"Auf innerstaatlicher Ebene werden Wasserkonflikte zunehmen, die teilweise auch gewaltsam ausgetragen werden"

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Eine Luftaufnahme des Nils im Südsudan.

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STANDARD: Im Sommer schien ein Krieg zwischen Ägypten und Äthiopien denkbar. Wie sehen Sie heute die Aussicht auf Einigung?

von Lossow: Nach der Eskalation im Sommer ist es zu begrüßen, dass sich die drei großen Konfliktparteien Ägypten, Sudan und Äthiopien wieder auf Gespräche einlassen. Aber man muss auch sehen, dass es sich hier nur um einen Fortschritt in der Frage eines Dammes handeln würde, nicht in der Grundproblematik der Nilwasserverteilung.

STANDARD: Hätte eine militärische Option für Ägypten Sinn?

von Lossow: Keinesfalls. Die kriegerischen Aussagen Morsis vom Sommer (siehe oben) waren vorwiegend innenpolitisch motiviert. Es ist klar, dass eine solche Option so nicht besteht. Aus politischen Gründen, etwa der Sorge vor einem internationalen Aufschrei. Und auch aus militärischen, da ägyptische Flugzeuge mit ihrer Reichweite den Damm zwar erreichen, aber nicht mehr zurückfliegen könnten.

STANDARD: Wie sehen Sie die Erfolge der Nilbecken-Initiative?

von Lossow: Die Bewertung hat zwei Dimensionen: Seit 1999 sind erstmals in der jahrhundertealten Rivalität alle Nil-Anrainer Teil einer Kooperation. Diese funktioniert auf technischer Ebene sehr gut, etwa in Fragen der Wasserqualität. Das politische Ziel, ein Rahmenabkommen, an dem sich alle Parteien beteiligen, ist aber bisher gescheitert.

STANDARD: Rechnen Sie damit, dass es eine Einigung geben kann?

von Lossow: Es sieht derzeit nicht so aus. Ägypten hält an den Verträgen von 1929 und 1959 fest, weil man weiß, dass man die Bedingungen in einem neuen Vertrag nicht bekäme. Für die Oberlauf-Anlieger gilt: Als die Verträge abgeschlossen wurden, standen alle außer Äthiopien unter Kolonialherrschaft, sie waren weder Subjekt noch Objekt der Verträge. Das ist ein absolutes No-go für die Anerkennung heute.

STANDARD: Aber auch Äthiopiens Dammprojekte werden kritisiert.

von Lossow: Die Frage, ob solche Dämme ökologisch und sozial verträglich sind, ist mit einem großen Fragezeichen versehen. Es geht oft auch um die politische Bedeutung: Großdämme sind gewissermaßen wie Flugzeugträger, Symbole der Macht und Ingenieurskunst. Bei technischen Fragen gibt es durchaus Widerspruch. Die äthiopische Argumentation, jetzt eine Entwicklung der Länder am Oberlauf zu ermöglichen, die von Kolonialmächten und später von Ägypten verhindert wurde, wird dagegen grundsätzlich unterstützt.

STANDARD: Wo sehen Sie in der Zukunft Brennpunkte?

von Lossow: Auf innerstaatlicher Ebene werden Wasserkonflikte zunehmen, die teilweise auch gewaltsam ausgetragen werden. Auch zwischenstaatliche Spannungen werden wachsen, weil die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auseinandergeht - bei Nil, Indus, und Euphrat und Tigris. Wasserkriege zwischen Staaten wird es aber auf absehbare Zeit nicht geben, weil Wasserzukauf günstiger und Kooperation vielversprechender ist. Wenn man etwa dort Nahrung anbaut, wo die Bedingungen am besten sind, ließe sich die Ist-Situation verbessern. (Manuel Escher, DER STANDARD, 27.12.2013)