Die Polizei hatte davor gewarnt, konnte es aber trotz Großaufgebots von 2000 Beamten nicht verhindern: Bei Protesten gegen den Ball der FPÖ in der Hofburg kam es zu massiven Ausschreitungen
Ansichtssache
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Die Gegensätze könnten nicht größer sein: Schon bevor am Freitagabend der von der Wiener FPÖ als "märchenhaft rauschende Ballnacht" beworbene Akademikerball in der Hofburg losging, kam es auf den Straßen der Innenstadt zu massiven Ausschreitungen. Auch die umstrittene Sperrzone, das Vermummungsverbot in neun Bezirken und der Rekordeinsatz von 2000 Beamten (in Kampfmontur) konnten nicht verhindern, dass Auslagen zu Bruch gingen, zumindest ein Polizeiauto demoliert und die Polizeiinspektion Am Hof angegriffen wurde. In der eskalierten Situation wurden auch Medienvertreter, darunter ein Standard-Fotograf, der in der Nähe des Burgtheaters, bevor er zwischen die Fronten geraten war, noch vergeblich um Durchlass gebeten hatte, von Polizeikräften geschlagen. Auch auf Polizeiseite gab es nach ersten Angaben Verletzte.
Kurz vor 19 Uhr hatte die Polizei die Demonstrationszüge, die sich in Richtung Stephansplatz bewegt hatten, für aufgelöst erklärt. Grund: Feuerwerkskörper und Steine, die Richtung Polizei und Häuser flogen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürften rund 8000 Menschen an den Kundgebungen gegen den FPÖ-Ball, der bis 2012 vom Wiener Korporationsring (WKR) schlagender Burschenschafter veranstaltet worden war, teilgenommen haben. Rund hundert größtenteils vermummte Personen entwickelten daraufhin als Gruppe mit gepolstertem Rammtransparent und laut hörbaren Kommandos ein Eigenleben. Ob es sich dabei um die von der Polizei befürchteten Demoprofis aus Deutschland handelte, blieb vorerst unklar.
Polizeisperre überrannt
Am Hof überrannten die Demonstranten jedenfalls eine schwach besetzte Polizeisperre, rissen Pflastersteine aus dem Boden und bewarfen die hiesige Polizeistation. Ein Funkwagen auf der Straße wurde unter anderem mit demolierten Verkehrszeichen bearbeitet. Es kam zwar zu Festnahmen, doch wenig später wurde beim Stephansplatz eine Bankfiliale attackiert. Das Panzerglas der Auslage hielt allerdings stand. Mehrere Scheiben auf der Lusxuseinkaufsmeile am Graben allerdings nicht. Rund 50 Personen schafften es sogar in die Sperrzone vor die Oper. Die Polizei konnte diese Versammlung aber ohne weitere Zwischenfälle räumen.
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache schaffte es indes ohne Störungen in den von seiner Partei veranstalteten Ball, wie er in einem Videostatement erklärte. Es sei bedenklich, dass "Linke und Linksextremisten" gegen einen Wiener "Traditionsball" mobilisierten, kritisierte er. Den Ball werde man auch in Zukunft "mit Sicherheit nicht" aufgeben. Es gehe um das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. "Das werden wir uns nicht nehmen lassen."
14 Festnahmen und über 20 Verletzte
In einer nächtlichen Bilanz sprach die Polizei von 14 Festnahmen 17 Aktivisten und fünf Exekutivbeamte seien verletzt worden. Die Gesamtschadenssumme gehe in die hunderttausende Euros, so die Polizei in einer Aussendung. In der Innenstadt wurden den Angaben zufolge hunderte Anhaltungen, Kontrollen und Identitätsfeststellungen vorgenommen. Umfangreiches Videomaterial werde gesichtet. Eines hat sich jedenfalls bestätigt: die Befürchtung vor Krawallen.
Freitagvormittag hatte die Wiener Polizei das umfassende Platzverbot, das erstmals sehr restriktiv auch für Journalisten galt, mit "der potenziellen Gefährdungslage" begründet. Wie sich allerdings in der Praxis zeigte, herrschte direkt in der Sperrzone am wenigsten Gefahr. Viele Medienvertreter, darunter auch die Journalistengewerkschaft, der ORF-Redakteursrat und die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), forderten die Rücknahme der Beschränkungen für Medien. Das sei das Ende der Pressefreiheit. (Michael Möseneder, Michael Simoner, DER STANDARD-Printausgabe, 25.1.2014)
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