Suffragetten in "Der taumelnde Kontinent".

Foto: ORF/Dor Film

Eine Frau drängt sich aus der Menschenmenge auf die Trabrennbahn und wirft sich vor das Pferd König Georgs V. Dies war im London des Jahres 1913 die letzte Tat einer Frauenrecht­lerin, die jahrelang erfolglos für das Wahlrecht, für gerechtere Löhne und einen besseren rechtlichen Status ihrer Geschlechtsgenossinnen gekämpft hat. Emily W. Davison starb infolge der Verletzungen.

Der Moment dieser politischen Tat ist auf Film gebannt; er ist Teil der Fernsehdokumentation "Der taumelnde Kontinent", die ein Stimmungsbild des bewegten Europa vor dem Ersten Weltkrieg umreißt. Sprich: Wie labil war das gesellschaftliche Gefüge, dass ein Schuss in Sarajevo einen ganzen Weltkrieg auslösen konnte?

Die Dokumentation basiert auf dem gleichnamigen Buch des deutschen Schriftstellers Philipp Blom (2009), der diesen zuweilen hektisch geschnittenen Zweiteiler auch moderiert und die Befindlichkeiten in literarische Worte zu kleiden weiß ("Die wässrigen Augen des Kaisers blicken herab.").

Das Besondere dieser Dokumentation aber ist, dass sie dort, wo Hugo Portisch endet, erst be­ginnt. Sie verschiebt den Blick weg von reiner Herrschaftsgeschichte, weg von Vertragsunterzeichnungen und Politikerauftritten hin zum gelebten Leben und damit auch weg von der üblichen, rein männlichen Perspektive.

Beachtliches Archivmaterial wurde dafür zutage gefördert: Neben Emily W. Davisons Märtyrertod sind das die Kettenschmiederinnen von London, die Fabrikssklaven von Moskau, die Geschlechterrollentauschfilme der Pionierin Alice Guy-Blaché. Und es wird klar, wie das alles zusammenhängen könnte. In zwei Teilen: 13. und 20. Dezember, jeweils 22.40, ORF2 (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 13.12.2013)