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"Pornographie hat ein gewisses Schmuddelimage, mit dem niemand öffentlich in Verbindung gebracht werden will, schon gar nicht vor Weihnachten".

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Macht man sich strafbar, wenn man geschützte Filme auf Streaming-Seiten ansieht? Diese Frage wird derzeit in Deutschland heiß diskutiert. Zehntausende Telekom-Kunden wurden abgemahnt und zur Zahlung von 250 Euro aufgefordert, weil sie angeblich illegal hochgeladene Pornofilme auf Redtube angesehen haben sollen. Zudem könnten die IP-Adressen der Nutzer auf illegale Weise ermittelt worden sein. Für den österreichischen Juristen Franz Schmidbauer ist das Vorgehen eine "Riesenschweinerei", wie er dem WebStandard sagt.

Ansehen von Streams

Die deutschen Anwälte vertreten die Auffassung, dass es alleine beim Ansehen von Streams bereits zu einer Vervielfältigung komme, da Teile des Videos auf dem Rechner der Nutzer zwischengespeichert werden. Schmidbauer meint dazu, dass zwar das "öffentlich Zurverfügungstellen" eines Videos über Streaming-Portale eine Verbreitung der Inhalte darstelle, nicht aber das Ansehen. Die Abgemahnten hätten "mit einem allfälligen Urheberrechtsverstoß des Anbieters nichts zu tun, genauso wenig wie der Radiohörer, der ein Musikstück hört, für das der Sender keine Lizenz hat."

"Verwertungshandlung"

Vom Urheberrecht sei nur eine sogenannte Verwertungshandlung, nicht aber das bloße Ansehen erfasst. Eine Verwertungshandlung sei bei einem Download das Speichern einer Kopie eines Werkes auf der Festplatte. Auch beim Streaming würden Daten auf der Festplatte zwischengespeichert. Das diene aber nur der flüssigen Wiedergabe. "Nach Beendigung des Vorganges wird die Kopie automatisch gelöscht", so Schmidbauer.

Auch Teile von Werken geschützt

Der Experte weist darauf hin, dass zwar auch Teile von Werken schützt seien, "streng genommen wird also auch beim Streaming eine vorübergehende (Teil)Vervielfältigung angefertigt." Das Urheberechtsgesetz sehe jedoch die Privatkopie vor. Schmidbauer: "Gerade einen gestreamten Pornofilm kann man als sehr privat bezeichnen."

Privatkopie

Die Rechtslage zur Privatkopie ist in Österreich und Deutschland unterschiedlich. "In Deutschland hat der Gesetzgeber versucht, diese Fälle zu regeln, indem die Vervielfältigung aus offensichtlich illegaler Quelle nicht mehr als Privatkopie anerkannt wird. In Österreich wird das bei der bevorstehenden Urheberrechtsnovelle wieder ein Thema sein." Es sei juristisch umstritten, ob aus einem offensichtlich illegalen Angebot eine solche Privatkopie angefertigt werden dürfe. Strafbar sei es in Österreich zumindest derzeit aber ganz sicher nicht, stellt Schmidbauer fest.

Redtube nicht offensichtlich illegal

So können in Deutschland Tauschbörsennutzer und auch Nutzer von offensichtlich illegalen Streaming-Angeboten verfolgt werden. Die Rechteverwerten können die Personendaten über die IP-Adresse ermitteln. Das Problem: Pornowebsites wie Redtube seien keine offensichtlich illegalen Quellen. Denn dort angebotene Videos stehen teilweise ganz legal zur Verfügung, da man damit das kostenpflichtige Premiumangebot bewerben wolle. So hätte laut Schmidbauer gar nicht erst eine Auskunft über die IP-Adressen erfolgen dürfen.

Gerichte darüber gestolpert

Wie also hat das Landgericht Köln entschieden, dass die Nutzerdaten hinter den IP-Adressen herausgegeben werden?  Der Jurist ist der Meinung, dass die deutschen Gerichte "zum Teil darüber gestolpert" seien, da die Fallschilderung nicht eindeutig gewesen sei. "Diese mögliche Irreführung ist jetzt Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Erhebungen."

Kompliziertes Urheberrecht

Das Urheberrecht ist, wenn man Schmidbauers Erläuterungen folgt, sehr kompliziert. Darin liegt vermutlich auch der Grund, wieso es so unterschiedlich ausgelegt werden kann. Denn laut dem Internetrechtsexperten spiele auch die "flüchtige und begleitende Vervielfältigung" nach §41a des Urheberrechtsgesetzes eine Rolle. Dadurch sei eine vorübergehende Vervielfältigung eines geschützten Werkes zulässig, wenn sie nur der Betrachtung diene und keine wirtschaftliche Bedeutung habe. Das sei beim Streaming der Fall. Da diese Regelung auf eine EU-Richtlinie zurückgehe, gelte sie auch in Deutschland.

Keine Datenauskunft zu IP-Adressen

Kann auch österreichischen Nutzern ein Abmahnschreiben wegen Urheberrechtsverletzungen ins Haus flattern? Nein, meint Schmidbauer. Hierzulande seien Nutzer relativ sicher. Nach derzeitigem Recht gebe bei Urheberrechtsdelikten keine Auskunft über die Daten hinter der IP-Adresse, auch nicht beim Upload in Tauschbörsen, obwohl das nach österreichischem Recht durchaus strafbar sei. Aber: Mit einer Gesetzesreform könnte sich das schon 2014 ändern.

Schmuddelimage

Den Betroffenen in Deutschland könne man nur raten, nicht zu zahlen. "Pornographie hat ein gewisses Schmuddelimage, mit dem niemand öffentlich in Verbindung gebracht werden will, schon gar nicht vor Weihnachten (insoferne ein geschickter Zeitpunkt so eine Kampagne anzulegen)." (Birgit Riegler, derStandard.at, 22.12.2013)