Das genaue Alter des Burschen steht nicht fest.

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Wien - Der Fall eines möglicherweise erst zwölf Jahre alten Buben, der in Wien 16 Tage lang in U-Haft saß, sorgt für Aufregung. Der Haftrichter hielt den Buben im Zweifel für jünger als 14 Jahre, also für strafunmündig, und ließ ihn Freitagabend wieder frei. Der Bub sei nun abgängig - das bestätigte Jugendamtssprecherin Herta Staffa.

Der Prozess gegen den Buben hatte am Freitag unter anderem deshalb für Aufregung gesorgt, weil der Staatsanwalt die Geschlechtsorgane des Kindes untersuchen lassen wollte, um seine Strafunmündigkeit zu klären.

Abgängigkeitsanzeige

Der nach eigenen Angaben am 31. März 2001 geborene Bub war am Freitag nach einer polizeilichen Einvernahme in die "Drehscheibe" - eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - gebracht worden. Dort dürfte er "nicht mal die Nacht verbracht haben", sagte Staffa. Als sein Fehlen bemerkt wurde, wurde sofort eine Abgängigkeitsanzeige bei der Polizei erstattet. "Wir können ihn nicht einsperren", erklärte Staffa.

Zuvor hatte der Bub keine Auskünfte über seine Person, sein Alter oder seine Herkunft erteilt, "er redet nicht darüber", sagte Staffa. Bereits vor seiner Festnahme am 22. Jänner soll sich der Bub öfters in der "Drehscheibe" aufgehalten haben, allerdings stets nur tageweise.

Dem nur 1,55 Meter großen, schmächtigen und ausgesprochen kindlich wirkenden Buben war vorgeworfen worden, seit vergangenem November in der Bundeshauptstadt gewerbsmäßig und als Teil einer kriminellen Vereinigung 25 Personen - vorwiegend Touristen - bestohlen zu haben. Ihm wurde vorgeworfen, einer auf Taschendiebstähle spezialisierten, europaweit tätigen "Kinderbande" angehört haben.

Gutachten widerspricht Amtsarzt

Der Amtsarzt hielt den Buben für jedenfalls 14 Jahre, wenn nicht sogar 16 bis 18 Jahre. Dem widersprach allerdings ein zahnärztliches Gutachten, das Richter Andreas Hautz in Auftrag gegeben hatte. Demnach sind einige Zähne im Unterkiefer noch nicht ganz durchgebrochen, laut der Sachverständigen ist der Bub um die 14 Jahre, es sei auch denkbar, dass er jünger als 14 sei, es gebe bei der Schätzung eine Bandbreite von plus/minus einem Jahr. 

Für den Richter genügte das, um dem Angeklagten im Zweifel Strafunmündigkeit zuzubilligen, wobei er zusätzlich auf das äußere Erscheinungsbild des Kindes verwies: "Wenn das nicht reicht, vernünftige Zweifel zu haben, weiß ich nicht". Und unter Anspielung auf die Angaben des Amtsarzt fügte Hautz hinzu: "Wie man da auf 16 bis 18 kommt, wenn man den Angeklagten anschaut, ist mir ein Rätsel."

Staatsanwalt Jörgen Santin hatte beim Prozess am Freitag mit aller Kraft versucht, dem Kind nachzuweisen, dass es bereits das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Bub unter einem Alias-Namen bereits in Belgien straffällig geworden war, ehe er in Österreich festgenommen wurde.

Im dortigen Strafverfahren hatte er angegeben, am 1. Jänner 1999 geboren zu sein, sagte Gerhard Jarosch, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft am Freitag der APA. Auch in einem zweiten Verfahren habe der Bub 1999 als Geburtsjahr genannt. Anhand von Fingerabdrücken stehe fest, dass es sich um denselben Bub handelte. Der Bub ist jedoch Analphabet, er soll eine Schulbildung vorweisen können.

Richter: "Jetzt wird's lächerlich"

Santin beantragte nach der Erstattung des zahnärztlichen Gutachtens eine Untersuchung des linken Handwurzelknochens des Burschen. Als dies vom Richter abgewiesen wurde "die körperliche Untersuchung des Angeklagten, insbesondere der Geschlechtsorgane". "Jetzt wird's lächerlich", entfuhr es da dem Richter, ehe er diesen Antrag abschmetterte, weil es sich dabei um einen "unzulässigen Erkundungsbeweis" handle.

Schließlich präsentierte Santin einen offenen Festnahmeauftrag, der während der 16 Tage U-Haft wegen später bekannt gewordener Taschendiebstähle erlassen worden war. Zur Exekution dieser Anordnung hatte der Staatsanwalt vorsorglich zwei Polizeibeamte im Saal Platz nehmen lassen. Der Bub wurde nach dem Freispruch weinend von der Justizwache abgeführt und zur Polizei gebracht, wo er zur Nachtragsanzeige befragt wurde. Richter Hautz reagierte auf das Vorgehen des Staatsanwalts mit Kopfschütteln: "Das ruft bei mir höchstes Befremden hervor."

Nach dieser Einvernahme bei der Polizei wurde vom Vollzug der Festnahmeordnung Abstand genommen und der Bub in der "Drehscheibe" übergeben. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien kündigte noch Freitagabend an, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft rechtlich zu prüfen.  (APA, 7.2.2014)