Die Oculus Rift weist den Weg in eine Zukunft, in der Spiele und andere digitale Werke viel intensiver erlebt werden können

Foto: derStandard.at/Pichler

Das Bild wird von einem kleinen Bildschirm über Linsen direkt vor die Augen des Spielers transportiert.

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So sieht die Übertragung auf einem normalen Bildschirm aus.

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Die virtuelle Realität ist im Anmarsch. An der Speerspitze der vor allem – aber nicht nur – für Videospiele interessanten Entwicklung steht die Oculus Rift. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine Brille, die den Spieler voll ins Geschehen eintauchen lassen soll, anstatt ihn lediglich vor den Monitor zu setzen.

Das Gerät, für das es auch Seitens der Games-Entwickler immer mehr Zuspruch und Unterstützung gibt, ist derzeit noch in einer frühen Entwicklungsphase. Interessenten konnten schon vor geraumer Zeit ein Entwicklerkit ordern, das eine erste Version der Brille enthält. Der GameStandard war zu Gast beim Musiker und Tech-Enthusiasten Christoph "Burstup" Weiss und konnte die Rift ausprobieren.

Klobiger VR-Kasten

Es ist ein auf den ersten Blick klobiges Ding, welches sich dem geneigten Entdecker präsentiert. Befestigt an zwei Kopfgurten befindet sich ein eine große, schwarze und nach vorne abstehende Front. Wer sie trägt, macht sich nicht unbedingt zur neuen Stil-Ikone, was aber ohnehin nicht Sinn der Sache ist.

In die Konstruktion ist ein Monitor eingebettet, wie er sich üblicherweise auf Tablets finden lässt. Er gibt wieder, was gerade am Bildschirm des verbundenen PCs zu sehen ist. Über zwei Linsen auf der Innenseite wird das Geschehen vor die Augen des Nutzers transportiert. Eigene Software sorgt dafür, dass das Bild auf beiden Seiten leicht versetzt und somit stereoskopisch ist.

In Kombination mit der Krümmung der Linse soll damit ein realistisches Sichtfeld nachgeahmt werden, sofern das jeweilige Spiel es erlaubt. Gleichzeitig errechnen Sensoren die Bewegung des Kopfes. Das Ziel: Rundumsicht in virtuellen Abenteuern anstatt von den Grenzen des Monitors beständig daran erinnert zu werden, eigentlich auf einem Sessel zu hocken.

Kinderkrankheiten

Der erste Ausflug entführt in die Weiten des Alls. "First Law" heißt der Titel, der vom Indie-Entwickler Ryan Evans speziell für die Oculus Rift entwickelt wird. Warum sich der Titel als Einstieg so gut eignet? Die Bewegungsfreiheit in der Schwerelosigkeit erlaubt eine einfachere Gewöhnung an das Konzept der Brille. Dazu, so hat sich laut Weiss bei den meisten Testern gezeigt, treten bei diesem Titel üblicherweise kaum Übelkeitserscheinungen auf.

Diese ergeben sich aus dem unterschied zwischen der körperlichen Reaktion auf die wahrgenommene Bewegung und dem, was sich letztlich am Bildschirm abspielt. Hinzu kommt, dass die Brille in ihrer aktuellen Fassung eine Latenz von 20 Millisekunden aufweist, die zwischen der tatsächlichen und im Spiel durchgeführten Bewegung des Kopfes ergibt. Plötzliche, unerwartete Stopps, Seitwärtsbewegungen (das sogenannte "Strafen") oder schnelles auf und ab sollen bei vielen Testern ein flaues Gefühl im Magen verursachen.

Freiflug

Doch zurück ins Raumschiffcockpit. Kann man aus diesem herausschauen und seinen Blick auch durch die oberen und seitlichen Fenster werfen, wirkt er trotz all seiner Schmucklosigkeit gleich wesentlich größer, als er es auf einem normalen Bildschirm würde. Ein Effekt, der sich auch in anderen Spielen deutlich zeigen sollte. Dazu gesellt sich ein kurzes Verdutzen, als ein Blick nach unten nicht den Gamecontroller ins Blickfeld rückt, sondern die Knie des Alter Ego auf seinem Pilotensitz.

Zur Erlernung der Steuerung von "First Law" können im "Free Flight"-Modus die Raumstation und umliegende Asteroiden erforscht werden. Erinnerungen an All-Schlachten aus dem Sci-Fi-Klassiker "Star Wars" werden wach, wenn man mit dem Raumgleiter knapp zwischen den Ringen der Station durchtaucht, während man sich staunend wie ein kleines Kind umblickt. Beim Absolvieren der ersten und bislang einzigen Mission zeigt sich auch ein kleiner, aber feiner spielerischer Vorteil der neuen Kopffreiheit: Die Verfolgung von Gegnern fällt wesentlich leichter, wenn man ihnen nachblicken kann, ohne gleichzeitig die Flugrichtung ändern zu müssen.

Achterbahn

Nachdem der letzte Gegner zerstört und das Schiff wieder in Parkposition gebracht ist, folgt der Ritt auf einer besseren Holzplanke über einen Achterbahnparcours. Ins Geschehen eingreifen kann man nicht, dafür erhält man einen schönen Ausblick auf eine mittelalterliche Burg in Epics "Citadel"-Szenario, ehe man zuerst fast senkrecht bergab geschickt und anschließend durch das Dorf vor den Burgmauern katapultiert wird. Fast wie gemacht für Fans des Aufbauklassikers "Rollercoaster Tycoon".

City 17 neu entdecken

Kann man sich frei umsehen, werden Höhen höher und Tiefen tiefer. Auch wenn die eher bröselige Auflösung der Rift von 1.280 x 800 Pixel keinen Zweifel daran lässt, dass es sich um Computerwelten handelt.

Wie man mit Technologie wie dieser auch ältere Games aufwerten kann, wird schließlich am Beispiel von "Half-Life 2" ersichtlich. Valves Meilenstein des Shooter-Genres hat immerhin bald zehn Jahre auf dem Buckel. Doch auch für Spieler, die den Titel in- und auswendig kennen, ist die Ankunft in City 17 mit der Rift eine beinahe komplett neue Erfahrung.

Man kennt die Abläufe, man weiß, was wann passiert. Doch der Eindruck ist ungleich intensiver, wenn man das Gefühl hat, dass der maskierte Sicherheitsbeamte mit verzerrter Stimme und Elektroschlagstock genau so groß ist, wie man selbst. Ankunftshalle und Vorplatz wirken ungleich imposanter, die Flucht über die Dächer der Stadt wird einen Tick dramatischer, ebenso wie die gescheiterte Teleportation des Helden.

Schauderhafte Tiefen der Blockwelt

In Form der Modifikation "Minecrift" läuft auch der Online-Blocksandkasten "Minecraft" mit der Oculus Rift. Grundlegend unterscheidet sich das Erlebnis zwar nicht von "Half-Life 2", allerdings gibt es kaum ein Spiel, in welchem in diesem Umfang Welten erschaffen und verändert werden können.

Hier lassen sich auch fliegende Inseln erschaffen. Ein Blick vom Rand lässt hier, obwohl die aus Quadern bestehende Landschaft nach wie vor reichlich abstrakt wirkt, einen kalten Schauer über den Rücken ziehen. Ein Sturz aus mehreren hundert virtuellen Metern dürfte mit der Rift noch etwas adrenalinfördernder sein, als vor einem Monitor.

"Breakout" einmal anders

Einen Blick auf andere mögliche Spielkonzepte gewährt zum Schluss "Proton Pulse". Dabei handelt es sich um eine dreidimensionale Umsetzung des Geschicklichkeitsklassikers "Breakout", in welchem alle Blöcke in einem Level mit Hilfe eines Balls zerstört werden müssen, der mit einem viereckigen Schläger daran gehindert wird, aus dem Bild zu fallen.

In dieser Umsetzung wird das "Paddle" per Kopfbewegung gesteuert, während Technomusik und bunte, bewegte Muster das Geschehen untermalen. Aktuell ist das Spielgeschehen noch etwas eintönig, zeigt aber, dass auch ganz klassische Genres durchaus von neuer Technologie profitieren können.

Video: Proton Pulse

Virtuelle Ausstellung

Wie Geräte á la Rift künftig auch für die Kunst relevant werden, zeigt eine Führung durch eine futuristische Installation, die Weiss in "Second Life" errichtet hat. Große Konzerne und viele Spieler haben der Online-Welt nach dem einstigen Hype den Rücken gekehrt, doch immer noch bauen genügend Leute dort ihre eigenen Umgebungen, um sie finanziell weiter existieren zu lassen. Findige Tüftler aus ihren Reihen haben den frühen Support für die "Rift" ermöglicht. Hersteller Linden Lab arbeitet an einem offiziellen Update zur Implementierung der VR-Brille. Gründer Philip Rosedale werkt mit einem neuen Team an einem technisch enorm verbesserten Nachfolgespiel.

Auch andere Berufszweige könnten künftig von der Rundumsicht in der Virtualität profitieren. Denkbar ist auf diesem Wege auch eine immersive Begehung des eigenen Traumhauses in 3D, ehe die Baufirma das künftige Heim aus dem Boden stampft.

Langer Weg, große Zukunft

Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Für den Durchschnittsspieler bringt die Oculus Rift heute nur wenig. Mitunter ist einiges an Test- und Konfigurationsarbeit notwendig, um verschiedene Games ordentlich mit der Brille spielen zu können. Gleichzeitig soll das finale Modell durch die Erfassung der Oberkörperbewegung, bessere Latenz und sehr hochauflösende Grafik ein deutlich tieferes Eintauchen in digitale Abenteuer erlauben sowie die Übelkeitsgefahr beseitigen.

Entwicklerstudios müssen ihre Produkte künftig wohl auch für Produkte wie die Rift und eine Reihe von zu erwartenden Alternativen im VR-Bereich anpassen. Als eines der ersten größeren Studios entwickelt beispielsweise CCP-Games den Weltraumshooter "Eve: Valkyrie" sogar ausschließlich für den Genuss mit "Köpfchen". (Georg Pichler, derStandard.at, 23.02.2014)

Video: Eve: Valkyrie