entscheidet der Stadtrat am 26. November über den laut Vertrag möglichen Rückkauf der Seehotel-Grundstücke zum ursprünglichen Preis. Für die einen wäre der Rückkauf ein enormer Verlust an bereits investierten Planungsmillionen, für die anderen ist es die letzte Chance, das Seegrundstück für die Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Nötig wäre eine Zweidrittelmehrheit, doch das ist unwahrscheinlich, denn den 19 ÖVP-Mandataren stehen 18 Mandatare anderer Parteien gegenüber.

Am Ende jedes Krimis wird der Täter genannt. Den gibt es hier nicht. Der Tatbestand liegt im Auge des Betrachters. Allein, das Opfer an diesem dunklen und für Blicke undurchdringlichen See ist groß: Verspielt wurde nicht nur eine Menge Geld, sondern auch die Glaubwürdigkeit von Bauverfahren sowie das Vertrauen in die Stadtpolitik. (Veronika Hofer, Wojciech Czaja, DER STANDARD, 16.11.2013)