Mein Google-Optimierungssoll ist hiermit erfüllt, es folgt meine ab heuer traditionelle Vor-Weihnachts-Kochbuchliste: Nicht nur mit Neu-Erscheinungen, dafür ausschließlich mit Koch- und Essbüchern, die ich im vergangenen Jahr gelesen und besonders super gefunden habe.

Magnus Nilsson, Fäviken

Ein Buch mit dem Kapitel "Giving a Carrot the Attention it Deserves" kann gar nicht wirklich schlecht sein. Aber dass es gleich so großartig ist! Nehmen Sie alles, was Sie über Kochen zu wissen geglaubt haben und werfen Sie es über den Haufen. Magnus Nilsson macht alles anders, und wenn er das beschreibt, klingt es genial.

Foto: Tobias Müller

Gemüsefond? Wird aus klein geraspeltem Gemüse gefertigt, mehr wie ein Tee, als wie eine klassische Suppe. Rindfleisch? Kommt von alten Milchkühen, weil die viel besser schmecken als die jungen, und reifen darf es gern einmal neun Monate. Ganze Vögel? Werden über offenem Feuer gebraten, und trotzdem nicht übergart.

Jedes Kapitel dieses Prachtbands überrascht und bringt neue Ideen (Kochen mit Herbstlaub!), und außerdem kann niemand sonst mit so viel fast taoistischem Eifer eine Seite lang über das Schälen einer Karotte schreiben. Wer nach der Fäviken-Lektüre nicht am liebsten gleich nach Schweden fliegen will, der ernährt sich bevorzugt von Soylent.

Sandor Katz, The Art of Fermentation

Neun von zehn Zellen im menschlichen Körper gehören zu Bakterien, der Mensch ist als Ökosystem treffender beschrieben denn als Individuum. Mit Bakterien im Allgemeinen auf Kriegsfuss zu stehen ist daher nichts als tumbe Selbstzerstörung. Wie man sich geschmacklich mit ihnen aussöhnt und sie sich symbiotisch zunutze macht, erklärt Sandor Katz höchst anschaulich und unterhaltsam in "The Art of Fermentation".

Foto: Tobias Müller

Ob Kraut, Gurken, Rohmilch, Nüsse oder Fisch, nichts ist davor sicher, von Sandor Katz vergoren zu werden. Das Buch ist eine Fundgrube an Ideen und Anregungen, wie man mit Mikroorganismen kochen kann. Rezepte gibt's nicht viele, und wenn, dann sind sie eher im Plauderton denn als Gebrauchsanweisung mit Mengenangaben verfasst.

Dennoch haben mich bisher wenige Bücher so sehr zum Nachkochen und Experimentieren angeregt wie dieses. Seit ich es gelesen habe, habe ich fünf Gärurnen erstanden, eine davon fasst stolze fünfzehn Liter, ich gehe regelmässig in den Keller, um Salzgurken zu holen und beobachte mehrere Metflaschen neben meinem Herd. Im übrigen sollte jeder einmal Butternuss-Kürbis vergoren haben. Der Geschmack ist außerirdisch.

Michael Pollan, Cooked: A Natural History of Transformation

Was hat das Räuchern ganzer Schweine mit Religion zu tun? Welches Lebewesen war tatsächlich das erste Haustier? Was erzählt die Freude am Schimmelkäse uns über unser Sexleben? Und wollten Sie immer schon überzeugt werden, dass Kochen die allerwichtigste Kulturtechnik von überhaupt allen ist?

Michael Pollan, oberste US-Instanz im Fressjournalismus, befasst sich mit den vier seiner Meinung nach grundlegenden menschlichen Kochtechniken: Dem Garen über Feuer, dem Kochen mit Wasser, dem Fermentieren und dem Brot backen. Dafür besucht er die Großmeister des amerikanischen Barbecues, backende Einsiedler und San Franciscos Hippsterbäcker, Käsemachende Nonnen und lernt mit Samin Nosrat das Schmoren.

Hin und wieder geht meiner Meinung nach der Kochphilosoph etwas wild mit ihm durch, manchmal moralisiert er mir zu fleißig. Meist aber ist das Buch es eine unterhaltsame, lehrreiche Liebeserklärung an die hohe Kunst, die Welt ein wenig schmackhafter zu machen – auch und vor allem, wenn das bedeutet, Nachts aufzustehen, um das Räucherschwein zu hegen, oder den eigenen Tagesrhythmus den Bedürfnissen des Sauerteiges anzupassen.

Michael Ruhlman, Ruhlman's 20 und Ratio

Ruhlmans 's 20 ist ein Grundkurs im Kochen für alle, denen die Fundamental Techniques dann doch zu dick sind: In 20 Kapiteln wird hier grundlegendes Wissen vermittelt – von Kapitel 1 "think", über "Salt", "Onion", "Acid" bis hin zu "Chill". Wenige Rezepte, sehr viel Technik. Ein einfacheres und besseres Kochlernbuch kenne ich nicht. Lesen Sie es von vorn bis hinten oder kreuz und quer, Sie sind nachher sicher ein besserer Koch.

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Was dem Mathematik-Schüler die Formelsammlung das ist dem Heimkoch Ratio. Meister Ruhlman hat hier die Essenz seiner Feldforschung am Culinary Institute of America hinein gepackt: In welchem Verhältnis muss ich Zutaten mischen, um eine bestimmte Speise zu bekommen. Zwei Teile Milch auf einen Teil Ei ergibt eine passable Creme, drei Teile Mehl, zwei Teile Eier gute Nudeln, 20 Teile Wasser, ein Teil Salz eine Pökellake. Der Rest steht in dem schmalen Band. Ein bisschen Text gibt's auch dazu.

Land of Plenty und Shark's Fin and Sichuan Pepper

Es gibt sicher nicht viele Nicht-Chinesen, die sich besser mit chinesischem Essen auskennen als Fuchsia Dunlop. Die Dame hat das Riesenland jahrzehntelang bereist und sich durch alle Provinzen und erstaunliche Gerichte gefressen – ihre Liebe aber gilt vor allem der Küche Sichuans. Das trifft sich gut für mich, weil es mir nach meinen bescheidenen zwei Monaten in China ähnlich geht: Nirgends hat es mir allgemein so geschmeckt wie in und um Chengdu, der Hauptstadt der westlichen Provinz – das Mahl bei Chef Yu war eines der besten meines Lebens.

Foto: Tobias Müller

In Land of Plenty jedenfalls trägt Dunlop alles zusammen, was ein Hobby-Chinakoch über das Sichuan-Essen wissen muss, von den grundlegenden Techniken (der listenverliebte Sichuan-Chinese kennt 58 Kochtechniken) bis hin zu den Gewürzen. Wegen der ungewöhnlichen Zutaten ist nicht alles leicht nachkochbar, und Stir Frys aus dem Wok sind auf europäischen Herden sowieso unmöglich – es lässt sich aber genug kopieren, um hin und wieder in Erinnerungen zu schwelgen – und schön zu lesen ist es außerdem.

In Stark Fins und Sichuna Pepper wiederum erzählt Dunlop ihre Liebes- und Leidensgeschichte mit China – sehr amüsant und höchst lehrreich für jeden, der dort unterwegs ist und gerne so unglaublich gut essen möchte. (Danke, Katharina Seiser, fürs spontane Herborgen).

Severin Corti, Georg Desrues, Slowfood Guide 2014 – Gasthäuser in Österreich, Südtirol und Slowenien

Der einzige Fressführer, den ich selber verschenke und eine der besten Orientierungshilfen, die man für Geld kaufen kann. Unter den Empfehlungen finden sich wahre Perlen wie der Holzingerbauer am Mondsee, der Weiserhof in Salzburg oder die Krizmanich'sche Schweinezucht im Burgenland. Wenig Tamtam, dafür sehr viel gutes Essen.

Foto: Tobias Müller

On Food and Cooking

Wer Laktose-intolerant ist, kann ganz problemlos die allermeisten Käse essen, weil sie ohnehin keine Laktose enthalten; Elchmilch ist mit Abstand die fetteste Milch. Sardine, Hering und Makrele werden bei 50 bis 60 Grad besonders leicht matschig; Und Glutamat kommt nicht nur zu Hauf in vielen Lebensmitteln vor, es ist auch völlig harmlos.

Foto: Tobias Müller

In On Food and Cooking versammelt Harold McGee alles, was er über Essen und Wissenschaft nach 20 Jahren Forschung weiß, von Artikeln über Enzyme im Fischfleisch bis hin zur chemischen Zusammensetzung von Bohnen. Das Schönste: Bei McGee liest sich das auch noch gut, der Mann kann nämlich schreiben, und leitet daraus sehr brauchbare Empfehlungen für die tägliche Küchenpraxis ab. Der seltene Fall eines Lexikons, dass man fast wie einen Roman lesen kann. (Tobias Müller, derStandard.at, 15.12.2013)