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Seit Monaten wird Montenegro von Krawallen erschüttert, hier ein Bild vom Oktober 2013.

Foto: epa

Podgorica - Bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit Montenegro geht es zur Zeit um Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte. Doch schwere Angriffe gegen regierungskritische Journalisten und Medien häufen sich.

Für die Medienlandschaft des EU-Beitrittkandidaten Montenegro ging das letzte Jahr so schlecht zu Ende wie das neue begann. Am Stefanitag wurde das Verlagsgebäude der regierungskritischen Zeitung "Vijesti" im Zentrum der Hauptstadt Podgorica mit einer Bombe attackiert. Am 3. Jänner wurde die Journalistin der Tageszeitung "Dan", Lidija Nikcevic, in der weiter nördlich gelegenen Industriestadt Niksic krankenhausreif geschlagen.

"Mafia im Schulterschluss mit der Regierung"

"Das zeigt, dass die Mafia im Schulterschluss mit der Regierung sich weiter bemüht, die freien Medien zu ersticken und die Meinungsfreiheit umzubringen", kommentierte der Verband der Bürgerinitiativen (MANS) die Angriffe. "Die Straffreiheit von Gewalt gegen Medienvertreter ist in Montenegro die Regel", kritisierte in dieser Woche auch die Organisation Reporter ohne Grenzen: "Die Toleranz, die das Justizsystem gegenüber den Angreifern auf Journalisten zeigt, ist unakzeptabel".

Schon im November war das "Vijesti"-Gebäude mit Steinen angegriffen worden. Im August waren drei Journalisten verprügelt worden. Vor der Wohnung des kritischen Journalisten Tufik Softic in Berane war eine Handgranate explodiert. Die Herausgeberin der Wochenzeitung "Monitor" erhielt Dutzende SMS mit konkreten Drohungen. Vor zwei Jahren war eine ganze Reihe von Autos des "Vijesti"-Verlags abgefackelt worden. In allen Fällen konnte die Polizei nie einen Täter finden, obwohl sie teilweise von Sicherheitskameras gefilmt worden waren.

Todesangst

Vornehm diplomatisch drückt sich trotz allem die EU aus. "Die Verwicklung besonders der Polizei in Fälle von Gewalt gegen Journalisten ruft Besorgnis hervor", sagte Mitja Drobnic als EU-Vertreter in Montenegro im Dezember. Eine deutlichere Sprache spricht der Dachverband MANS. "In einem Land, in dem die Regierung mit der Organisierten Kriminalität gewachsen ist, muss jeder, der spricht und schreibt wie er denkt, um sein Leben fürchten."

Die Regierung von Milo Djukanovic (51), der seit über zwei Jahrzehnten als alles beherrschender Politiker den kleinen Adria-Staat lenkt, weist jede Verwicklung in die Attacken zurück. Allerdings lässt Djukanovic keine Möglichkeit verstreichen, um die kritischen Medien mit Schmähtiraden zu beschimpfen. Sie seien "bezahlte Söldner", die den erst knapp acht Jahre selbstständigen Staat wieder Serbien angliedern wolle. "Marionetten des Auslands" und "krank" sind noch die weniger schlimmen Etiketten.

Feindbild Djukanovic

Außenstehende Kommentatoren sehen in den drei unbotmäßigen Zeitungen "Dan", "Vijesti" und "Monitor" die einzig noch verbliebenen Stimmen, die die Regierung fürchten muss. Denn die hoffnungslos zerstrittene Opposition gibt seit vielen Jahren nur das Vorbild für Karikaturisten. Unbestritten ist für Freund und Feind, dass die Familie Djukanovic gemeinsam mit einigen wenigen befreundeten Familien an allen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Schalthebeln der Macht sitzt. (Thomas Brey/dpa/APA, 8.1.2013)