Nur zwei von dreizehn untersuchten Eurostaaten bereiteten dem für Wirtschaft- und Währung zuständigen EU-Kommissar Olli Rehn beinahe uneingeschränkte Freude: Deutschland und Estland. Diese könnten nicht nur aus dem laufenden Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits entlassen werden. Sie erfüllten die Vorgaben des Stabilitätspaktes bei der Verschuldung ebenso wie mittelfristige Ziele im "präventiven" Teil der verschärften Regeln für die Staaten der Eurozone, sagte der Finne am Freitag in Brüssel.

Zum ersten Mal hat die Kommission ein Verfahren zur Haushaltsüberwachung angewendet, bei dem die Länder (auch drei EU-Staaten außerhalb des Euro) ihre Budgetentwürfe vorlegen müssen (Stichtag 15. Oktober), noch bevor es Beschlüsse in nationalen Parlamenten gibt. So sollen rasche Korrekturen im Zuge der Wirtschaftskoordinierung möglich und eine Gefährdung der Währungsunion durch einzelne Staaten verhindert werden. Die EU-Behörde gibt dazu Empfehlungen ab. Auch für Musterland Deutschland, das seine Binnennachfrage steigern sollte.

Die größten Sorgenkinder sind aus Sicht der Kommission derzeit aber Frankreich und Italien, auch wegen ihrer Größe und Bedeutung für die Union. Zwar würde Italien - so wie alle anderen Staaten auch - die Verpflichtungen im Stabilitäts- und Wachstumspfad nicht ernsthaft verletzen. Brüssel verlangt auch keine unmittelbaren Korrekturen in den Budgets für 2014. Die Regierung in Rom habe auch Fortschritte bei strukturellen Reformen erzielt. Aber die Achillesferse für den Haushalt bleibe die hohe Gesamtverschuldung. Beim Abbau der Schulden komme das Land nicht voran.

Ganz anders gelagert sieht die Kommission die Probleme in Frankreich. Das eben erst erneuerte Wirtschaftsprogramm sehe für 2014 nur begrenzte Fortschritte hinsichtlich der haushaltspolitischen Empfehlungen vor. Es lasse der französischen Regierung auch "keinerlei Spielraum". Paris habe sein Budget ohne Puffer geplant, sprich, schon eine kleine Änderung der Konjunktur mache erneute Maßnahmen nötig. Damit bestehe die Gefahr, dass Frankreich seine Defizitziele wieder nicht einhalte, obwohl die Kommission Paris im Frühjahr bereits ein Jahr länger Aufschub gewährte, um die Neuverschuldung auf unter drei Prozent des BIP zu drücken. Belgien hingegen scheint beim Defizit die Gefahrenzone verlassen zu haben.

Ähnlich wie Frankreich bewegen sich auch die Niederlande an der Grenze des Erlaubten, referierte Rehn. Weitere Anstrengungen seien 2014 ebenso nötig wie in Spanien.

Gutes Zeugnis für Wien

Österreich schneidet im Urteil der Kommission verhältnismäßig gut ab. Der vorgelegte Budgetentwurf entspreche weitgehend dem Eurostabilitätspakt, das Budget 2013 sei nachhaltig korrigiert worden. Allerdings: Für 2014 sehe man aber eine gewisse Abweichung vom Anpassungspfad zum mittelfristigen Ziel eines strukturellen Defizits von 0,45 Prozent des BIP in 2014, heißt es im Kommissionspapier. Es wird von Wien eine aktualisierte Version verlangt, sobald die neue Regierung im Amt ist. Auf das in Österreich heftig debattierte Budgetloch geht man nicht ein.

Beim Treffen der EU-Finanzminister wurde am Freitag der vom EU-Vorsitz vorgetragene Versuch, eine neue EU-Zinsrichtlinie mit dem Ziel des automatischen Bankdatenaustauschs durchzusetzen, abgebrochen. Luxemburgs Außenminister Luc Frieden erklärte, sein Land könne dem nicht zustimmen, weil die Verhandlungen mit der Schweiz noch keinen diesbezüglichen Fortschritt gebracht hätten. Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter äußerte sich ähnlich.

Ebenfalls ohne definitive Einigung verlief die Debatte der Minister zum geplanten Abwicklungsmechanismus in der künftigen Bankenunion. Deutschland beharrt darauf, dass es dabei kein Letztentscheidungsrecht für die EU-Kommission geben könne, sondern nur ein "Netzwerk" mit den nationalen Aufsichtsbehörden, also mit Vetorecht. Bei der Rekapitalisierung von Banken durch den Rettungsschirm ESM gibt es zwar weitgehend Konsens, allerdings beharrt Berlin weiterhin darauf, dafür eine Gesetzesänderung zu benötigen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 16./17.11.2013)