Model Amina Köppinger in einer Bluse von Saint Laurent Paris, Rock Wanda Nylon, Gürtel Givenchy, Strümpfe Wolford, Stiefel Alaia, Ring Pomellato, Ohrring Heemayer, fotografiert von Irina Gavrich.

Foto: Irina Gavrich

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Als der britische König Edward VII. im Jahr 1910 starb, wollte man das große feine Pferderennen nicht absagen. Der Monarch war schließlich sein ausschweifendes Leben lang ein derart begeisterter Anhänger des Pferdesports gewesen. Als "Black Ascot" ist das Ereignis in die Geschichte des British Empire eingegangen. Die Damen und Herren trugen beim Rennen tiefe Trauer, was dem Luxus der Toiletten jedoch keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil, galt es doch, die fehlenden Farben mit aufwändigen Materialien auszugleichen. Die britische Oberschicht zeigte sich vielleicht ein letztes Mal im Pomp einer untergehenden Weltmacht. Der vorgeschriebene Dresscode ließ das Ereignis nur umso dekadenter erscheinen.

Die Geschichte einer Farbe

Lange war die Farbe Schwarz Trauernden vorbehalten. Als Modefarbe setzte sie sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts durch. Wenn in diesem Winter viele Designer ihre Kollektionen ganz in Schwarz gehalten haben, dann spielt die Geschichte dieser Farbe dabei eine große Rolle. Trauernde kommen darin ebenso vor wie Revolutionäre oder Intellektuelle. Schwarz ist immer auch die Farbe des Außergewöhnlichen.

Schwarze Trauerkleidung ist keine Erfindung der Moderne. Schon im antiken Rom wurden schwarze Togen getragen, während der Verstorbene selbst in Weiß bestattet wurde. Der burgundische Herzog Philipp der Gute trug nach der Ermordung seines Vaters ausschließlich Schwarz. Doch bekundete er damit nicht allein höfische Etikette. Im 15. Jahrhundert war die Schwarzfärberei noch ein aufwändiges, hochangesehenes Handwerk, denn es standen keine geeigneten Chemikalien zur Verfügung, um Stoffe tiefschwarz zu färben. So wurden beispielsweise Textilien mit teurem Indigo wieder und wieder eingefärbt, bis sie einen annähernd dunklen Farbton aufwiesen. Kurzum: Schwarze Kleider konnten sich nur sehr wohlhabende Menschen leisten. Der Großherzog bekundete in seiner demonstrativen Trauerkleidung nicht unbedingt private Gefühle, sondern repräsentierte, ja verkörperte darin den Status und enormen Reichtum seines Hofes.

Für Eliten vorbehalten

Unter spanischem Einfluss wurde Schwarz von gesellschaftlichen Eliten an allen einflussreichen Höfen und in den wirtschaftlichen Zentren Europas getragen. Die niederländischen Handelsherren ließen sich mit Ehefrauen von den großen Malern ihrer Zeit porträtieren. Mann und Frau trugen selbstverständlich schwarze Kleider. Die Farbe sollte calvinistische Kargheit und religiöse Demut offenbaren, doch hätten die zur Schau gestellten Kleider kaum luxuriöser gearbeitet sein können. Wohl im nüchternen und strengen Schwarz gehalten, blieb der Prunk der verwendeten Brokate und Damaste, von Samt und Satin unübersehbar.

Erst im 19. Jahrhundert wurde schwarze Trauerkleidung auch zu einer allgemein verbreiteten bürgerlichen Konvention. Der Adel hatte es vorgemacht. Queen Victoria trug nach dem frühen Tod ihres Gatten bis an ihr Lebensende Schwarz. Angehörige der britischen Königsfamilie verreisen bis heute nicht ohne Trauerkleidung im Gepäck - man weiß ja nie. Das aufstrebende Bürgertum übernahm die aristokratischen Dresscodes einmal mehr, um so Zeichen für die eigene Respektabilität zu setzen. Die Regeln für Trauerkleidung wurden immer detaillierter und damit aufwändiger: Volltrauer, Halbtrauer verlangten nach jeweils anderen Kleidungsstücken, hinzu kam der Wechsel der Jahreszeiten. Selbst Unterwäsche oder Schmuck unterlagen den strengen Reglements.

Trauer um sich selbst

Mit den beiden Weltkriegen verlor schwarze Trauerkleidung an Bedeutung. Bald unterschieden schwarze Kleider einen trauernden Menschen kaum mehr vom Rest der Bevölkerung. Schwarz setzte sich als modische Farbe durch. In Anton Tschechows Gesellschaftskomödie Die Möwe, gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, antwortet die Tochter des Gutsverwalters auf die Frage, warum sie denn immer ausschließlich in Schwarz ginge, nur: "Aus Trauer um mein Leben. Ich bin unglücklich."

Das melancholische Mädchen auf dem Landgut, der Dandy in der großen Stadt, sie trugen Schwarz, aus Trauer um sich selbst und als Zeichen dafür, dass die Konventionen einer autoritär geprägten Gesellschaft für ein modernes Leben nur noch wenig Sinn machten. Das Tragen von Schwarz ließ sich nicht mehr nur auf Vorschriften und Kleiderordnungen zurückführen. Schwarze Kleider wurden spätestens im frühen 20. Jahrhundert auch zum Statement eines neuen Selbstbewusstseins. Die Frau in Schwarz ist nicht mehr nur trauernde Witwe. In Schwarz wollte man sich nicht mehr verstecken, in einen gesellschaftlichen Schatten begeben und selbst herabsetzen. Vielmehr sollten die Kleider an zeitgemäße Lebensweisen angepasst werden. Coco Chanel gelang es, die Vorzüge dunkler Herrengarderobe mit pragmatischer Eleganz zu verbinden. Das "kleine Schwarze", ein unkompliziertes, vielseitiges Kleid, das nicht mehr beengte und einschnürte, sich bei Tag und Nacht tragen ließ, wurde zum Modeklassiker, der ein modernes Frauenbild illustrierte und zugleich prägen sollte. Mode wird sichtbar, erscheint auf den Straßen europäischer Großstädte, demokratisiert sich und blieb doch untrügliches Signal sozialer Zugehörigkeit. Der Luxus verlagerte sich in Details wie Schnitt und Passform. Solch feine Unterschiede zu erkennen blieb dem Kenner vorbehalten, der natürlich nicht übersieht, wie fein Stoff und Machart sein können.

Starke Symbolkraft

Wie keine andere Farbe demonstriert Schwarz nicht nur die Geschichte von Kleidern und Bekleidung. Jugendkulturen und Jugendrevolten haben die starke Symbolkraft und letztlich die Geschichte schwarzer Kleider instrumentalisiert. Sämtliche Assoziationen, ob die Todesnähe, ob inszenierte Selbstdarstellung, ob Tabubruch, ob als Farbe einer selbstbewussten Femme fatale, sind mitgedacht, und doch geht es vor allem um ein ernsthaftes Spiel mit der Mehrdeutigkeit, darum, herkömmliche Bedeutungen und Festlegungen zu unterlaufen, Neues zu transportieren. So dekonstruierten auch die schwarzen Kollektionen von Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo ein bürgerliches Verständnis von Mode als Medium der Repräsentation.

In der neuartigen Kombination aus hochstehender Schneiderkunst und der nahezu armen Anmutung schwarzer Textilien verweigerten sich die japanischen Modeschöpfer allzu einfachen Gleichsetzungen von Mode und Status, von Aussehen und Ansehen. Für wohl alle, die sich professionell mit Stil, mit Schönheit und letztendlich mit den feinen gesellschaftlichen Unterschieden auszukennen haben, bedeutet die Farbe Schwarz wohl gleichermaßen strenges Konzept wie unbedingte Freiheit.

Als der chinesische Künstler Ai Weiwei 2007 gefragt wurde, warum er schwarze Kleider trägt, fiel seine Antwort kurz und bündig aus: "Disappear, disappear from the world." (Brigitte Felderer, Rondo, DER STANDARD, 06.12.2013)