Ein programmatischer Info-Folder von 1968, gestaltet von Gerti Fröhlich, reproduziert im Band "Aufbrechen".

Foto: Lukas Friesenbichler

Das Österreichiche Filmmuseum war noch nicht ganz fünf Jahre alt, da kam es bereits zu einem "Putsch in der Albertina". So titelte 1969 die Filmzeitschrift Action und fragte weiter: "Kann die K. u. K. Filmdiktatur demokratisiert werden?" Gemeint war mit der Abkürzung nicht die dahingegangene Donaumonarchie, sondern die Gründer Peter Konlechner und Peter Kubelka. Im Rahmen eines Abends, der eigentlich dem filmischen Werk des Italieners Alfredo Leonardi gelten sollte, war eine Resolution verlesen worden, mitverfasst von der Austrian Filmmakers Cooperative - u. a. Valie Export, Hans Scheugl, Ernst Schmidt jr., Peter Weibel. Darin wurde Unmut (nicht nur) übers Übergehen des heimischen Filmschaffens bei der Programmierung formuliert.

Umständen, Hintergründen und Folgen dieses kleinen Aufstands - der möglicherweise ja selbst eine Expanded-Cinema-Aktion, ein eigener Wiener Film war - widmet sich das letzte Kapitel von Aufbrechen. Die Gründung des Österreichischen Filmmuseums. Eszter Kondors reichhaltige und lesenswerte kulturgeschichtliche Erkundung der Vor- und Frühgeschichte des Hauses bildet den Auftakt für die dreibändige, insgesamt 768-seitige Publikation zum Jubiläum, die als kompakter Ziegel in einem roten Schuber steckt.

Das zweite Buch, Das sichtbare Kino. Fünfzig Jahre Filmmuseum: Texte, Bilder, Dokumente, herausgegeben vom amtierenden Direktor Alexander Horwath, versammelt Originalbeiträge und historische Zeugnisse in Schrift und Bild. Es steht für jenen Niederschlag, den das Filmmuseum mit Filmen, Programmreihen, Gästen und Veranstaltungen bei seinem (Fach-)Publikum, bei Weggefährten und Mitstreitern gefunden hat.

Außerdem enthält es eine Chronik aller Programme, seit im März 1964 Konlechner, Kubelka und die Österreichische Hochschülerschaft das Österreichische Filmmuseum gründeten und dessen immer noch gültiges Credo formulierten: "Der dominierende Ausstellungsort des Filmmuseums ist jedoch die Leinwand. Das Ausstellungsobjekt ist der Film."

Mit Klassiker des russischen Films startete der Spielbetrieb, noch in der TU, wo Konlechner 1961 das Cinéstudio eingerichtet hatte. Ab 1965 konnte man sich immer wieder in den Filmvorführsaal der Albertina einmieten. Am 1. Jänner 1968 startete das Filmmuseum ebendort "eine (fast) tägliche Vorführtätigkeit" (Kondor).

Der abschließende Band erklärt sich sozusagen von selbst: Kollektion. Fünfzig Objekte: Filmgeschichten aus der Sammlung des Österreichischen Filmmuseums (herausgegeben von Sammlungsleiter Paolo Caneppele und Horwath). Darin werden 50 ausgewählte Archivalien porträtiert - vom "Ort der Sammlung", dem "Unsichtbaren Kino 3, 2003" bis zu einem Kaktus (" Cleistocactus winteri"), der mit dem Nachlass des Wiener Amateurfilmers Otto K. Schödl in den Besitz des Hauses übergegangen ist.

Dazwischen wird noch einmal, in chronologischer Abfolge, auch ein technologischer Parcours durchschritten: Dazu gehören protokinematografische Artefakte und Dokumente des frühen Kinos. Eine "Arri Schrittkopiermaschine, 1930er-Jahre", ein "Meopta Almo 2034 Normal-8-Betrachter, ca. 1956" oder ein schwarz-weißes "Geister"-Foto: Darauf sieht - oder vielmehr erahnt - man vor einer "HP Z800 Workstation für digitale Filmrestaurierung, 2010" zwei Mitarbeiter, die an Mysterious Object at Noon von Apichatpong Weerasethakul arbeiten, dem hier auch eine Retrospektive gewidmet war. Eine weitere Verknüpfung zwischen Zeiten und Büchern. (Isabella Reicher, Album, DER STANDARD, 12./13.4.2014)