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Foto: Dan Saelinger / Corbis

Unter allen Lebensmitteln, die seit der Entdeckung Amerikas die Essgewohnheiten der Alten Welt bereichern, findet sich nur ein Nutztier - das Truthuhn. In seiner Heimat, den USA, gilt der große, oft bunte Vogel bis heute als nationales Symbol und stand einst gar knapp davor, als Wappentier auserkoren zu werden, eine Würde, die schließlich doch dem Weißkopfadler zuteilwurde, während der Puter sich mit einem Ehrenplatz auf dem Esstisch begnügen musste - und zu dem Festtagsbraten am amerikanischsten aller Feiertage wurde, dem Erntedankfest Thanksgiving.

Gedenken an die ersten Siedler

Am vierten Donnerstag im November wird der tapferen frühen Siedler gedacht, die, als in einem schlechten Erntejahr Hunger drohte, auf die Hilfe der Eingeborenen angewiesen waren und Lebensmittel zu sich nahmen, die kein guter Christenmensch auch nur angerührt hätte. Neben Kukuruz, Süßkartoffeln und Kürbis war das vor allem der Truthahn.

Bis heute ist Thanksgiving auch eine Art Integrationsritus für Einwanderer, die, dem Beispiel der frühen Siedler folgend, erst dann zu echten Amerikanern werden, wenn sie an dem Fest teilgenommen und die Speisen der Neuen Welt in sich aufgenommen haben.

Gegen Massentierzucht

In den letzten Jahren hat die Massenschlachtung der Truthähne im November zu einem zögernden Umdenken geführt und Tierschützer wie Genussmenschen auf den Plan gerufen, die sich gegen die Praktiken der Massentierzucht auflehnen und sich für artgerecht gehaltene, alte Rassen starkmachen.

Seitdem herrscht jedes Jahr ein regelrechter Run auf "Heritage Turkeys", die zwar häufig das Fünffache kosten, dafür aber als gesünder und geschmackvoller denn ihre bemitleidenswerten Artgenossen gelten und von denen laut Schätzungen inzwischen 25.000 Stück jährlich erzeugt werden, was freilich nach wie vor Peanuts sind - verglichen mit 280 Millionen konventionell gehaltener Truthühner in den USA.  (Georges Desrues, Rondo, DER STANDARD, 22.11.2013)