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Es gibt drei Arten von Fleischallergien. Diese treten meist im mittleren Alter auf und bleiben lebenslang. Warum das so ist, ist noch nicht erforscht.

Foto: Reuters/Enrique Marcarian

Kein Schnitzel auf dem Teller, kein Würstel am Stand, und auch den Leberkäse gilt es zu meiden: Für immer mehr Menschen ist der Verzicht auf Fleischverzehr eine bewusste Entscheidung und Bestandteil ihres Lebensstils. Einige wenige jedoch haben gar keine andere Wahl. Sie leiden unter einer speziellen Allergie, denn ihr Immunsystem reagiert auf bestimmte Proteine tierischen Ursprungs. Mit manchmal lebensgefährlichen Folgen.

Jucken im Mund

"Die Symptome sind ganz ähnlich wie bei anderen Lebensmittelallergien", erklärt Ines Swoboda, Wissenschafterin am Fachbereich Biotechnologie an der Fachhochschule Campus Wien im Gespräch mit dem Standard. Der Betroffene verspürt oft ein Jucken im Mund, es können Hautrötungen sowie Magen-Darm-Beschwerden auftreten. In seltenen Fällen erleidet der Patient einen anaphylaktischen Schock - inklusive Organversagen. Das kann tödlich enden.

Die Symptome einer Fleischallergie setzen meistens innerhalb von 30 bis 60 Minuten ein. Dennoch bleibt die Krankheit bei vielen Personen lange unentdeckt, was wiederum die Erfassung ihrer Häufigkeit erschwert. Bisherigen Studien zufolge variiert die Prävalenz von 0,5 bis acht Prozent der Gesamtbevölkerung in Europa.

Die Dunkelziffer könnte relativ hoch sein. "Es ist noch nicht so im Bewusstsein der Menschen angekommen, auch nicht bei den Ärzten", schildert Swoboda. Abgesehen davon seien die Diagnoseverfahren oft unzuverlässig. Der Hintergrund: Die zum Test von Fleischallergien verwendeten Extrakte werden nicht exakt standardisiert, ihre biochemische Zusammensetzung ist nicht genau genug bekannt. Ein erhebliches Manko.

Die Suche nach dem Auslöser

In diesem Problembereich wollen Swoboda und ihre Kollegen nun Abhilfe schaffen. Die Molekularbiologin erforscht seit vielen Jahren Struktur und Eigenschaften diverser allergener Substanzen. Die Suche nach einem solchen Stoff gleicht meist der Jagd nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Pollenkörner zum Beispiel sind Träger tausender verschiedener Proteine. Welche davon lösen die krankmachende Immunreaktion aus? Die Wirkung geht schließlich nicht vom Gemisch als Ganzes aus.

Experten unterscheiden drei verschiede Typen von Fleischallergien. Zum einen sind da die direkt im Verdauungstrakt ausgelösten allergischen Reaktionen auf - oft unbekannte - Eiweißbestandteile von Muskeln oder Innereien.

Sekundäre Fleischallergien dagegen entstehen im Zuge einer vorangegangenen Sensibilisierung über die Atemwege gegen andere tierische Allergene wie Albumine in Katzen- und Hundespeichel. Es kommt zu einer Kreuzreaktion, das Immunsystem spricht danach auch auf ähnlich gebaute Proteinmoleküle in Koteletts oder Faschiertem an. Bei der erst vor kurzer Zeit entdeckten dritten Fleischallergievariante scheint Galaktose, ein Kohlenhydratanteil bestimmter Säugetierproteine, der auslösende Faktor zu sein. Interessanterweise treten die Symptome hier erst nach drei bis sechs Stunden auf.

Um einzelne Allergene dingfest zu machen, setzen Swoboda und ihr Team spezifische IgE-Antikörper ein. Sie werden aus dem Blutserum der Patienten extrahiert. Die Antikörper binden gezielt an die gesuchten Eiweißmoleküle und ermöglichen so deren Erkennung und Isolierung.

Anschließend findet die Charakterisierung statt, die genaue Untersuchung der Proteinstruktur. Letztere gibt auch Hinweise auf potenzielle Wechselwirkungen mit anderen Stoffen. Ist der Bauplan eines Allergens erst einmal bekannt, lässt sich dieser in künstliche DNA umschreiben.

Substanz in Reinform

Das synthetische Erbgut kann danach in Bakterien oder kultivierte Tierzellen eingeschleust werden. Sie stellen nun das besagte Protein in größeren Mengen her. Am Ende des Prozesses liegt die Substanz in Reinform vor: ideal zu Testzwecken und für weiterführende Studien. Der Österreichische Forschungsfonds FWF unterstützt diese Forschungsarbeiten finanziell.

Die Effizienz dieser Methode hat Swoboda bereits bei der Entdeckung eines Fischallergens unter Beweis gestellt. 2002 gelang ihr zusammen mit einer Expertengruppe die Isolierung und Reproduktion von Parvalbumin aus den Muskeln von Karpfen. Dieses Protein enthält strukturelle Bestandteile, die bei praktisch allen Fischarten vorkommen. Eine künstliche, modifizierte Variante von Karpfen-Parvalbumin wird zurzeit in der EU als möglicher Impfstoff gegen Fischallergien getestet. Synthetische Versionen von Fleischallergenen ließen sich wahrscheinlich zum selben Zweck einsetzen.

Hinsichtlich der Entstehung von Fleischallergien gibt es allerdings noch viele offene Fragen. So treten bei Kleinkindern manchmal Immunreaktionen gegen Rindfleisch auf, die in vielen Fällen jedoch irgendwann wieder verschwinden. Der Wirkungsmechanismus ist vielleicht ähnlich wie bei den bekannten kindlichen Hühnereiallergien, meint Ines Swoboda. "Das kann sich auswachsen."

Ursache unbekannt

Die meisten primären Allergien gegen Fleisch von Säugetieren manifestieren sich allerdings erst im mittleren Alter und bleiben dann lebenslang. Ursache unbekannt. Zum Glück aber spricht das Immunsystem der Betroffenen in vielen Fällen nur auf das Fleisch einer einzigen Tierspezies an. Aus Spanien zum Beispiel werden verstärkt Allergien gegen Lamm gemeldet. Da bleibt immerhin noch Schweinsbraten als Alternative. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 4.12.2013)