24. 9. 1988, Treffen dreier ganz großer Austrianer: Alberto Martinez, Herbert Prohaska und Julio Morales (von links).

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16. 7. 1950, Entsetzen im Maracanã: Alcides Ghiggia erzielt im WM-Finale Uruguays Siegestreffer gegen Brasilien.

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Wien - Offiziell kennen einander Österreich und Uruguay ballesterisch nur vom Hörensagen. Am Mittwoch trifft das Team des ÖFB in Klagenfurt (20.30, Liveticker) erst zum dritten Mal auf jenes aus Uruguay. Und das einzige, das unsereinem auf der Zunge liegt, ist die Frage, ob Luis Suárez - den manche latinoaffinen Zeitgenossen als weltbesten Stürmer bejubeln - einen Beißkorb tragen wird.

Der Mann, der sein Auskommen beim FC Liverpool findet, neigt ja bekanntlich - darin dem Mike Tyson gleich - zum Beißen. Unlängst erst tat er das bei Chelseas Branislav Ivanovic. Und diese unsanktioniert gebliebene Attacke war keineswegs die erste.

Fürs österreichisch-uruguayanische Verhältnis ist so etwas jammerschade. Die beiden Nationen hätten einander nämlich viel zu erzählen. Zu erzählen von guten und von schlechten Zeiten. Und den Südamerikanern obläge es, davon zu berichten, wie man aus den schlechten sich wieder herausstrampelt. Denn das haben die aus Montevideo denen aus Wien voraus. 2010 kam man, nach einigen einigermaßen mageren Jahren, ins WM-Halbfinale.

Zeitgleiche Keimung

In Uruguay begann das Fußballspielen ungefähr zeitgleich wie hierzulande, und auch die Gründe waren nicht bloß die gleichen, sondern auch dort die Engländer. Aber wie in Österreich und Umgebung, so bastelte man im kleineren der beiden La-Plata-Staaten emsig auch am Eigenen. Und so, wie sich in Wien der Calcio danubiano entwickelte, so in Montevideo der Calcio la-platiano. Wobei neidlos dazugesagt werden muss, dass dieser jenen überragte wie die Anden die Alpen.

Das dokumentiert nicht bloß die Tatsache, dass Uruguay 1930 erster Weltmeister gewesen ist. Sondern mehr noch die Tatsache, dass dieses nicht einmal 3,5 Millionen Einwohner schwere Land der erste WM-Gastgeber gewesen ist. Das brachte die Südamerikaner in eine schroffe Frontstellung gegenüber dem Hugo-Meisl'schen Österreich, das ja einer europäischen Dominanz des Fußballs - der im Mitropacup kondensierten Vorläufersubstanz der Uefa - das Wort redete. Vielleicht lag es daran, dass die beiden Länder erst 1954 sich von Angesicht zu Angesicht in die tatsächlich ballesterische Quere gekommen sind.

Bis dahin hatten die uruguayanischen Kicker jede WM gewonnen, an der sie teilgenommen haben. Also 1930 daheim und 1950 im nahen Brasilien, wo die Gastgeber in Sagrada Maracanã mit 2:1 augetrieben wurden wie Teufel.

Beinahe ins Eingemachte einer Freundschaft

Vier Jahre später kamen die hierkontinents als Gottseibeiunse wahrgenommene Uruguayaner also als die Regenten. Und ausgerechnet diese wurden in dieselbe Gruppe drei gelost wie die Österreicher. Gruppenmäßig rivalisierte man aus fifaesker Verfahrensdummheit, die der später titeltrukenen BRD so genützt hat, nicht. Erst als Enttäuschte traf man sich im kleinen Finale, das Österreich mit 3:1 gewann und damit den größten Erfolg ever erzielen konnte. Das war am 3. Juli 1954 im Hardturm-Stadion zu Zürich.

Zehn Jahre später, am 14. Mai 1964 - da war die Zeit schon in vielerlei Hinsicht eine ganz andere - gelang den Uruguayanern mit 2:0 in Wien der Ausgleich. Und das war's dann auch schon.

Offiziell. Inoffiziell freilich ging die Bekanntschaft beinahe ins Eingemachte einer Freundschaft. Das Mai-Länderspiel hatte ja Teamchef Béla Guttmann eingefädelt gehabt, der zwei Jahre lang den ehrwürdigen Vereine Peñarol Montevideo gecoacht hat.

Aktuelle Randständigkeit

Guttmann - wir erzählen das jetzt nur, damit jene "unsterblich" in der Randständigkeit zum Trottel ausharrenden, vorgeblichen Austria-Fans das auch wissen - war mit der Hakoah erster österreichischer Profimeister und in weiterer, durch ebendiese Randständigkeit erzwungener Folge einer der großen Weltfußball-Entwickler. Mit ihm bei Hakoah war Norbert Lopper, dem sie in Auschwitz zwar die physische Fähigkeit zum Kicken wegfoltern konnten, nicht aber die cordiale. Lopper erfand und erfüllte, was heute "Fanbeauftragter" heißen mag.

Durch seine offenen Ohren kamen dann "die Urus". Julio César Morales bildete in den 1970ern mit Hans Pirkner und dem heutigen Austria-Chef Thomas Parits den "hundertjährigen Sturm". Der stürmte, nicht zuletzt mithilfe des von Peñarol geholten Midfielders Alberto Martinez, der 2009 verstarb, 1978 bis ins Finale des Cups der Cupsieger. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 03.03.2014)