Bild nicht mehr verfügbar.

"Erhebliche strukturelle Defizite" bescheren Österreich laut Studie nur einen mittelmäßigen Platz.

Foto: EPA/PETER KNEFFEL
Foto:

"Natürlich steht Österreich in vielen Bereichen nach wie vor sehr gut da", sagt Daniel Schraad-Tischler, Projektleiter der Bertelsmann-Stifung. Im Gespräch mit dem Standard verweist er auf die niedrige Arbeitslosigkeit und die Leistungen des Wohlfahrtsstaates. Und dennoch hat Schraad-Tischler eines überrascht: "Die Schweiz schneidet deutlich besser ab, da ist doch eine große Lücke zu Österreich."

Mehrere Monate lang haben mehr als 100 Experten weltweit für die Bertelsmann-Stiftung Daten zusammengetragen, um den ökonomischen, sozialen und ökologischen Reformbedarf in den Staaten der EU und der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu analysieren.

Österreich kommt trotz leichter Verbesserungen gegenüber der letzten, drei Jahre zurückliegenden Erhebung über einen Platz im Mittelfeld nicht hinaus und liegt mit Gesamtrang 19 noch hinter Ländern wie Belgien, Frankreich und Tschechien. "Erhebliche strukturelle Defizite" sehen die Experten in den Bereichen Bildung, Pensionen und Migration.

Pensionssystem nicht tragfähig

Fazit bei der Pensionspolitik: "Langfristig ist das derzeitige Pensionssystem nicht tragfähig. Zu groß ist der Druck der demografischen Alterung." Empfohlen wird die Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters. Doch die Forscher konstatieren auch, Reformen seien "zwar nötig, lassen sich jedoch derzeit nur schwer politisch durchsetzen".

Für Schraad-Tischler hat das politische System in Österreich mit seinem Modell der Sozialpartnerschaft zwar "große Vorteile", da vieles im Konsens beschlossen werde. Doch gerade in einem solchen System seien "grundlegende Reformen schwierig". Deutschland habe immerhin begonnen, das Pensionsantrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre anzuheben - wenngleich jetzt mit der Senkung des Antrittsalters auf 63 Jahre für langjährig Versicherte eine "Rolle rückwärts" passiere.

Besser erledigt haben die nordischen Staaten ihre Hausaufgaben, die im Ranking nicht nur deshalb die vorderen Plätze belegen. "Dort wird deutlich mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan", sagt Schraad-Tischler.

Mehr Kindergärten nötig

In Österreich hingegen seien das Angebot für Kinderbetreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige und Investitionen in eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung "noch stark ausbaufähig". Auch müsste Österreich, gemessen an seiner ökonomischen Stärke, deutlich mehr Universitätsabsolventen hervorbringen. Im Bildungswesen kommt Österreich daher nur auf Teilrang 29.

Noch schlechter (Platz 32) sieht es bei den Themenfeldern Zuwanderung und Integration aus. Als Pluspunkt wird zwar die Rot-Weiß-Rot-Karte gewertet. Kritisiert aber wird, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich immer noch schlechtere Chancen in den Schulen und auf dem Arbeitsmarkt hätten.

Überraschend ist das gute Abschneiden Deutschlands. Nach Jahren des Mittelmaßes hat es den Anschluss an die Spitzengruppe der nordeuropäischen Länder und der Schweiz geschafft. Begründet wird dies mit der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der staatlichen Stimuli (Abwrackprämie, Kurzarbeitergeld) während der Krise. Bloß auf Rang 28 rangieren die USA, die massive Schwächen in den Feldern Soziales, fiskalische Nachhaltigkeit und Umwelt offenbaren. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 7.4.2014)