Ein mysteriöser Fremder kommt eines Tages in ein entlegenes Alpendorf, das ein Patriarch mit seinen Söhnen regiert: Sam Riley, Wunschbesetzung des Regisseurs, in "Das finstere Tal."

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Andreas Prochaska: "'Das finstere Tal' ist sicher mein bisher erwachsenster Film."

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Berlin - Mit seiner Mission, Genres an spezifisch österreichischen Milieus zu erproben, ist Andreas Prochaska nach dem Horrorfilm (In drei Tagen bist du tot) und der schwarzen Komödie (Die unabsichtliche Entführung der Frau Ott) nun beim Western angelangt. Das finstere Tal erzählt von einer Tiroler Dorfgemeinde, in der ein Bauer und seine Söhne mit Gewalt die Oberhand bewahren, bis eines Tages ein mysteriöser Fremder angeritten kommt. Der atmosphärisch dichte Alpen-Western überzeugt mit handwerklicher Genauigkeit und einem in seiner Disharmonie stimmigen Ensemble, dem auch Tobias Moretti und Sam Riley angehören. Am Montag feiert der Film bei der Berlinale Uraufführung, vier Tage später läuft er bereits im Kino an.

STANDARD: Thomas Willmann, der Autor der Romanvorlage von "Das finstere Tal", hat sowohl Ludwig Ganghofer als auch Sergio Leone einmal als Einflüsse für seinen Alpen-Western angeführt. Zwischen welchen Polen würden Sie nun Ihren Film verorten?

Prochaska: Ich wollte definitiv keinen Zitate-Western machen. Da gibt es einen berühmten Kollegen, der das viel besser kann. Italo-Western machen eigentlich das Gegenteil von Das finstere Tal: Ich versuche nicht, Cortina d'Ampezzo als die Rocky Mountains zu verkaufen. Das Tal des Films liegt in den Tiroler Alpen. Wichtig war daher die Sprache: Die Figuren sprechen kein authentisches Tirolerisch, aber es ist eine dem alpinen Raum zuordenbare Sprache, und Sam Riley, der den Fremden spielt, spricht erkennbar mit Akzent.

STANDARD: Was ist das überhaupt für ein Ort, wo wurde gedreht?

Prochaska: Das Glück war, dass es im Schnalstal innerhalb von drei Autominuten drei Höfe gibt, wo noch die Grundsubstanz vorhanden ist. Das Holz ist zweihundert Jahre alt, das lebt einfach. Sobald man die Stromleitungen abgedeckt hatte, konnte man dort drehen. Alles andere wäre außerhalb unserer Möglichkeiten gelegen. Mit 6,5 Millionen Euro haben wir zwar für deutschsprachige Verhältnisse ein relativ großes Budget gehabt - aber wir konnten kein eigenes Dorf aufbauen.

STANDARD: Der Topos des Fremden an einem rückschrittlichen Ort schließt an einen populären Westernmythos an. Hat die Handlung für Sie auch eine politische Ebene?

Prochaska: Oberflächlich ist es eine klassische Rachegeschichte, dahinter gibt es andere Schichten. Ich liebe Genrefilme, weil man damit subkutan andere Inhalte übermitteln kann. In diesem Fall hat das viel mit Macht und Autoritätsgläubigkeit zu tun. Das finstere Tal ist ein Western mit Mehrwert.

STANDARD: Im Buch ist der Fremde Landschaftsmaler, im Film ein Fotograf. Ein Spiel mit der Geschichte des Mediums?

Prochaska: Martin Ambrosch, mein Koautor, und ich fanden Malerei filmisch nicht so attraktiv. In der Literatur kann man sich die Bilder vorstellen, im Film hätte man einen bestimmten Stil vorgegeben. Martin, leider nicht ich, hatte dann die Idee mit dem Fotografen: Man hat damit etwas, das die Neugierde der Eingeborenen weckt. Das andere Motiv hat mit dem sterbenden König dieses Tals, dem Brenner-Bauern, zu tun, der vielleicht sein Lebenswerk dokumentiert sehen will.

STANDARD: Wie kamen Sie auf Sam Riley als Hauptdarsteller? Er ist ja ein eher untypischer Westernheld.

Prochaska: Die Hauptfigur musste jünger sein als der klassische Westernheld. Er durfte keine Bedrohung für die Bewohner darstellen, sonst würden sie ihn ja nicht tolerieren. Ein Vorbild war Alain Delon in Der eiskalte Engel - also habe ich angefangen, auf Agenturseiten herumzugoogeln, da habe ich ein Foto gesehen, auf dem Riley wie Delon ausgesehen hat. Er war meine erste und einzige Wahl.

STANDARD: Wie viel Energie war nötig, das insgesamt sehr glaubwürdige Ensemble zusammenzustellen?

Prochaska: Eine Herausforderung waren die fünf Brüder des Brenner-Bauern. Im Roman haben sie nicht einmal Namen, da unterscheiden sie sich nur durch ihre Bärte. Helmuth Häusler, der Bruder mit Augenklappe, war ein Fixstarter - ein solches Gesicht findet man im deutschsprachigen Raum selten. Die große Frage war: Wer ist der Antagonist? Als dann Tobias Moretti vorgeschlagen wurde, war ich eher zurückhaltend. Ich wollte kein Star-Vehikel. Als wir es dann ausprobiert haben, war aber schnell klar, dass kein Weg an ihm vorbeiführt: Alles passte zusammen, er ist ein "leading man".

STANDARD: Horror, Komödie, jetzt Western: Haben Sie den Ehrgeiz, mit jedem Genre für sich auch filmische Standards neu zu erobern?

Prochaska: Ich suche schon Herausforderungen. Nicht aus sportlichen Gründen, sondern weil ich Dinge ausprobieren will, die ich sehe, die mir im Kino Spaß machen. Ich möchte wissen, wie das geht, ob ich das auch kann. Die Analyse der Vorgänge ist total interessant. Das finstere Tal ist sicher mein bisher erwachsenster Film.

STANDARD: Sie haben früher unter anderem als Cutter von Michael Haneke gearbeitet. Hat Sie das geprägt?

Prochaska: Es hat mich als Filmmensch mitgeprägt. Zwischen meinen Filmen und seinen gibt es ja keine Schnittmengen ... In seiner Pingeligkeit ist er mir damals auch auf den Geist gegangen, doch in Wahrheit habe ich seine Genauigkeit aufgesogen. Wenn es ein guter Take war, es aber dennoch Verbesserungsbedarf gibt, dann muss man alle Mühen auf sich nehmen: Diese Hartnäckigkeit habe ich davor bei keinem österreichischen Filmemacher gesehen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 6.2.2014)